Rezension – Roger Willemsen: Die Enden der Welt

Von Nein-sagenden Landschaften und unbezwingbaren Kurven

Rezension – Roger Willemsen: Die Enden der Welt

Inhalt:

Roger Willemsen entführt den Leser in 22 kurzen Reisegeschichten an seine persönlichen Enden der Welt. Diese finden er manchmal gleich um die Ecke, manchmal nimmt er weite Wege in Kauf, um an ein weiteres Ende zu gelangen. Dort angekommen erfährt man viele kleine Einblicke von außergewöhnlichen Landschaften und den Menschen darin.

So begegnet man zum Beispiel einer alten Frau am Fuße des Himalajas, die in ihrem Leben noch nie um die nahegelegene Biegung gelaufen ist, dies somit das Ende ihrer Welt darstellt. In Indonesien besucht Willemsen ein Dorf am Ende einer Straße, die ins Nichts führt. Oder er nimmt den Leser mit auf eine Reise nach Portugal, wo einst für viele Skalven das Ende ihres bisherigen Lebens angebrochen war.

Bewertung:

Konzept:

Willemsen entführt den Leser in viele neue Welten, die in der Tat irgendwie ein Ende darstellen. Wer jedoch hier einen reinen Reisebericht vermutet, der wird beim Lesen schnell feststellen, dass Mehr dahinter steckt. Zum einen ist Willemsen bei seinen Reisen auf der Suche nach kleinen Nischen gewesen, nicht nach dem großen Ende. Andererseits stellt er nicht nur die Landschaft als Ende dar, sondern bringt immer auch die dort Lebenden ins Blickfeld. Und so sind seine Enden der Welt immer Enden für spezielle Menschen, nie ein großes Ende.

Seine Reiseberichte sind trotz der Fokusierung auf die Menschen nie oberflächlich. Ganz im Gegenteil. Willemsens gut recherchierte und geschichtlich fundierte Berichterstattung überzeugt. Hier wurde nicht um des Schreibens willens irgendetwas aufgeschrieben. Ganz im Gegenteil. Hier wurde versucht, eine Landschaft oder eine Historie möglichst facettenreich darzustellen, wohlgemerkt ohne auszuufern.

Besonders gelungen finde ich die Reiseberichte, die eingebettet sind in eine kleine persönliche Geschichte, die Geschichte eines Briefes, einer Bekanntschaft, einer Liebelei. Diese Geschichten eröffnen Einblicke in den Menschen Willemsen, der beinahe die ganze Welt bereist und eine die Vorliebe für Nischen und Details hat.

Sprache und Stil:

Man muss sagen, dass Willemsens Schreibstil schon ein besonderer ist, der sicherlich so manchem Leser schwer zugänglich ist. Er ist detailverliebt und ausschweifend. Aufzählungen über mehrere Zeilen hinweg sind keine Seltenheit. Genauso liebt er aber auch Einwortsätze. Er schreibt raffiniert, gewählt, überrascht durch außergewöhnliche Vergleiche und er hat ein Gefühl für das tragende Wort:

Nur in Tangkiling, jenem Dorf, zu dem die Straße von Palangkaraya führt, da gibt es nichts, und nicht einmal die Straße findet einen anständigen Abschluss. Sie endet, ohne zu enden, sie verläuft sich einfach, als sei sie bloß zu erschöpft, weiterzumachen, Was sie versammeln konnte, das hat sie versammelt, nun ist sie müde wie der Boden. (218)

Fazit:

Roger Willemsen ist mit “Die Enden der Welt” ein außergewöhnlicher Reisebericht gelungen, der uns die Nischen dieser Welt und deren Geschichte näherbringt.

Autor:

Rezension – Roger Willemsen: Die Enden der Welt

Der gebürtige Bonner studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie und lehrte anschließend zwei Jahre an der Universität München Literaturwissenschaft. Danach arbeitete er als Essayist, Herausgeber und Übersetzer u.a. von Thomas Moore und Umberto Eco. Nach einem halbjährigen Aufenthalt in Südostasien zu Recherchen für einen Roman ging er 1988 für drei Jahre nach London, wo er auch als Korrespondent für verschiedene Rundfunkstationen, Zeitschriften und Zeitungen arbeitete.

Weitere Informationen zur Autor finden sich hier.

Daten:

Roger Willemsen: Die Enden der Welt
Verlag: FischerVerlagISBN: 978-3596179886
Seitenzahl: 543Erscheinungsdatum: 11.11.2011
Originaltitel

Bewertung:

Rezension – Roger Willemsen: Die Enden der Welt



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