Rezension: Reaktor 1F – Ein Bericht aus Fukushima

Seit die Region um Fukushima am 11. März 2011 durch einen verheerenden Tsunami verwüstet und durch die ausgetretene Radioaktivität im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi kaum bewohnbar wurde, sind inzwischen 5 Jahre vergangen. Kazuto Tatsuta ist ein Mangaka, der einer der vielen tausend Männer wurde, die bis dato bei der Dekontaminierung und der Schadensregulierung am zerstörten Reaktor halfen.

Seine gesammelten Eindrücke hielt er mit dieser Mangareihe fest, die voraussichtlich in 3 Bänden abgeschlossen sein wird und seit diesem März bei Carlsen Manga erscheint. Dank Carlsen können wir euch heute einen Eindruck des ersten Bandes geben.

Handlung

„Ist das Ihr Ernst?" Als Tatsuta nach der Katastrophe in Fukushima gezielt nach einem Helferjob in der atomar verseuchten Region sucht, stößt er bei der Arbeitsagentur in Tokyo auf Unverständnis. Auch Freunde und Familie befürchten, dass er sich dabei einer viel zu hohen Strahlung aussetzen und gesundheitliche Schäden davontragen könnte.

Doch getrieben von Neugier, dem Wunsch zu helfen und der Hoffnung, die Wahrheit über die Situation vor Ort selbst zu sehen, sucht der Autor weiter nach einem Job. Dabei muss er unerwartet viele Hürden der Bürokratie überwinden und hartnäckig bleiben, bis er nach langer Zeit schließlich endlich sein Ziel erreicht und eine erste Arbeitsstelle auf dem Reaktorgelände antreten kann.

Zunächst landet er bei einem der vielen Subunternehmen, die für Tepco arbeiten und wird Teil eines Teams, das einem der vielen Pausenräume zugeteilt ist. Dort kümmert man sich um die Versorgung der vielen Arbeiter, die direkt am Reaktor ihren Dienst verrichten und vor dem Betreten des eigentlichen Pausenbereiches peinlichst genau auf eine Verstrahlung gecheckt werden und ihre benutzten Schutzoveralls entsorgen müssen. Doch auch viele weitere Aufgaben halten Tetsuta hier ganz schön auf Trab - und er lässt in seinen Beschreibungen nichts außen vor. Auch die Umstände, die beispielsweise bei einem Toilettengang entstehen, werden genau erklärt. Schließlich gilt es, den Pausenbereich jederzeit so gut wie möglich vor Strahlung zu schützen - das gilt auch fürs stille Örtchen!

Rezension: Reaktor 1F – Ein Bericht aus Fukushima

Da die tägliche Strahlenhöchstdosis von jeder Person streng überprüft und eingehalten werden muss, sind die tatsächlichen Arbeitszeiten am Reaktor meist sehr kurz und so werden die Pausenräume auch zum Hauptschauplatz dieses Mangas. Schnell merkt man, dass trotz der surrealen und gefährlichen Arbeitskulisse ansonsten eigentlich alles ist wie auch sonst überall: herumblödelnde Kollegen, die auch gern mal lockere Witze über Verstrahlungssymptome reißen, Raucherpausen (die nur eben in ungelüfteten Räumen stattfinden müssen) und lebhafte Unterhaltungen beim täglichen Feierabendbier.

Häufig werden auch die harten Arbeitsbedingungen thematisiert: die Arbeit in den dichten Strahlenschutzanzügen führt unter den sommerlichen Temperaturen nicht selten zu einem Kreislaufkollaps und lässt die Männer nicht selten in ihrem eigenen Schweiß baden. Auch der Unmut über die teils dubiosen Umgangsarten der Subunternehmer mit den Arbeitern und die meist eher unzureichende Entlohnung dringt immer wieder durch.

