[Rezension] "Nevermore" von Kelly Creagh


 Edgar öffnete das linke Auge einen Spalt weit.

 Isobel Lanley hat alles, was man sich wünschen könnte. Sie ist Cheerleaderin, Freundin des Footballstars Brad und Mitglied der beliebtesten Clique der Schule. Als sie dann unweigerlich Projektpartnerin des verschrobenen und unbeliebten Varen Nethers wird, fangen die Probleme jedoch an. Die beiden sollen einen berühmten Schriftsteller Amerikas vorstellen und entscheiden sich für den Autoren des Grusels schlechthin, Edgar Allen Poe. Da sie sich öfter mit Varen treffen muss, um das Projekt vorzubereiten, wendet sich ihre Clique und ihr Freund gegen sie und Isobel steht schließlich alleine da. Noch dazu versteht sie sich absolut nicht mit Varen, der merkwürdig und unheimlich auf sie wirkt. Als sie schließlich von unheimlichen Wesen verfolgt wird und ein Mann in schwarz ihr immer öfter auflauert, muss Isobel feststellen, dass Varen in seiner eigenen Traumwelt lebt, die viel mit dem mysteriösen Tod Poes zu tun hat und Isobel weiß: Nur sie kann Varen jetzt noch retten.

 Kelly Creaghs Schreibstil ist ein großer Pluspunkt der Geschichte, wird ihr aber im Verlauf der Geschichte zum Verhängnis. Einerseits schreibt sie sehr sicher und zum Teil auch poetisch. Auch atmosphärisch schafft sie es gekonnt, eine besonders düstere Stimmung an den Tag zu legen. Allerdings ufern ihre Beschreibungen des Öfteren aus, sodass sich der ohnehin schon 560 Seiten schwere Roman noch weiter unnötig in die Länge zieht und ungefähr so zäh ist, wie ein altes Kaugummi. Daher ging für mich ein großteil der Spannung und Atmosphäre verloren, was wirklich nicht hätte sein müssen.
 Es gibt diese Bücher, die man schon mögen will noch bevor sie erschienen sind. Das kann einerseits mit einer besonders guten Resonanz der Originalausgabe, andererseits aber auch mit einer schönen Covergestaltung zu tun haben. Was auch immer es ist, man hat das Gefühl, man müsse dieses Buch um jeden Preis besitzen und lesen - und vor allen Dingen gut finden. "Nevermore" ist eines dieser Bücher, welches ich unbedingt mögen, ja fast schon lieben wollte, als ich es bekam. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Leserstimmen zu dem Buch und ich war gespannt darauf, wie sehr mir das Buch gefallen würde - denn ich ging eigentlich felsenfest davon aus, dass ich es mögen würde. Wie das aber nun mal eben ist mit dem Denken und den Erwartungen widersprechen sie meist der Realität und so war es auch in diesem Fall, denn plötzlich häuften sich die Leserstimmen, die sagten: "Entweder man liebt dieses Buch oder man hasst es." Da wurde ich skeptisch. Ich weiß nicht, was es genau war - die Skepsis oder die hohen Erwartungen, auf jeden Fall hat mir dieses Buch nicht so gut gefallen, wie ich es erwartet hatte.
Ich kann weder sagen, dass ich das Buch liebe, noch, dass ich es hasse, denn das Problem ist einfach, dass ich absolut keine emotionale Bindung zu der Geschichte habe und es mir um ehrlich zu sein relativ gleichgültig war, wie sie voranschreiten würde. Ich war über jeder Seite froh, die ich gelesen hatte, weil ich das Buch so schnell wie möglich beenden wollte. So lag das Buch mit dem schönen Cover wochenlang auf meinem Nachttisch und spukte mit nervtötend im Kopf herum, weil ich es einfach nicht mag, wenn Bücher angebrochen herumliegen - vor allen Dingen, wenn es Rezensionsexemplare sind. Nun stellt sich natürlich die Frage, was es denn war, was diese negative Haltung gegenüber dem Buch erklärt, aber ehrlich gesagt kann ich das selbst gar nicht so hunderprozentig sagen. Es gibt da so einige Punkte, die mich störten und das Buch für mich nicht sonderlich lesenswert machten:

  • Distanz. Das ist wohl einer der Punkte, die hauptsächlich für meine Bewertung verantwortlich sind, denn das Buch ist meiner Meinung sehr distanziert zum Leser geschrieben, sodass es mir kaum möglich war, die Protagonistin wirklich zu mögen oder generell irgendetwas für sie zu empfinden. Die Geschichte spielt auf einer Ebene, die mich leider nicht erreichen konnte und so blieb ich auch für das dramatische Geschehen eher desinteressiert.
  • Der Handlungsverlauf war ebenfalls eine größere Problematik, denn obwohl Kelly Creagh einen sehr angenehmen Schreibstil an den Tag legt, den sie in einigen Szenen mit viel Gefühl einzusetzen weiß, verliert sie sich doch zu oft in Details und unnötigen Handlungssträngen, die für die Geschichte nicht relevant waren. Das hat schnell dazu geführt, dass ich einige Seiten nur überflogen habe und mir die Geschichte einfach zu zäh voranging. Die von vielen Seiten versprochene Spannung blieb daher für mich aus.
  • 2. Teil

