“Heute sind wir Freunde” ist der neueste Roman der bekannten Jugendbuch-Autorin Patrycja Spychalski und mein persönliches Debüt der Autorin.
Sechs Schüler sind gerade dabei, eine verpasste Klassenarbeit nachzuschreiben, als die Stadt der für kommende Woche angekündigte Sturm ereilt. Der noch sehr junge Aufsichtslehrer Herr Radtke beschließt darauf gemeinsam mit dem Direktor, dass diese Schüler zu ihrer Sicherheit vorerst in der Schule bleiben sollen, da der Weg nach Hause zu gefährlich sei. Leo und Marc lassen sich davon nicht beirren und machen sich kurzerhand auf den Weg ins Freie – kommen aber nicht weit, da ein herunter fallender Ast Marc verletzt. Und so kommt es, dass Herr Radtke mit Marc in die Notaufnahme fährt und die anderen fünf ganz alleine in der Schule fest sitzen. Sie sind alle grundverschieden, kommen alle aus unterschiedlichen Cliquen und müssen jetzt die nächsten Stunden – wahrscheinlich auch die ganze Nacht – miteinander auskommen.
Eine Gruppe von Schülern, die wider Willen in der Schule festsitzt – na, klingt das bekannt? Ja, die Story klingt sehr nach dem Kultfilm “The Breakfast Club” und ehrlich gesagt, war das auch der Grund, weshalb ich auf diesen Roman aufmerksam geworden bin. Das und das knallbunte, aber doch schlichte Cover. Im Nachhinein fällt mir noch auf, dass die fünf verschiedenfarbigen Regentropfen für die fünf verschieden Schüler stehen könnten – sehr passend und ansprechend. Auf jeden Fall war ich sehr neugierig auf diese Geschichte, zumal ich bisher nur Positives über die Bücher von Spychalski gelesen hatte und dies nun mein erster Roman der Autorin sein sollte.
Sehr positiv aufgefallen ist mir vor allem, dass die Autorin hier auch alle fünf Charaktere selbst erzählen lässt – so haben wir immer wieder wechselnde Erzählperspektiven, die sich auch immer etwas im Schreibstil voneinander unterscheiden. Schließlich sind aber auch die fünf Charaktere absolut verschieden. Nell ist die gewöhnliche Durchschnittsschülerin und vor allem seit einer gefühlten Ewigkeit in Leo verliebt, welcher sie aber bis zu diesem Tag kaum beachtet hat. Zudem beneidet sie heimlich die hübsche und beliebte Valeska, die auf jede Party eingeladen wird und immer das Gesprächsthema Nummer eins zu sein scheint. Was niemand weiß: Valeska ist diese Aufmerksamkeit gar nicht wirklich bewusst, vielmehr sehnt sie sich nach einer “richtigen” besten Freundin, welcher sie sich anvertrauen kann. Da sie diese nicht hat, schreibt sie in ihr Tagebuch und vertraut sich ihrer “stillen Begleiterin” an. Leo dagegen ist sich seiner Beliebtheit unter den Schülern und vor allem auch Schülerinnen nur allzu sehr bewusst und nutzt das auch aus. Er gibt sich immer cool, offen und recht großspurig, wartet aber doch die ganze Zeit auf seine Traumfrau. Chris ist der stille Beobachter in der Gruppe. Er liebt das Fotografieren über alles und so macht er mit seiner Kamera quasi rund um die Uhr Fotos. Von seinen Mitschülern, von der Natur, von Gebäuden, von allem, was er wahrnimmt und durch die Linse seiner Kamera beobachtet. Auch Anton ist eher ein stiller Außenseiter. Er hat keine Freunde, gilt als jemand, der immer allen Regeln nachgeht und überkorrekt ist. In der Schule ohne eine Aufsichtsperson zu sein, macht ihn deshalb ziemlich nervös.
»Solange alles lustig ist und locker, sind dir alle zugewandt, lachen mit dir, tätscheln deine Schulter, aber wenn du mit so Depri-Zeugs anfängst, hast du meistens verloren.« – Seite 85
Anfangs musste ich mich ein wenig an den sehr jugendlichen Schreibstil gewöhnen – denn dieser ist definitiv ein wenig jugendlicher gehalten, als man es von anderen Jugendromanen vielleicht gewohnt ist. Aber da hier die exakten Gedanken und Gefühle der Jugendlichen wiedergegeben werden, ist solch ein Stil natürlich durchaus angemessen und ein Stück weit auch authentisch, doch gerade am Anfang hat es mich ein wenig gestört, weil es teilweise eben doch sehr jugendhafte Gedanken und “Probleme” sind, die man mit Mitte zwanzig eher weniger hat. Mit dem fortgeschrittenen Verlauf der Handlung relativiert sich das aber, da die fünf Jugendlich anfangen, miteinander zu kommunizieren und sich aufeinander einzulassen – aller Vorurteile zum Trotz. Und diese Entwicklung hat mir schließlich fast am Besten gefallen, da die Autorin damit sehr gut zeigt, wie weit sich unser eigenes, persönliches Bild von bestimmten Menschen vom eigentlichen Bild unterscheidet. So ist Anton beispielsweise der Meinung, dass er keine Freunde hat, weil ihn niemand leiden kann, dabei ist es ein wenig auch seine eigene Schuld, weil er all seine Mitmenschen von vorneherein ausgrenzt und so gar nicht erst jemanden an sich ran lässt. Und Nell beneidet Valeska um alles, was sie selbst nicht hat, weiß aber nicht, dass der äußere Schein sehr trügt und Valeska eigentlich einsamer und unglücklicher ist als Nell. Diese Entwicklung, die bei allen Charakteren im Laufe der Handlung statt findet, fand ich wunderbar.
Die Geschichte à la “The Breakfast Club” ist sicherlich nichts Neues und so wirklich überraschen konnte mich der Roman auch nicht. Allerdings ist es trotzdem ein unterhaltsamer Jugendroman, welcher zwar vielleicht nicht unbedingt alle erwachsenen Leser übermäßig begeistern wird – wenn auch gut unterhalten – dafür jedoch für Jugendliche umso empfehlenswerter ist.