Rezension: Robert DeFalco – Die trüben Wasser von Triest (Pendo 2014)

triestCommissario Benussis Gedanken sind längst nicht mehr wirklich bei seinen Fällen. Am liebsten würde er jetzt schon an seinem Kriminalroman schreiben, für den er fleissig Material sammelt und der als Projekt nach seiner Pensionierung gedacht ist. Beschäftigt er sich nicht mit seinen Autorplänen, kreisen seine Gedanken um sein Gewicht oder vielmehr um die Versuche, an solchem zu verlieren. Seine neueste Taktik: die Dukan-Diät, deren Besonderheiten für einige lustige Szenen sorgen. Und Commissario Benussi tut sich wie erwartet schwer daran und reagiert auf Unterzuckerung gerne mal schroff. Aber versuchen Sie mal, in Italien auf Kohlenhydrate zu verzichten!

Paart man Diät-Enttäuschungen mit einem Mordfall, ist Stress vorprogrammiert. Und so hat auch Commissario Benussi in Roberta DeFalcos Krimi zu leiden: Im Triester Hafenbecken schwimmt an einem Morgen die Leiche einer alten, jüdischen Dame. Benussis Versuch, den Vorfall rasch als Unfall oder Selbstmord abzustempeln – schliesslich war das Opfer wirklich alt –, wird von seinen zwei jüngeren Kollegen abgeschmettert. Die Inspektoren Elettra Morin und Valerio Gargiulo entdecken zu viele Ungereimtheiten im Fall der verstorbenen Ursula Cohen und vermuten einen Mord. Mögliche Täter gibt es einige: Die Ermittlungen der drei Inspektoren zeigen, dass eigentlich fast jede Person, die mit der verstorbenen Ursula Cohen zu tun hatte, einen mehr oder minder grossen Groll gegen sie hegt. Umgänglichkeit war nämlich keineswegs eine ihr eigene Charakterstärke. Für den Verlauf des Buches heisst das also: je mehr Personen, desto mehr Verdächtige.

Roberta deFalco beginnt ihre Geschichte – mal abgesehen vom Mordfall – eher gemächlich. Allein schon die Einführung aller Personen mit ihren je individuellen Geschichten braucht ihre Zeit. Aber auch die Besonderheiten des Schauplatzes Triest kommen nicht zu kurz. Interessant gestaltet DeFalco die erste Begegnung des Lesers mit Triest: Mit den Augen eines Joggers sehen wir die Topographie der italienischen Hafenstadt und erfahren dank ihm auch vom Tod Ursula Cohens. Er nämlich entdeckt ihre schwimmende Leiche im Hafenbecken. Verständlich, dass er diese unerwartete Wendung während seines Morgenrituals erstmal verdauen muss!

So gemächlich der Anfang auch ist, je weiter die Geschichte fortschreitet, desto mehr verstrickt sich die ganze Ermittlung, das Tempo zieht an und Ursula Cohen bleibt nicht das einzige Opfer, nur so viel sei an dieser Stelle verraten…

Was Roberta DeFalcos Krimi wirklich ausmacht, ist nicht die mit der Zeit relativ komplizierte Geschichte um Ursula Cohens ältere und jüngere Vergangenheit, sondern besonders die ermittelnden Protagonisten. Jeder hat seine persönliche Geschichte, die immer wieder ins Hauptgeschehen eingebettet wird und den Betroffenen bisweilen die Gegenwart erschwert. Des Weiteren bietet auch die aufkeimende romantische Beziehung zwischen den beiden jungen Inspektoren teilweise sehr prekäre und spannende Momente. Allen voran ist aber Commissario Benussi das Herzstück des Romans: seine Schrulligkeit und das Unvermögen, sich zur gleichen Zeit sowohl mit seiner Familie als auch seinen Arbeitskollegen abzumühen, machten ihn für mich zum Liebling unter den Charakteren. Wie seine persönliche Geschichte ins gesamte Geschehen passt, kann ich hier natürlich nicht verraten, es lohnt sich aber, bis am Ende dranzubleiben.

De Falco, Roberta. Die trüben Wasser von Triest. Aus dem Italienischen von Luis Ruby. München: Pendo 2014. 336 S., Klappenbroschur. 978-3-86612-379-3


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