Rezension | "Reckless: Steinernes Fleisch" von Cornelia Funke

Von Paperdreams @xGoldmarie

| Dressler | Hardcover | 352 Seiten | €19,99 | Amazon |

Treten Sie ein in die Welt hinter dem Spiegel! Obwohl Jacob Reckless immer darauf geachtet hat, die Welt hinter dem Spiegel vor seinem Bruder Will geheimzuhalten, ist dieser ihm gefolgt. Doch in dem wunderbaren Reich lauern tödliche Gefahren: Will wird von einem Goyl angegriffen und beginnt, zu Jade zu versteinern. Verzweifelt will Jacob ihn retten, aber nur die Feen haben die Macht, das Steinerne Fleisch aufzuhalten. Gemeinsam mit Clara, Wills großer Liebe, und der Gestaltwandlerin Fuchs macht Jacob sich auf die gefährliche Reise … 


Es war einmal ein Buch, das ewig in meinem Regal stand und so sehr es auch mit schaurig-schönen Märchen und einer brillanten Autorin nach mir rief - ich hörte es einfach nicht. Doch schließlich, nach vielen Jahren, kam der Tag, an dem ich es las und der Spiegelwelt verfiel. Einer Welt in der alle Märchen Realität sind, in der es all die Zaubergegenstände und Fabelwesen gibt, die man sich vorstellen kann und eine Welt, die noch viel mehr als das bereithält - das ist die Spiegelwelt, in der es in "Reckless: Steinernes Fleisch" geht. Kombiniert mit dem grandiosen und leichtfüßigen, wie poetischen Schreibstil der Autorin kommt dabei ein ganz besonderes Werk heraus, dass mich in eine fremde, aber auch irgendwie bekannte Welt entführt und mich zwischen düstere Märchenfiguren und in seerosenbedeckte Seen gelockt hat. Obwohl die Geschichte um Jacob und Will eine einzige kleine Schwäche aufweist, habe ich mich sehr schnell in die Geschichte verliebt - Cornelia Funke kann einfach schreiben und vor allen Dingen kann sie erzählen, was sie mit diesem Buch einmal mehr beweist.
Ich liebe Märchen und ich liebe Cornelia Funkes Bücher - daher sollte es eigentlich ganz klar sein, dass die logische Konsequenz daraus sein musste, dass ich auch "Reckless" lieben würde, allerdings haben mich die doch relativ vielen gemischten Bewertungen etwas abgeschreckt. Im Nachhinein kann ich mich nur fragen, warum das so war, denn auch wenn "Reckless" ein ungewöhnlich schnelles Tempo an den Tag legt - was übrigens mein einziger Kritikpunkt ist -, ist die Geschichte doch unfassbar schön, märchenhaft und von einer sprachlichen Bildhaftigkeit, wie ich sie nur von Cornelia Funke kenne. Der Hauptplot ist schnell erzählt und gerade durch diese Einfachheit auch geradezu perfekt: Jacobs Bruder Will wird langsam zum Goyl und gemeinsam mit Fuchs und Clara versucht Jacob diesen Fluch von Will zu nehmen. Aber natürlich ist das nicht alles - ein langewährender Krieg zwischen Goyl und Mensch ist eine weitere Nebenhandlung, die geschickt in den Hauptplot eingewebt wird. Und auch die vielen Märchenobjekte, die der Leser im Laufe des Buches sieht und wiedererkennt werden ins Geschehen eingebracht. In keinem Buch sind mir bisher derart viele phantastische Wesen über den Weg gelaufen, wie in diesem und allein das macht es irgendwie zu etwas besonderem: ob Feen, Einhörner, Loreley(en), Zwerge oder Kinderfresserinnen - es gibt alles und vor allen Dingen wirkt es vollkommen authentisch.

 
Das schöne an dieser Geschichte ist, dass man sich völlig fallen und treiben lassen kann. Es wird spannend, es wird traurig, es gibt Liebe und Freundschaft, Familie und Hass - und es gibt viele unterschiedliche und dreidimensionale Figuren, die sich im Laufe der Geschichte entwickeln und ins Herz schließen lassen. War mir Jacob anfangs noch etwas unsympathisch, wurde er im Laufe der Geschichte definitiv zu einem meiner Lielingscharaktere, obwohl die Gestaltwandlerin Fuchs eindeutig das Rennen macht. Ich bin sehr gespannt, mehr von ihr zu erfahren und hoffe auch, dass die Rote Fee noch eine Rolle spielen wird. Das einzige, was die Freude an dieser Geschichte minimal dämpft, ist die Tatsache, dass ich teils das Gefühl hatte, dass die Autorin sich ein bisschen abhetzt. Für viele Dinge hätte sie sich ein wenig mehr Zeit nehmen können, stattdessen wirkt es ein wenig so, als würde sie alles einmal genannt haben wollen, was der Geschichte leider ein wenig von dem Charme und dem Gefühl nimmt. Dennoch: Es gibt einfach so viel zu entdecken zwischen Dornröschen und goldenen Kugeln, dass ich es kaum erwarten kann, erneut hinter den Spiegel zu gehen und die Märchenwelt weiter zu erkunden - dieses Mal hoffentlich nicht im Laufschritt.

Die Spiegelwelt, die Cornelia Funke in "Reckless" erschaffen hat, ist ebenso einzigartig, wie ihr phantastaischer Schreibstil - diese Frau weiß einfach, wie man eine Geschichte erzählt und hätte sie das Tempo ein bisschen niedriger gehalten, wäre "Steinernes Fleisch" ein absolutes 5-Herzen-Buch für mich geworden, denn ich bin sehr verliebt in diese detailreiche und märchenhafte Welt, in die man sich einfach fallen lassen kann. Ein simpler Plot wird durch viele Elemente und Nebenstränge aufgewertet und zu einer tollen und komplexen Geschichte, die mich nicht losgelassen hat. Vielschichtige und faszinierenden Charaktere machen das Gesamtbild komplett und vor allen Dingen Lust auf den nächsten Band der Reihe. Wenn ihr Märchen und einen poetischen, aber doch leichtfüßigen Schreibstil mögt (und Cornelia Funke natürlich), dann solltet ihr "Reckless" lesen - am besten ganz ohne Vorurteile, denn wenn man sich auf diese Welt einlässt, nimmt man sehr viel aus ihr mit. Unbedingt lesen!