Titel: Nur eine Liste
Autor/in: Siobhan VivianVerlag: RavensburgerOriginaltitel: The List
Seitenzahl: 416
Preis: 16,99 € (D)
ISBN: 978-3-473-40092-8
Klappentext:
Jedes Jahr wird an der Mount Washington Highschool eine Liste veröffentlicht, die acht Mädchen zu den hübschesten oder hässlichsten ihres Jahrgangs kürt. Aber nicht nur für die vermeintlich hässlichsten Mädchen ist die Nominierung eine schwere Bürde. Alle Mädchen müssen plötzlich Häme oder Neid ertragen. Fast scheint es so, als habe die Liste die ganze Schule vergiftet. Doch vor allem im Leben der acht Auserwählten entfaltet sie ihre zerstörerische Kraft. Wer ist ihr Verfasser?
Tja, eine amerikanische Highschool-Story, die zwar interessant klingt, aber auch wieder als oberflächlicher Müll enden könnte. Gott sei Dank gibt es den Konjunktiv.
Du bist schön und du bist hässlich. Wer genau das sagt, ist eigentlich egal, denn am Fuß der Liste glänzt noch der dicke Mount Washington Stempel, der alles beglaubigt und die Liste zu dem macht, was sie ist: eine Eintrittskarte in den Himmel, oder in die Hölle.
Dabei entwickeln sich die Geschichten plötzlich ganz anders als erwartet. Was zuerst wie ein Segen aussieht, verwandelt sich auf einmal in ein riesiges Problem und macht gutherzige Menschen zu sozialen Wracks. Aus Zuneigung wird Distanz, aus Freundschaft ein schwaches Zunicken ... und all das nur wegen eines kleines Blatt Papiers, dessen Autor nicht einmal bekannt ist. NOCH nicht.
Ich glaube Nur eine Liste ist das Buch mit den meisten Protagonisten, das ich kenne. Gleich acht Mädchen - und zwar alle Mädchen, die sich auf der Liste befinden - werden vom Leser beobachtet und bewertet. Ob nun Highschool-Prinzessin, Außenseiterin, Neuling, Zicke, Nerd oder sonst eine Art Mädchen, jede von ihnen zeigt uns einen Einblick in ihr Leben und beweist, dass nichts so ist, wie es zuerst den Anschein macht. Die selbstbewussten Figuren gehen plötzlich unter, während die ruhigen aufsteigen und über allem schweben. So kann man anfangs noch nicht einmal ahnen, was für Ausmaße die ganze Geschichte nimmt und wie sehr sich die Charaktere im Verlauf weiterentwickeln müssen.
Der Roman ist also reich an weiblichen Hauptfiguren, aber er ist auch genauso reich an Themen. Magersucht, Individualität, schulische Probleme, der Wunsch beliebt zu sein, die erste Liebe und auch familiäre Auseinandersetzungen stehen ganz hoch im Kurs und werden nicht nur angekratzt, sondern so tief behandelt, wie es knapp 400 Seiten zulassen. Ich bin immer noch erstaunt, wie viel die Autorin dabei an Ehrlichkeit aufbringt, und wie gut ihr diese ganze Highschool-Schönheitswahn-Kritik dabei gelungen ist. Sie hat mich überrascht und davon überzeugt, dass manche Bücher, selbst bei enormen Zweifeln, einen zweiten Blick wert sind. Genau wie die Figuren ihrer Geschichte.
Eigentlich mach ich das nicht gerne, aber ab und zu interpretiere ich bestimmte Handlungen in Büchern, die ich besonders beeindruckend fand. So ging es mir auch bei Nur eine Liste. Diesmal ist es allerdings kein Zitat oder ein außergewöhnliches Benehmen, was mich aufhören ließ. Es war schlicht und ergreifend das Ende des Buches, welches ich aber, aus Spoiler-Gründen, hinter einem Schlüsselloch verbergen will. Wer gucken will, ist herzlich dazu eingeladen auf das Schlüsselloch zu klicken:
Die Schulleiterin setzt Margo die Tiara auf den Kopf.
Das Gewicht überrascht sie.
Natürlich sind die Strasssteine keine Diamanten, trotzdem hatte Margo immer gedacht, die Tiara wäre aus Metall.
Ist sie nicht.
Sie ist aus Plastik.
Mit einem Mal wird auch Margo (schönste Schülerin aus der 12. Klasse) bewusst, wie scheinheilig und lächerlich das ganze Aufsehen eigentlich ist. Deshalb auch der Vergleich mit der Tiara.
Sie wusste zwar, dass sie nicht echt ist, aber dass sie dann doch so billig und falsch auf ihrem Kopf thront, hätte sie nicht gedacht. Genauso verhält es sich mit ihrem Platz auf der Liste. Sie wusste, dass es nicht sooo bedeutend ist als Schönste darauf zu stehen, wie einige vielleicht glaubten. Aber dass es so unbedeutend ist, hätte auch sie nicht gedacht.
Ein überraschend gutes Buch, was zwar wieder einmal in einer amerikanischen Highschool spielt und somit auch diesmal nicht vor Klischees sicher ist, dann aber doch mit der außergewöhnlich deutlichen und sehr ehrlichen Kritik der Autorin ins Auge sticht und mich wahrlich umgehauen hat. Das habe ich nicht erwartet. Kein Kitsch, kein übertriebenes Ausschmücken, einfach nur acht Mädchen auf einer grausamen Liste.
Als ich das deutsche Cover sah, war mir klar, dass ich dieses Buch nicht lesen wollte. Zwar deutet man mit den Namen im Hintergrund auf die Liste hin, aber wieso dieser Mädchenkopf drauf sein muss, soll man wahrscheinlich nicht verstehen. Ich erkenne jedenfalls keine der Protagonistinnen in ihr wider. Würde sie jedenfalls agieren wie auf dem englischen Originalcover hätte es ja noch einen Sinn ergeben. So eher weniger.
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Die Autorin:
Siobhan Vivian wurde 1979 in New York City geboren und wuchs in New Jersey auf. Sie studierte zunächst Drehbuch und Film und machte ihren Master in Creative Writing: Children's Literature an der New School University in New York. Als Lektorin bei der bekannten Literaturagentur Alloy Entertainments war sie an der Entstehung mehrere New York Times Bestseller beteiligt, schrieb für den Disney Channel und gibt heute Schreibseminare für Jugendliteratur an der University of Pittsburgh.