“Obwohl ich nie vergesse, dass es beim Kochen meist darum geht, nach einem Arbeitstag etwas auf den Tisch zu bringen, sehe ich nicht ein, warum das nicht gefeiert werden sollte.”
Als Nigel-Slater-Groupie habe ich mich ja schon hier geoutet. Nachdem mich das Obst- und das Gemüsebuch begeistert haben, war ich natürlich gespannt auf das neu erschienene Küchentagebuch.
Und da wäre es – hochwertig gestaltet wie seine Vorgänger, beeindruckt es mit einem Leineneinband auf dem vorderen Cover, mattem grauen Papier, auf dem die Augen sich ausruhen können und einem praktischen Lesebändchen. Die Fotos von Jonathan Lovekin sind schlicht und ergreifend schön – unabhängig davon, ob Gerichte abgelichtet werden, Küchenutensilien oder der Blick in den Garten. Wohl sind sie dunkel gehalten, aber ich mag die Atmosphäre, die sie schaffen.
Das Buch ist tatsächlich aufgebaut wie ein Tagebuch; auch wenn es nicht für jeden Tag einen Eintrag gibt. Es gibt eine Einleitung, die durch eine Überschrift ein Motto bekommt. Kostprobe gefällig? Hier sind ein paar Überschriften aus dem Monat Februar. Da gibt es “Der Nachtisch der Verzweifung”, “Der alte Wok”, oder “Zitronen in der Klemme”. Dann erzählt Nigel Slater aus seinem (Küchen)leben, gefolgt von Rezepten, die zum Thema passen. Es gibt nicht für jeden Tag ein Rezept, manchmal lesen wir auch einfach eine Geschichte.
Wie schon bei den Vorgängern gesagt – ich mag es, wie Nigel Slater schreibt. Ich habe ja immer irgendwo mindestens ein Kochbuch liegen, in dem ich schmökere. Meinst bleiben sie in Wohnzimmer oder Küche. Dieses nicht – es ist überall mithin gewandert, auch als Gute-Nacht-Lektüre auf den Nachttisch. Ich habe es gelesen wie einen Roman.
Die Rezepte – 250 sind es insgesamt – sind aus der unkomplizierten Alltagsküche. Das meiste bringt man auch nach einem langen Tag noch auf den Tisch. Von Suppen über Eintöpfe, von Salaten über Gemüsegerichten, Kurzgebratenes, Fisch, Kuchen, Eis, Pies…es ist alles verteten. Auch die Zutaten sind alltäglich und leicht zu beschaffen. Vieles hat man (oder jedenfalls ich) ohnehin im Vorrat. Ich habe oft das Register bemüht, wenn ich irgendwas übrig hatte – und es gab für jede Zutat ein Gericht, das mir gefallen hat. Richtig, das Register: es ist nach Zutaten und nach Rezeptgruppen geordnet. Man findet also, was man sucht, egal, ob man einen Kohlrabi übrig hat oder ob man einen Eintopf kochen will.
Das erste ausprobierte Rezept ist den schwarz gepunkteten Bananen zu verdanken, die in der Obstschale herumlungerten. Ein Blick ins Register förderte einen Bananenkuchen mit Schokolade und Muscovado-Zucker zutage. Der Kuchen ist klasse. Und ebenso klasse ist die nahezu philosophische Einleitung zum Thema Bananen, deren Reifegrad und was das alles mit Turnbeuteln zu tun hat.
Die gebackenen Paprika in Sommersoße waren auch fein. Die Schoten werden gegrillt, darüber kommt eine aromatische Soße aus Olivenöl, Knoblauch, Basilikum, Oregano und Minze.Die Sauce riecht wunderbar – toll, was einem entgegenkommt, wenn man den Deckel des Mixers öffnet. Nigel Slater freut sich mit diesem Gericht auf die kühler werdenden Tage im Herbst, freut sich über “Paprika, blutrot und krumm wie Aladins Pantoffeln” und beschreibt den kleinen Salat als “letztes Aufseufzen des Sommers”.
