[Rezension] Pfad des Tigers: Eine unsterbliche Liebe von Colleen Houck

Von Paperdreams @xGoldmarie
 

 Ich klammerte mich am Ledersitz fest und spürte, wie mein Herz in die Tiefe sank und elend zurückblieb, als das Privatflugzeug in den Himmel stieg und über Indien hinwegschoss.
 Als Kelsey Indien ohne ihren weißen Tiger verlässt, um nach Oregon zurückzukehren und sich ein normales Leben aufzubauen, weiß sie, dass sie Ren niemals vergessen kann. Hinter jeder Ecke lauert die Erinnerzung an ihn und selbst Dates mit anderen Männern vermögen ihn nicht aus ihrem Kopf zu verdrängen. Schließlich kehrt Ren zurück zu ihr, doch als das Paar einige unvergessliche Monate miteinander verbracht hat, spürt Lokesh sie auf und nimmt Ren gefangen. Nun ist Kelsey nur noch auf sich und Rens Bruder Kishan gestellt, mit dem sie versucht den Fluch der Tiger aufzuheben. Dabei kommt sie Kishan ungewollt näher, denn auch der dunkle Bruder hat sein Herz an sie verloren. Mit ihrem Abenteuer ist nichts mehr, wie es war, alles verändert sich und Kelsey muss sich dem Leben stellen, ungeahnt der Konsequenzen...
Der Duft nach Sandelholz und Wasserfall und die leichte Brise Pfirsich-Sahne fliegt dem Leser entgegen, wenn er das Buch aufschlägt und zu lesen beginnt, denn obwohl Houcks Schreibstil nicht unbedingt außergewöhnlich ist, so schafft sie es doch - wie auch schon im ersten Teil der Tiger-Saga - ihre Leser mit in die Orte zu nehmen, die sie beschreibt. Sehr lebendig und detailverliebt schreibt sie über die verwunschenen Flecken auf der Erde und die mysthischen Orte, die wir gemeinsam mit den Helden besuchen und erkunden. Der Schreibstil ist einfach ungemein "schmöker"-ig, zum darin verlieren, alles um einen herum zu vergessen und überrascht zu sein, wenn man aufblickt und nicht vom Dschungel Indiens eingehüllt ist. Kurz und knackig ist Colleen Houcks Schreibstil im Grunde nicht sonderlich verschnörkelt oder besonders, dennoch hat sie die Gabe atmosphärisch dicht zu schreiben, was die Lektüre zu einem besonderen Abenteuer macht.
 Es gibt diese Dinge auf der Welt, zu denen man eine absolute Hassliebe pflegt. Einerseits kann man nicht genug davon kriegen, andererseits ist man genervt, möchte es gegen die Wand hauen und es schütteln. Meine Beziehung zu Tiger-Saga um Kelsey und Ren könnte man so beschreiben, denn obwohl ich einige Klischees und Tatsachen in diesem Buch rein gar nicht verstehe oder nachvollziehen kann, liebe ich die Reihe jetzt schon. Ich liebe die dichte Atmosphäre, die Dramatik, die indische Mythologie und diese liebevolle Stimmung, die irgendwie das ganze Buch zu bestimmten scheint. Andererseits gehen mir Kelsey und ihre Komplexe gehörig auf den Zeiger, ebenso wie die absolut perfekten Beschreibungen Rens und Kishans - dennoch konnte ich das Buch keinen Moment zur Seite legen und verfiel in eine beinahe schon melancholische Stimmung, als die Geschichte sein Ende in einem gemeinen Cliffhanger fand.
Die Geschichte löst derart viele Gefühle und Gedanken in mir aus - und ich kann euch sagen, die meisten davon sind alles andere als positiv. Ganz im Gegenteil, die ersten hundert Seiten war ich absolut genervt und sogar wütend auf den Verlauf der Geschichte, in dem Kelsey andere Typen datet und von wirklich jedem auf die ein oder andere Weise verehrt wird. Des Weiteren gab es einen Abschnitt, der sich über mehrere Seiten zog, in dem Ren mit einem von diesem Typen konkurrierte, was beinahe schon lächerlich wirkte und absolut überflüssig war. Man kann daher sagen, dass ich die ersten Seite eher ernüchtert von der Geschichte war und mich nach dem Abenteuer aus dem ersten Teil sehnte (was dann später auch kam, aber der Anfang gestaltete sich eben enttäuschend!). Andererseits gab es viele Szenen, die mein Herz zerdrückten, mich zum lächeln brachten oder mich gebannt die Seiten umblättern ließen. Gegen Ende war ich dann völlig aufgelöst und habe sogar die ein oder andere Träne vergossen.
Jetzt frage ich mich: Wie kann es sein, dass ich dieser Geschichte so zwiegespalten gegenüberstehe? Wie können mir die Protagonistin allesamt so auf den Keks gehen, während ich doch jeden von ihnen ins Herz geschlossen habe? Warum vermisse ich das atmosphärisch dichte Indien, die schön in die Geschichte eingewebten Legenden und Sagen? Wieso würde ich nun am liebsten direkt den nächsten Teil lesen? Wie schon gesagt, führe ich eine absolut leidenschaftliche Hassliebe mit diesem Buch und ich denke, das wird auch weiterhin so sein. Ehrlich gesagt gefällt es mir sogar, dass ein Buch solche Gefühlsregungen in mir auslösen kann und dass ich es mag, obwohl mich wirklich viele Sachen stören - denn um ehrlich zu sein schaffen das nicht viele Bücher.
Was hier vor allen Dingen sehr schwächelt sind die Figuren. Kelsey ist die perfekte Mary Sue und findet ihren Gegenpart in Ren, der ebenfalls einen umwerfenden Gary Stue abgibt (Kishan im übrigen auch!). Alles, was die Figuren anpacken, scheint ihnen letztendlich ohne Verluste zu gelingen und die Komplexe der Protagonistin wirken doch sehr lächerlich. Ihnen fehlen einfach die Grauschattierungen und die besondere Tiefe. Die Charaktere stehen entweder auf der einen oder auf der anderen Seite, was an die Sicht eines jungen Kindes erinnert und der Geschichte etwas von der Glaubwürdigkeit nimmt. Dennoch strahlen sie alle diese Wärme aus, die es dem Leser schwer macht, die Figuren wirklich zu hassen. Allerdings muss ich sagen, dass ich mit Kishan, um den es hier den größten Teil der Geschichte geht, da Ren ja im Mittelteil nicht da ist, absolut nicht warm wurde. Seine Gefühle scheinen mir doch etwas zu weit hergeholt und er wirkt auch mich irgendwie ganz und gar nicht vertrauenserweckend.
Auch die Liebesgeschichte geht kitschig weiter und man merkt, dass Colleen Houck ein großer Twilightfan ist, denn auch wenn es keiner mehr hören möchte: Parallelen sind im Grundgerüst auf jeden Fall zu erkennen. Daran störte ich mich allerdings nicht, denn alles andere stimmt einfach und auch wenn ich manchmal genervt die Augen verdrehte, so fand ich die indischen Kosewörter doch irgendwie niedlich und Ren ist und bleibt mein Favorit für Kelsey.