Das Erzähltempo ist recht gemächlich und wenn man nicht wüsste, dass es sich hier um einen Manga über die Arbeiten an einem zerstörten Atomreaktor handelt, könnte man „Reaktor 1F" beinahe dem Slice of Life-Genre zuordnen. Der Mangaka veröffentlichte diese Mangareihe übrigens unter einem Pseudonym und veränderte auch fast alle Namen der Unternehmen und der anderen Arbeiter, die Teil seiner Erzählung wurden. Zwar beschönigt er weder, noch stellt er alles negativ dar - jedoch ist seine bemüht neutrale Sichtweise für japanische Verhältnisse in manchen Punkten immer noch unverblümt.

Viele Schilderungen sind sehr interessant und als Leser lernt man eine ganze Menge über die Situation vor Ort und die Schutzmaßnahmen (wie man z. B. feststellt, ob eine Atemmaske wirklich dicht ist) - allerdings gehen die Beschreibungen oft fast ein bisschen zu sehr ins Detail. Wertung 3

Zeichenstil

Wie für Seinen-Manga üblich, ist die Panelaufteilung sehr klar strukturiert, was das ruhige Erzähltempo unterstützt. Die Zeichnungen selbst sind sehr detailliert und realistisch gehalten, besonders was die Hintergründe angeht. Neben genauen Darstellungen der Arbeitssorte und der verlassenen, geisterhaften Häuser in der Umgebung werden aber auch die Arbeitsmaterialien und die Schutzausrüstung auf das Genaueste wiedergegeben.

So bekommt der Leser regelmäßig anschauliche Übersichtskarten oder Lagepläne an die Hand, mit deren Hilfe er bei Lust und Laune jederzeit nachvollziehen kann, wo genau sich die Handlung gerade abspielt oder wie etwas funktioniert. Aufgelockert wird der realistische Zeichenstil mit chibiartigen Darstellungen der Personen, die gelegentlich als erklärende „Männchen" im Manga eingesetzt werden. Wertung 4,5

Sprache

„Reaktor 1F" wird aus der Ich-Perspektive erzählt und wirkt damit umso mehr wie ein gezeichnetes Erlebnistagebuch. Die Panels werden durch viele Textkästchen ergänzt, die meist in einer klaren, neutralen Sprache gehalten sind - manchmal aber auch das Geschehen mit der persönlichen Meinung des Mangaka kommentieren.

Japanische Fachbegriffe oder Aufschriften auf Schildern werden kleingedruckt außerhalb der Panels für die deutschen Leser übersetzt oder kurz erlärt. Passende Soundwords begleiten die Handlungen und so kann man sich als Leser sehr gut vorstellen, wie es sein muss, wenn Tatsuta beispielsweise bei der körperlich anstrengenden Arbeit schwer durch seine Atemmaske schnauft. Wertung 4

Fazit

Wer daran interessiert ist, einen intensiven Einblick in das Alltagsleben und die Gedankenwelt der Arbeiter in Fukushima zu erhalten, sollte sich „Reaktor 1F" auf jeden Fall einmal anschauen. Die Handlung an sich ist eher unspektakulär, aber deshalb keineswegs uninteressant. Möglicherweise nimmt die Erzählung ab Band 2 auch an Fahrt auf - immerhin beurteilen wir an dieser Stelle nur den ersten Band der Reihe.

Die Sicht des Mangaka auf die Situation wirkt manchmal fast naiv - häufig scheint es so, dass er und auch die anderen Arbeiter in dem Glauben leben, dass die Atomkraft ganz sicher wieder unter Kontrolle zu bringen ist, wenn alle Beteiligten nur lang genug ihr Bestes geben. Möglichweise bietet dieser Manga dadurch auch einen guten Einblick in eine scheinbar weit verbreitete Haltung der Japaner gegenüber der Atomkraft. Auf der anderen Seite ist diese Einstellung auch irgendwie bewundernswert: Aufstehen, Staub abklopfen, weitermachen. Aufgeben gilt nicht.


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