[Rezension] Schiffbruch mit Tiger von Yann Martel

Autor: Yann Martel
Verlag: Fischer 2004
382 Seiten
Genre: Gegenwartsliteratur
Sprache: deutsch

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Darum geht´s:
Schiffbruch mit Tiger erzählt die unglaubliche Geschichte von Piscine Molitor Patel, kurz Pi. Er ist 17 Jahre alt, als seine Eltern am 21. Juni 1977 beschließen, auf Grund der politischen Situation in ihrem Land, mit dem familieneigenen Zoo, per Schiff, von Indien nach Kanada umzusiedeln. Das Schiff, die Tsimtsum, erleidet Schiffbruch, mitten auf dem Pazifik. Auf das Rettungsboot können sich nur ein Zebra mit einem gebrochenen Bein, ein Oran-Utan namens Orangina, eine Hyäne, ein bengalischer Königstiger namens Richard Parker und der Junge Pi retten. Ein schirr unglaubliches Abenteuer beginnt. Eine Geschichte über das Leben, über Freundschaft und Hoffnung.

Meine Meinung:
Das Buch ist aus der Sicht von Pi geschrieben aber es werden zwischendurch auch Kapitel eingeschoben, die vom Autor stammen, der sich mit Pi unterhält und der Pis Geschichte niederschreibt. Der Roman besteht aus 3 Teilen und einem Vorwort des Autors, in dem er erklärt, wie er zu Pi Partel fand.

Der 1. Teil:
Hier wird Pis Kindheit und Jugend beschrieben. Wie es war in einem Zoo in Pondicherry aufzuwachsen mit seinem 2 Jahre älteren Bruder Ravi, einer liebenden Mutter und einem Vater, der zwar streng war und nicht an Religion glaubte, der aber auch alles für seine Familie tat.
Der Leser erfährt, wie Pi unter seinem Namen litt und wie er zu seinen 3 Religionen (Hindu, Christ und Moslem) kam.

S. 95 “Diese Leute verstehen nicht, dass man Gott im eigenen Inneren verteidigen muss, nicht nach draußen.“

Dieser erste Teil gibt einen sehr aufschlussreichen und gut verständlichen Einblick in die Zoologie und ein wenig in die Theologie (beides wird gut vermittelt, weil es gut recherchiert wurde).
Der Leser erfährt viel über die Lebensgewohnheiten von Tieren, ihre Eigenarten, ihr Verhalten und ihr Revier. Es wird beschrieben, welches Wissen Dompteur im Zirkus nutzen um ihre Raubtiere zu dressieren.

S. 37 „Ich weiß, die Menschen mögen keine Zoos mehr. Und keine Religion. Beide sind einem Trugbild, einer falschen Idee von Freiheit zum Opfer gefallen.“

Auch wenn ich finde, dass dieser erste Teil einige Längen hatte, so ist er doch sehr wichtig um zu verstehen wie Pi es schaffte zu überleben.

Der 2. Teil:
Im 2. Teil geht es um den Schiffbruch. Um Pis Erlebnisse auf dem Pazifik.
Der Kampf ums Überleben beginnt und neben den Problemen, die andere Schiffbrüche plagen, sitzt Pi auch noch mit einem ausgewachsenen Tiger, der ebenso hungrig und durstig ist wie er selbst, in einem Boot. Aber genau dieser Umstand hat Pi am Ende das Leben gerettet.

S. 203 „Ich hasste ihn dafür, aber zugleich war ich ihm auch dankbar. Ich bin ihm dankbar. Die simple Wahrheit ist: Ohne Richard Parker wäre ich heute nicht hier.“

Der Autor beschreibt, in einer einfachen aber auch sehr eindringlichen und bildhaften Sprache, den Ozean. Er lässt die Schildkröten, die Haie, Doraden, Delphine und Wale vor dem inneren Auge erscheinen. Er schafft es den endlosen Pazifik, in einem so schillernden grün und in einem so tristen grau zu beschreiben, dass man das Gefühl hat, neben Pi und Richard Parker, in die Stadt unter der Wasseroberfläche zu blicken.
S. 217 „Nur wer den Pazifik sozusagen zu Fuß überquert, wird seinen Reichtum entdecken.“
Dieser 2. Teil wird gegen Ende ein wenig kurios und der Leser fragt sich, was ist nun Traum und was ist Realität, aber es tut dem Roman gut, gibt ihm einen Hauch von Magie.

Der 3. Teil:
Ich möchte hier nicht spoilern und werde darum nicht viel und nur sehr ungenaue Angaben über das Ende der Geschichte machen. Pi überlebt, dass ist klar, schließlich wird das Buch aus seiner Sicht erzählt, aber als er in Mexiko an den Strand gespült wird und in ein Krankenhaus kommt, besuchen ihn 2 Japaner, die den Grund für den Untergang der Tsimtsum herauszufinden wollen. Er erzählt den Japanern, neben der Geschichte mit dem Tiger noch eine weitere. Es liegt nun am Leser zu entscheiden was er glauben will und wie das Buch zu verstehen ist.
Ich für meinen Teil fand diese 2. Geschichte, wichtig und ich habe, nach der Lektüre noch lange wach gelegen und gegrübelt. Habe mir das Buch noch ein zweites, noch ein drittes, noch ein viertes mal zu Hand genommen. Was konnte sein und was nicht? Was hatte dieses oder jenes zu bedeuten? Was wollte ich glauben?
Und das ist es, was ich von einem Buch erwarte, dass es mich fesselt und mitreißt und auch nach Beenden noch lange nicht loslässt.

Hat mich das Ende nun ernüchtert, ein bisschen vielleicht aber es hat mich auch schier umgehauen, zurückgeschleudert und alles auf den Kopf gestellt. Ein Knalleffekt und später dachte ich: „Ja, na klar ist doch auch logisch.“ Aber wer will das schon?
Wer will denn immer Logik und Nüchternheit, wenn er etwas so spannendes wie diesen Roman lesen kann, in dem ein 17 jähriger Junge im selben Boot sitzt wie ein bengalischer Tiger und 227 Tage auf dem Pazifik ums Überleben kämpft.

Fazit:
Ich habe mit Pi gelitten und mit ihm und Richard Parker gehofft, dass Rettung kommt. Trotz, das sich der Anfang ein wenig in die Länge zog, hat mich dieses Buch umgehauen. Ich habe es mit ungläubigen, großen Augen zugeklappt und immer wieder aufgeklappt. Ich grübel und interpretiere und denke über das nach was sein kann und was nicht, und am Ende glaube ich wieder was ich glauben will und so kann jeder Leser seine eigene Geschichte aus diesem Roman ziehen. Wer Abenteuerromane, Zoogeschichten, Geschichten über Tiere und ihr Verhalten, wer ein wenig Religion in Romanen mag, für den ist dieses Buch.
Ein wundervolles Buch!

5sterne


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