|Rezension| "Schmetterlinge im Gepäck" von Stephanie Perkins

Von Paperdreams @xGoldmarie


Ich habe drei schlichte Wünsche.
Die siebzehnjährige Lola würde niemals ein Outfit zwei Mal anziehen und trägt jeden Tag die ausgefallensten Klamotten, die sie größtenteils selbst genäht hat. Und sie hat nur drei Wünsche: 1. auf dem Winterball ein Marie-Antoinette Kleid tragen, 2. dass ihre Dads endlich ihren Rockstarfreund Max akzeptieren und 3. niemals wieder auf Cricket Bell treffen, ihre erste große Liebe, die ihr das Herz gebrochen hat. Doch wie es nun einmal so ist im Leben, kommt alles ganz anders, als man es sich erhoffen würde und Cricket Bell und seine Familie ziehen wieder in das Nachbarhas, Fenster an Fenster mit Lola. Schon bald muss Lola feststellen, dass alte Gefühle nicht so schnell verfliegen und darauf achtgeben, dass sie sich in ihrer ganzen Kostümierung nicht selbst verliert...
"Schmetterlinge im Gepäck" liest sich wie ein Kuschelfilm am Sonntagabend - leicht und schnell, wobei "lesen" hier eindeutig das falsche Wort ist. Viel mehr fliegt man durch die Seiten und die Wörter werden zu Bildern und kleinen Filmchen, die sich vor den Augen abspielen. Kurz gesagt: Man merkt dem Buch nicht an, dass man liest, man lässt sich fallen. Dabei ist es nicht unbedingt spektakulär geschrieben, nur eben sehr locker und humorvoll mit viel Frische und Charme und natürlich ist es eher jugendlich gehalten, bricht aber aus dem prüden Amischema definitiv aus. Es ist einfach genau so geschrieben, wie man es zwischendurch einfach mal braucht: nicht schwierig, aber auch nicht anspruchslos und mit dieser fliegenden Leichtigkeit, die den Leser mit den ersten Worten zwischen die Seiten zieht. Einfach toll!
Kann man sich in jemanden verlieben, der einem einst das Herz gebrochen hat? JA! Gut, so drastisch würde ich meine kurze Beziehung mit "Herzklopfen auf Französisch", welches ich vor ca. zwei Jahren gelesen habe auch nicht beschreiben, aber es blieb doch weit hinter meinen Erwartungen zurück - was vielleicht daran liegt, dass ich es schlicht zur falschen Zeit gelesen habe. Dass es aber auch anders geht, beweist Stephanie Perkins mit "Schmetterlinge im Gepäck", wobei man dem Titel und dem Cover auf gar keinen Fall Beachtung schenken sollte, denn beides ist einfach grausig und spiegelt absolut nicht die herrlich schrullige und herzerwärmende Geschichte von Lola und Cricket wieder. Und ich denke, ich verrate nicht zu viel, wenn ich Lola und Cricket sage, denn auch wenn die herzenstechnischen Verzwickungen erst ziemlich durcheinander sind, ist doch von Anfang an klar, wo uns die Geschichte über Selbstfindung, Mut, Leben, Liebe und Freundschaft am Ende haben möchte: klar, bei einem Happy End mit - na gut, weil's gerade so passt - Schmetterlingen im Gepäck.
Die Geschichte hat, neben ungeheuer vielen anderen positiven Aspekten, die nicht unerwähnt bleiben sollen, nämlich vor allen Dingen eins: Charme. Und den Anspruch, aufwühlend, dramatisch, witzig und romantisch zu sein, obwohl man von Anfang an weiß, wie die Geschichte ausgehen wird. Genau diesen Anspruch erfüllt das Buch zu jeder Sekunde und genau das macht sie so einzigartig und in gewisser Weise auch perfekt. Denn wie sagt Cricket so schön? "Aber genau das, was an einem Menschen nicht perfekt ist, macht ihn doch erst perfekt für jemand anders." (S.397) All die kleinen Dinge, die in "Schmetterlinge im Gepäck" zusammenlaufen und durcheinander und nicht perfekt sind, machen dieses Buch so unglaublich schön - und (für mich) zu einer perfekten Geschichte. Klar, stellenweise ist die Dramatik kaum zum Aushalten und man möchte die Protagonisten schütteln, weil sie es so einfach und schön haben könnten, wenn sie die Augen aufmachen würden, aber letztendlich sind es eben diese kleinen Details, die der Geschichte das gewisse Etwas verleihen.

