Einer meiner größten Kritikpunkte, der mir auch schon im ersten Band sauer aufgestoßen ist, ist der mangelhafte Weltentwurf, der kaum näher beleuchtet wird. "Rette mich vor dir" ist eher ein Charakterroman, ganz klar, aber dennoch fehlte mir oft der Hintergrund, die genauen Zustände, einfach um das Leiden der Welt durch die Augen von jemandem zu sehen, der wirklich ernsthaft unter Hunger und Armut leidet. Wir bekommen aber in diesem Fall nur den Omega Point vor die Augen, in dem es genug zu Essen gibt und der angeblich so große Schrecken der Welt nur im Kriegstraining deutlich wird. Gerne hätte ich noch mehr von der Außenwelt mitgenommen (wie es andeutungsweise in "Zerstöre mich" der Fall war), da ich so vielleicht emotional noch mehr in der Geschichte hätte verschwinden können. So bleibt "Rette mich vor dir" ein Häschen im Faschingskostüm.
Auch Protagonistin Juliette macht sich bis zur Hälfte des Buches keine Freunde. Wie Kenji es so absolut treffend beschreibt, leidet sie "an schwerer mentaler Verstopfung" (S. 157) und leidet die meiste Zeit nur vor sich hin. Ständig muss sie sich wieder klar machen, wie nutzlos und schrecklich sie ist und auch wenn diese Haltung im Hinblick auf ihre Vergangenheit logisch erscheint, ist man als Leser sehr schnell von dieser mitleidigen Art genervt. Erst gegen Ende taut sie ein wenig auf und
"Rette mich vor dir" überzeugt gerade auf emotionaler Ebene. So gelingt es Mafi beispielsweise Gefühle und Emotionen sehr authentisch und durch bildreiche Beschreibungen an de Leser zu bringen. Auch wenn so einige Handlungen nicht verständlich sind, durch die emotionalen Bindungen wird das für den Leser relativ unwichtig, denn man spürt die gewaltige Welle an Gefühlen und das ist es, was letztendlich zählt. Besonders Liebesszenen weiß die Autorin sehr gut zu beschreiben, auch wenn es hier ab und zu ein wenig kitschiger werden kann - sie schafft es doch das zu transportieren, was sie möchte. Auch die Kriegsthematik nimmt mehr Form an und zeigt erste Situationen, die wohl im dritten Band endlich eskalieren werden. Ich hoffe, dass man dann ein wenig mehr auf die Bevölkerung und die Situation eingeht, denn das wird hier weitesgehend außer Acht gelassen. Der Fokus liegt viel mehr auf den unterschiedlichen Begabungen der Bewohner von Omega Point und das wirkte für mich manchmal alles ein wenig zu einfach.