Schaut man sich die Cover von Nigel Slaters Bücher an, so findet man als Werbetext oft ein Zitat von Jamie Oliver: “Nigel ist ein gottverdammtes Genie!” Stimmt. Deshalb bin ich hier auch schon wieder am Ende Nein, natürlich nicht. Das wäre ja etwas arg kurz gegriffen. Nur, wer viel Kritik hören möchte, der sollte nun rasch weiterklicken.
Nigel Slater, den Food-Journalisten mit Wohnsitz in London, kennt man inzwischen auch hierzulande. Sein Buch “Tender-Gemüse” wohnt schon länger in meinem Bücherregal – und ich liebe es. Mit Obst habe ich es aber eigentlich nicht so. Ich esse es meistens einfach so. Im Essen landete es aber eher selten. Nun, das ändert sich gerade; dank Tender-Obst.
Wie schon der Gemüseband ist das Buch wunderschön anzusehen: ein nobler Leineneinband vorne, ein Lesebändchen, mattes Papier – graues für die Rezepte, weisses für den Rest…..und dann dieses Fotos von Jonathan Lovekin. Die sind einfach nur zum Schwelgen. Diese Farben, dieses Licht – und alles so wunderschön in Szene gesetzt, opulent und doch natürlich. Ich wüßte wirklich nicht, wie die Fotos vom Garten, von den Produkten und von den Gerichten schöner machen könnte.
Und dann gibt es noch die Art, wie Nigel Slater schreibt. Ich habe schon seine Kindheitserinnerungen “Halbe Portion” mit dem größten Vergnügen gelesen. Und auch dieses Buch garantiert Spaß am Lesen. Es ist sehr persönlich geschrieben, wir finden Humor und Selbstironie – und Nigel Slater vermittelt so viel Freude an der Sache. Wenn er seinen Obstgarten beschreibt, möchte ich auf der Stelle auch so einen Garten haben. Ich freue mich, dass er endlich die langersehnten Moltebeeren auftreiben konnte, möchte ihm auf die Schulter klopfen und rufen: “Gratuliere zu den Moltebeeren, Nigel!” Und ich muss lächeln über Formulierungen wie: ” Eine Nachspeise, die so trostreich wie ein Teddybär wirkt”. Sagen wir mal so: wer nicht gerne kocht und sich kein bisschen für Obst interessiert, der hat immer noch ein wunderbar formuliertes Buch zu lesen.
Obst – darum geht es. Nigel Slater wandert mit uns durch seinen Obstgarten. In alphabetischer Reihenfolge befasst er sich mit Obstsorten vom Apfel über die Birne und die Erdbeere, über Quitten und Rahabarber bis hin zu Walnüssen und weißen Johannisbeeren, die man in seinem Garten anbauen kann – exotisches bleibt also außen vor. Teilweise werden die Obstsorten auch in verarbeiteter Form verwendet: Holunderblütensirup, Verjus, Cidre….zum Beispiel.
Die Kapitel zu den einzelnen Obstsorten fangen mit einer kleinen Einführung zum jeweiligen Obst an. Wir erfahren etwas über ihre Geschichte und ihren Charakter. Dann gibt es Informationen zum Anbau im Garten und zur Verwendung in der Küche und einen Überblick über die Sortenvielfalt. Es ist fast schmerzhaft zu lesen, wieviele Apfelsorten es zum Beispiel gibt und das dann mit dem Angebot im Supermarkt zu vergleichen. Besonders gut gefällt mir der Teil in der Einführung, der sich damit befasst, was zum jeweiligen Obst passt. Bleiben wir beim Apfel: der verträgt sich mit Muskatnuss, dunklem Zucker, Schwarzen Johannisbeeren, Honig, Ahornsirup, mit Käse und Nüssen, mit Butter (gibt es eigentlich etwas, das sich nicht mit Butter verträgt?), mit Trockenobst, Schweinefleisch und Salbei. Dieser Teil liefert herrliche Anregungen, ganz jenseits von bloßen Rezepten. Schließlich gibt es noch Küchentipps und andere Anmerkungen – das Buch ist ein Lexikon Das Register ist auch nicht zu verachten: Geordnet sowohl nach Zutaten als auch nach Gerichten – da findet man, was man sucht.
Kommen wir zu den Rezepten: es sind viele. Für herzhafte Gerichte mit Fleisch, für Nachtisch, für Kuchen, für Eis…….Es ist einfach eine Fundgrube. Ich habe angefangen, Merkzettelchen hinzukleben, aber das ist ein sinnloses Unterfangen. Viele Rezepte sind mit einer liebevoll formulierten, sehr persönlichen Einleitung versehen. Die Rezepte sind präzise formuliert und funktionieren in aller Regel gut. Mir gefällt, das Nigel Slater an das Gefühl beim Kochen appelliert – nicht alle Zutaten sind mit der Feinwaage austariert. So gibt es eine dünne Scheibe Butter, eine dicke Scheibe Butter, ein großes Stück Butter, ein kleines Stück Butter – wieviel das sein soll, kann man gut selbst entscheiden.
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Das Resumée darf kurz ausfallen: Tender – Obst wird sicherlich immer eines meiner Lieblingsbücher sein. Es ist mehr als ein Kochbuch: es ist ein Geschichtenbuch, ein Nachschlagewerk und eine wunderbare Inspirationsquelle. Wer jetzt angesteckt wurde, kann das Buch direkt über den Verlag beziehen.