  • Die Figuren blieben für mich weitgehend blass. Allen voran Isobel, zu der ich partout keine Bindung aufbauen konnte. Anfangs wirkte sie wie die klischeeüberhäufte Cheerleaderin, was sich im weiteren Handlungsverlauf jedoch als falsch herausstellte, denn Isobel handelt bald nicht mehr so, wie man es von ihr erwartet hätte. Das hat sie für mich aber irgendwie auch nicht mehr sympathisch gemacht, eher im Gegenteil. Viele der Dinge, die sie getan hat, blieben unverständlich und was mich noch dazu besonders störte, war die typisch amerikanische Haltung der Eltern, Lehrer, etc. Auch mit Varen wurde ich nicht wirklich warm, obwohl er schon deutlich interessanter daherkommt als Isobel. Im Gegensatz dazu gefiel mir aber Pinfeathers wieder ziemlich gut, der sehr lebending beschrieben wurde und einfach ein wenig Pepp und auch den versprochenden Gruseleffekt brachte.
  • Ein roter Faden blieb meiner Meinung nach irgendwie aus. Während ich das Buch las, hatte ich das Gefühl, dass selbst die Autorin nicht so wirklich wusste, wo das alles hinführen sollte und so fühlte ich mich mehr als einmal verloren in der Geschichte, was dazu führte, dass mir auch der Antrieb fehlte, sich weiterzulesen.
  • Es bleiben zu viele Fragen offen. Normalerweise finde ich es gut, wenn nicht alles direkt erklärt wird, aber hier blieb für mich am Ende einfach nur ein riesengroßes Fragezeichen, weil so gut wie nichts erklärt wird. Ich hätte gehofft, dass Creagh hier mehr auf die Traumwelt eingehen würde, die mich nämlich sehr viel mehr interessiert hat, als der Rest. Sie hätte so viel mehr aus dieser herausholen können, ebenso aus der Poe-Thematik und den Ghulen. 
  • Die Gefühle zwischen Isobel und Varen kamen aus dem Nichts und waren daher unglaubwürdig. Pluspunkte gibt es dafür, dass dies nicht auf der ersten Seite geschah, aber dennoch habe ich die plötzliche Gefühlswandlung absolut nicht nachvollziehen können, was mich wirklich gestört hat. Erst herrscht zwischen den beiden kriegsähnliche Stimmung und dann, ganz plötzlich, merkt Isobel, dass sie mehr für ihn empfindet - andersherum ebenso.

Die Geschichte bietet dennoch einiges an Potenzial, dass aber für mich nicht genutzt wurde. Positive Punkte waren für mich beispielsweise die Traumwelt, in die Varen sich flüchtet, die szenenweise wirklich toll und verträumt beschrieben wurde, sowie die Thematik rund um Edgar Allen Poe. Ich fand es toll, wie immer wieder Elemente des Gruselautors in die Geschichte eingewebt worden sind und dieses ganze Mysterium um seinen Tod aufgegriffen wurde. Aber auch hier haben mir die Bezüge weitgehend gefehlt, was aber wahrscheinlich im zweiten Teil aufgeklärt werden wird. Eine weitere positive Eigenschaft des Buches ist die düstere Stimmung, die sich durch die gesamte Geschichte zieht. So ist sie stellenweise durchaus atmosphärisch, allerdings wird diese Atmosphäre durch die vielen unnötigen Szenen leider oft verschenkt.
 Es gibt Dinge, die einfach nicht funktionieren - eines davon ist, Bücher mögen zu wollen, obwohl sie noch nicht einmal erschienen sind und gerade diese Ansprüche, die sich dadurch an "Nevermore" entwickelten, konnte das Buch nicht tragen, da es zwar Potenzial, aber viel zu viele Schwächen hat. Eine originelle Idee wurde hier leider mehr schlecht als recht umgesetzt und wird mit einem zähen Schreibstil und zu vielen unnötigen Ideen in die Länge gezogen. Unglaubwürdige Figuren, die teilweise unverständlich handeln und die typisch amerikanische Moral ausleben, haben dazu geführt, dass ich nur wenig Lust hatte, die Geschichte um Isobel und Varen zu Ende zu lesen. Pluspunkte des Plots sind beispielsweise die Traumwelt und die Idee ansich, die aber letztendlich an der Umsetzung scheiterte.

 Kelly Creagh machte 2008 ihren Abschluss in Kreativem Schreiben. Wenn sie sich nicht gerade schaurige Charaktere ausdenkt, Buchläden heimsucht oder sich wie besessen mit Edgar Allan Poe beschäftigt, tanzt sie leidenschaftlich gerne Bauchtanz. Sie lebt mit ihrer exzentrischen Terrierdame Annabel in einem alten Stadtteil von Louisville in Kentucky, der perfekten Kulisse für Geschichten voller gruseliger Geheimnisse und verwunschener viktorianischer Villen. Nevermore ist ihr Debütroman. [via Lovelybooks]
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Mein Dank für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares geht an


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