Das Buch musste ich natürlich lesen – als direkte „Konkurrenz“ zu meinem: Haben Sie diese Pille auch in grün? :-)
62 authentische Anekdoten verspricht das Buchcover von Rezeptfrei – und das bekommt man auch. Autorin Frau Wahl war 30 Jahre lang Apothekerin, hatte auch eine eigene Apotheke in Stuttgart und war aktiv im Apothekerverband Baden Württemberg – als Präsidentin und danach als Vorstandsmitglied der Bundesapothekerkammer.
Ihr Buch hat sie zusammen mit Andreas Straub geschrieben – der als freier Autor arbeitet seit er nach seiner Zeit als Bereichsleiter von Aldi Süd ein Buch über die internen Machenschaften des Einzelhändlers veröffentlicht hat (Inside Aldi & Co.). „Rezeptfrei“ ist aber kein Enthüllungsbuch, sondern erzählt – sehr feinfühlig – die Geschichten von verschiedenen Kunden aus Frau Wahls Apotheke.
Man spürt das Engagement der Apothekerin heraus … auch wenn man den – ich sag mal- Filter der Zeit und die professionelle Schreibhilfe merkt.
„Bedingung für diesen Beruf ist, Menschen zu mögen, aber auch ein dickes Fell zu haben.“ Sagt sie – und das kann ich vollständig unterstreichen.
Ihre Geschichten sind meist mehr nachdenklich machend als lustig– was ich aber auch einen guten Effekt finde. Und unterhaltend sind sie allemal – speziell auch für andere in Gesundheitsberufen arbeitende, die die Situationen oft wieder erkennen. Gelacht habe ich sehr über Frau Mulde – die gibt es irgendwie wohl in jeder Apotheke so mit ihren endlosen (und oft seltsamen) Fragen. Schade fast, bleibt uns Frau Wahl die Antworten dazu schuldig.
Was mir fehlte war das Eingehen auf die – sagen wir jetzt mal speziellen Probleme, mit denen deutsche Apotheken heute zu kämpfen haben. Retaxationen durch die Krankenkasse zum Beispiel. Die kommen zwar in einer Geschichte (Peanuts) vor:
„Und was wird aus den bereits für die Kunden abgerechneten Rezepten?“
„Ja, die retaxieren wir selbstverständlich alle, nachdem wir jetzt davon Kenntnis haben.“
(nachdem die Apothekerin selber bei der Kasse angerufen hat um die gefälschten Rezepte zu melden).
„Da habe ich mir ja einen schönen Verlust eingehandelt.“
„Hätten Sie besser überlegt, bevor Sie anrufen.“
Retaxationen finden sich auch nicht im sonst erklärenden Glossar am Ende des Buches. Nur als Info: da erlaubt sich die Kasse wegen einem Fehler gleich das ganze Geld für die schon abgegebenen Medikamente von der Apotheke zurückzufordern. Egal ob der Fehler etwas wie die Rezeptfälschungen in der Geschichte war (böswillige Täuschung der Apotheke) oder auch nur ein Formfehler wie wenn die Dosierung nicht ganz korrekt auf Rezept angegeben wurde oder dass nicht genau das von der Krankenkasse gewünschte Generikum abgegeben wurde.
Eigentlich eine verpasste Gelegenheit die Leser (und damit die Öffentlichkeit) über derartige Praktiken zu informieren.
Ansonsten, wie geschrieben: ein unterhaltsames Buch, bestehend aus (kurzen) Geschichten zum zwischendurch lesen.
Meines … gefällt mir halt trotzdem besser. Meine Geschichten sind vielleicht auch nicht ganz so entschärft. :-/