Im Gegensatz dazu ist der Abenteueranteil aber wieder richtig gut gelungen. Dieses Mal müssen die Helden das "göttliche Tuch" finden und auch dieses befindet sich in einer geheimen Welt aus der Mythologie, den es zu erkunden gilt. Einige Aufgaben und Gefahren warten dort auf Kelsey und Kishan und obwohl diese Szenen nicht nervenaufreibend spannend sind, so fühlte ich mich doch immer wie auf einem Abenteuertrip und musste immer wissen, wie es weitergeht. Mit Liebe zum Detail entführt uns Houck abermals in ihre Welt, die ich immer wieder gern besuche und lässt uns wieder mit einem gemeinen Cliffhanger zurück, der jedoch die Neugierde auf den nächsten Teil noch einmal steigert. Ich bin sehr gespannt darauf, wie es weitergehen wird und habe da ehrlich gesagt schon so meine Befürchtungen, denn die letzten fünfzig Seiten von "Pfad des Tigers" waren alles andere als schön.
Auf dem Pfad des Tigers (oder besser gesagt der Tiger) gibt es dieses Mal viele verzweigte Wege und einen Haufen Abenteuer, die es zu bewältigen gilt. Eine Mischung aus Hass und Liebe überschwemmt mich, wenn ich an die Geschichte um Kelsey und ihre Tiger denke, denn obwohl mich die meisten Fakten stören, macht die Geschichte einfach absoluten Spaß. Wenn man sich darauf einlässt, bekommt man hier Unterhaltung vom Feinsten, traumhafte Szenarien, schöne Legenden und Mythologien und eine (manchmal etwas zu romantische) Liebesgeschichte, der es an Dramatik nicht fehlt. Auch wenn die Grauschattierungen hier größtenteils fehlen, so ist die Geschichte ein toller Schmöker, in der man sich nur allzu gern verliert und die ich auch weiterhin verfolgen möchte.

Die US-amerikanische Autorin Colleen Houck studierte an der University of Arizona und war anschließend siebzehn Jahre lang als Dolmetscherin für Gebärdensprache tätig, ehe sie beschloss, sich dem Schreiben zu widmen. Ihr erster Romandebüt "Kuss des Tigers", der gleichzeitig den Auftakt zur Tiger-Reihe bildet, erschien zunächst als E-Book im Eigenverlag, eroberte die Herzen der Leserinnen und Leser im Sturm und belegte wochenlang Platz 1 der Kindle-Bestsellerliste. Die überarbeitete Fassung wurde inzwischen auch als Buch verlegt und erscheint im Januar 2012 auch in deutschsprachiger Fassung. Die Autorin lebt gemeinsam mit ihrem Mann und einem großen weißen Plüsch-Tiger in Salem im US-Bundesstaat Oregon. [via Lovelybooks]
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[es wird außerdem noch ein 5. Teil erscheinen!]
Für die freundliche Bereitstellung dieses Rezensionsexemplares bedanke ich mich sehr herzlich bei