Und genau da sind es die kleinen Dinge. Nicht nur, was Handlung, Stil und Atmosphäre angeht, sondern gerade auch wenn es um die Figuren geht. Lola alias Dolores alias Lo ist eine der faszinierendsten und außergewöhnlichsten Protagonistinnen, die ich kennenlernen durfte (und erinnerte mich teilweise ein wenig an Jeane aus Adorkable). Sie ist einfach wunderbar schrullig und individuell mit ihren tausenden Outfits und Perücken und ihrer witzigen und selbstbewussten Art. Aber auch ihr Umfeld trägt dazu bei, dass das Gesamtbild einfach stimmt. Sie hat zwei schwule Väter, eine ständig betrunkene und anstrengende leibliche Mutter und eine detektivisch veranlagte beste Freundin, die keine Beziehung will. Dazu kommt ihr Rockstarfreund Max und natürlich Cricket, der nicht nur ein kleiner Erfinder, sondern auch ein unheimlich warmherziger und
liebevoller Mann ist und seine Zwillingsschwester Calliope - eine perfekte Eiskunstläuferin. Hier stimmt einfach das Gesamtpaket, denn die Autorin gibt jeder Figur ihren eigenen Kopf und schafft so das, was vielen anderen Autoren nicht gelingt: ein ganz eigenes Universum in einem Buch.
Neben einer wunderbar romantischen Liebesgeschichte, die trotz Vorhersehbarkeit einfach nur schön ist, spielen aber auch viele andere Themen eine Rolle: Die Suche nach sich selbst, der Mut loszulassen, die Angst vor diesem Loslassen, kleine Familienprobleme und das Erwachsenwerden. Auch hier bin ich beeindruckt von dem Detailreichtum und den vielen kleinen Dingen, die dieses Buch ausmachen und definieren. Eingebettet und abgerundet ist das Ganze in San Francisco - einer Stadt, deren Atmosphäre man dem Buch auf jeder Seite anmerkt und die gerne noch mehr hätte herauskommen können. Außerdem trifft man auch alte Bekannte aus dem Vorgänger wieder, die zwar mehr oder minder größere Rollen spielen, im Großen und Ganzen aber eher ein schönes Gimmick sind und einmal mehr von der Detailverliebtheit der Autorin zeugt. Ich kann nur sagen: Danke für diese herzerwärmende und schrulligschöne Geschichte und wieso war das Buch nicht noch hundert Seiten länger?
Mit dieser herzerwärmenden und charmanten Feel-Good-Story hat man sicherlich dauerhaft Schmetterlinge im Gepäck - so grausig Titel und Cover auch sein mögen. An denen sollte man sich nämlich nicht aufhalten, denn ansonsten könnte man eine wirklich niedliche und schrulligschöne Geschichte verpassen, die durch den Detailreichtum und die vielen kleinen Dinge lebt. Perfektion in Imperfektion - und damit genau das, was am Leben und Lesen so schön ist! Mit einzigartigen wie liebevollen und sympathischen Figuren erschafft Perkins eine ganz eigene Welt auf knapp vierhundert Seiten und hat mich vollends verzaubern und überzeugen können. Trotz einiger Vorhersehbarkeiten, die aber natürlich von Anfang an vorhersehbar waren, ist die Geschichte einfach wunderbar rund und bietet einige schöne und viel zu kurze Lesestunden für Zwischendurch, aber auch für Länger! Schmetterlinge im Gepäck und Bauch garantiert!

Stephanie Perkins, geboren in North Carolina, ist in Arizona aufgewachsen und hat in San Francisco and Atlanta studiert. Sie hat schon immer mit Büchern gearbeitet - erst als Buchhändlerin, dann als Bibliothekarin und jetzt als Autorin. Sie liebt spannende Abenteuer, Mocca Latte, Märchen, laute Musik, Nachmittagsschläfchen und Küssen. »Rendezvous in Paris« ist ihre dritter Jugendroman. [via cbj]
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