An Neujahr backt Nigel Slater Brot. Den Teig knetet er mit der Hand, denn er findet, dass das Kneten von Teig etwas Therapeutisches hat. Und so beginnt das Küchentagebuch mit einem Rezept für Cidre-Brot, das ich ausprobiert habe. Es ist ein einfaches, rasch hergestelltes Hefebrot, dass durch die Zugabe von Cidre eine leichte Säure und eine weiche Krume bekommt. Mein Exemplar ist im Ofen etwas schief aufgegangen, aber das liegt an meinem Ofen, der langsam aber sicher auf das Rentenalter zusteuert.
Nigel Slater ist nicht pingelig, was seine Rezepte angeht. Er versteht sie als Anregung und ist nicht böse, wenn man sie abwandelt oder eigenen Ideen folgt. Die Orzo mit Zucchini und Grana Padano sind ein Gericht, das man auch nach einem langen Tag noch rasch kochen kann. Und dann steht ein zufriedenstellendes Essen auf dem Tisch – bei uns verlangten alle nach Nachschlag. Meine kleine Abwandlung bestand übrigens darin, dass ich statt mit Weisswein mit Cidre gearbeitet habe – es war halt noch welcher von Brot-Backen da….
Der Rezepttitel ließ mich schmunzeln: “Ein kleiner brauner Eintopf für einen kleinen braunen Tag “. Nigel Slater kocht dazu Dinkel (die vorgekochte Sorte” und Pilze. Ich habe auf den “Dinkel wie Reis” verzichtet – im Küchenschrank befand sich Vollkornreis, warum eigentlich? Ich mag gar keinen Vollkornreis. Der Eintopf war einfach, lecker und …. braun. Dazu erfahren wir, wie heimelig Nigel Slater den Duft von gekochtem Getreide findet – für ihn produzieren kochende Körner das Gefühl von Frieden und bescheidener Gutmütigkeit.
Ich werde nicht müde, es zu betonen: die Eismaschine und ich, wir sind beste Freunde. Und von der bitteren Orangenmarmelade habe ich in der letzten Saison einen Vorrat hergestellt, der mehr als großzügig ist. Beste Voraussetzungen für das Eis mit bitterer Orangenmarmelade und Schokosplittern. Nigel Slater hat es gemacht, weil die angebrochene Marmelade endlich weg musste. Er sagt, dass es das cremigste Eis ist, das er jemals hergestellt hat. Das Eis ist wirklich sehr cremig, und die Orangenmarmelade macht sich gut darin. Und Orange und Schokolade, das ist ja sowieso ein Klassiker.
Meine Wahnsinns-Auberginenernte von exakt einer Aubergine habe ich im knusprigen Eintopf mit Auberginen und Bohnen verarbeitet. Nigel Slater serviert dazu eine Geschichte über seine Gartenarbeit im Winter und verrät uns, warum er so gerne Bohnen einweicht. Das Rezept für den Eintopf findet Ihr hier.
*
Wenn das “Cassoulet” nichts geworden wäre, hätte ich mich nicht beschweren dürfen – ich habe nämlich das Rezept recht großzügig interpretiert : statt Chorizo und Chipolatas eine wilde Mischung von Würsten, die nach dem Grillen übrig geblieben waren….und wesentlich mehr Tomate als im Rezept. Aber ernsthaft…das ist eines von den Rezepten, bei denen nichts schief gehen kann: Speck und Würstchen, gebraten, weiße Bohnen und Tomaten dazu und dann alles mit Bröseln überbacken (Ja, schon wieder…). Das geht auch noch nach einem langen Ausflugstag.
Ihr habt es beim Lesen schon gemerkt – ich mag das Buch. Man kann darin schmökern wie in einem Roman und findet gleichzeitig eine Menge alltagstauglicher Rezepte. Meine Begeisterung ist ansteckend? Nun, das Buch gibt es bei Dumont.