Seit nunmehr zehn Jahren lebt Sarah mit ihrer Diagnose, der Grand-Mal-Epilepsie. Als die Diagnose kam, war Sarah gerade einmal 20 Jahre alt, ihr stand die Welt offen, sie wollte so viel erleben – dann der Schock. Doch für sie ist diese Krankheit noch lange kein Grund, sich ihr kampflos zu ergeben oder auf die schönen Seiten des Lebens zu verzichten.
Während ihr ein Neurologe runterbetet, welche Einschränkungen solch eine Diagnose (angeblich) mit sich bringt, dass sie zwar ein Studium anfangen kann, es aber bestimmt nicht zu Ende bringen wird, packt Sarah ihre Koffer und zieht vom elterlichen Nest in Schweden nach München. An der LMU geht sie ihr Hauptstudium an, trifft auf einige Barrieren, die sie erfolgreich durchstößt, bis sie schließlich ihre Magister-Urkunde in den Händen hält. Mit der Zeit hat sie sich in München ein sicheres Netz aus Ärzten und Freunden geschaffen, welche sie unterstützen, wenn es mal wieder zu einem Anfall kommt. Auf jeden Anfall folgen zwei, drei, oder auch mehrere, schwarze Tage, die sogenannten Panthertage, in denen Sarah sich erholen muss und eben nicht alles schaffen kann. Doch wenn sie fällt, dann steht sie auch auf. Und sie versucht, jeden einzelnen Tag zum allerbesten Tag zu machen.
Ich persönlich halte mich wirklich nicht für jemanden, der vorschnell oder überhaupt über etwaige Krankheiten urteilt, insbesondere nicht, wenn man eigentlich gar nicht weiß, was es mit jener Krankheit auf sich hat. Glücklicherweise bin ich bisher auch nur Menschen begegnet, die sich meiner “Krankheit” (Skoliose – das ist, im Gegensatz zu Epilepsie, jedoch nichts, mit dem ich tagtäglich zu kämpfen hätte) gegenüber relativ offen und interessiert gezeigt haben, oftmals kam aber im Nachhinein auch raus, dass viele sich nicht trauen, nachzufragen. Auch gab es bei meinen Erklärungen auf deren Nachfrage den ein oder anderen verdutzten Blick – weil viele eben gar nicht, fälschlich oder kaum Bescheid wissen und sich mit solchen “unschönen” Dingen nicht beschäftigen möchten. Dabei gehören diese ja zum Leben dazu. Doch auch ich hatte, wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich eine Ahnung, was denn Epilepsie tatsächlich ist, was sie mit sich bringt und inwiefern sie sich denn erkenntlich zeigt. Mittlerweile weiß ich Bescheid und freue mich darüber, da ich so eventuell auch mal helfen oder aufklären kann. Denn so selten wie man vielleicht denkt, ist diese Erkrankung gar nicht. 600.000 Menschen leben in Deutschland mit dieser Diagnose, etwa 50 Millionen weltweit. Das ist alles andere als wenig. Erst vor einigen Monaten bekam eine 18-Jährige Bekannte diese Diagnose und tut sich seither sehr schwer damit. Zum großen Teil auch deswegen, weil niemand in ihrer Umgebung darüber Bescheid weiß, keiner aufgeklärt genug ist. Gerade auch wegen ihr habe ich mich so über diesen Roman gefreut, der zum jetzigen Zeitpunkt auch schon bei ihr liegt.
Wer jetzt jedoch denkt, “Panthertage” würde sich wie ein trockener Ratgeber voller Fakten und to-do-Listen lesen, könnte nicht falscher liegen. Ihre Erfahrungen hat Sarah nämlich in eine interessante, berührende aber auch wunderbar humorvolle Geschichte gepackt, mit ihr selbst als Protagonistin. Die meisten Elemente sind natürlich autobiographisch, aber genauso sind auch erfundene Personen und Handlungen dabei. Ihr Roman liest sich tatsächlich wie ein ganz gewöhnliches Buch. Nur eben mit dem großen Unterschied, dass dies alles andere als ein gewöhnliches Buch ist. Sarah, die selbst Literaturwissenschaftlerin und Buchliebhaberin ist, begeistert mit einem grandios humorvollen Schreibstil, der mich von der ersten Seite an gefangen nahm. So habe ich ihre Geschichte in quasi einem Atemzug verschlungen, was eigentlich schon zu schade war, aber ich hoffe nun einfach darauf, dass ich in Zukunft noch weitere von ihr geschriebene Bücher verschlingen darf.
Es ist im Übrigen erschreckend, wie manche Menschen bei dem Begriff “Epilepsie” reagieren, wie unwissend sie eigentlich sind und wie sie dann Betroffene wie Sarah behandeln. Bei Sarahs Beschreibungen von ihrem Besuch beim Arbeitsamt wusste ich stellenweise nicht, ob ich jetzt weinen oder lachen sollte. Schließlich habe ich mich aber, genauso wie Sarah, für’s Lachen entschieden – schon einfach deshalb, weil es manchmal so absurd ist. Ich finde es fantastisch, dass auch Sarah selbst über solche Situationen lachen kann und sich nicht entmutigen lässt. Vielmehr zeigt sie mit ihrer Geschichte das, was genau genommen sowieso schon selbstverständlich sein sollte: versuchen, jeden Tag zum allerbesten zu machen und das Leben so zu leben wie es eben kommt. Mit ein bisschen Glitzer, gelegentlichen Müssigabenden mit der besten Freundin und einer (oder auch zwei…) Flasche Rotwein sowie einer ordentlichen Prise Humor lässt sich schon sehr vieles meistern. Da Sarah trotz ihrer aktuellen Wahlheimat München und der Liebe zum FC Bayern München ein wahres Ostseemädchen ist, bekommt man während der Lektüre nebenbei auch eine ordentliche Portion Fernweh und Lust auf Schweden verpasst – das noch so als “Warnung” zum Abschluss.
Würde jeder “Panthertage” lesen, wäre die Welt mit Sicherheit ein kleines bisschen besser. Nun gut, zumindest wären die Menschen ein wenig aufgeklärter und der Umgang mit Epileptikern wäre um einiges weniger befangen, hoffe ich. Ich bin mir leider sicher, dass ich mit meinen Worten immer noch nicht begreifbar machen kann, wie unheimlich lesenswert dieses Buch ist, würde mich aber sehr freuen, wenn ich es doch ein wenig geschafft habe. Auch wenn ihr euch absolut nicht für Epilepsie oder biografische Geschichten interessiert, könnt (solltet) ihr ganz bedenkenlos diese Geschichte lesen. Denn auch ohne die wissenswerten Hintergründe bleibt Sarahs Erzählung immer noch ein unheimlich humorvoller, einfühlsamer und wunderbar geschriebener Roman, der mit Sicherheit nicht nur mich so sehr begeistern kann.