|Rezension| "Mistborn 01: Kinder des Nebels" von Brandon Sanderson

Von Paperdreams @xGoldmarie



 Asche fiel vom Himmel.
Seit tausenden von Jahren ist die Erde von Asche und Nebel bedeckt und der unsterbliche Oberste Herrscher reagiert mit eiserner Hand über das versklavte Volk der Skaa. Während in den Adelsgesellschaften festliche Bälle gegeben werden, hungert und versteckt sich die siebzehnjährige Vin in einer Diebesbande, die sie brutal behandelt. Doch Vin weiß sich zu schützen: immer, wenn es sein muss, kann sie eine Gabe in ihrem Inneren erwecken, die alles zum Guten wendet. Auch Kelsier hat diese Gabe, doch er kennt sie bereits in- und auswendig - die Gabe, die aus den Nebeln entstanden ist, die niemand zu betreten wagt - und er hat ein Ziel: den Obersten Herrscher zu stürzen und das Volk der Skaa aus der Sklaverei zu befreien...
Brandon Sanderson hat die Art zu Schreiben, das einem die tausend unbekannten Begriffe, die man auf den ersten Seiten kennenlernt, schon bald ganz natürlich erscheinen - so merkwürdig und unrealistisch sie auch sein mögen. Mit seinem anspruchsvollen, aber nicht geschwollenen Stil erschafft er eine dichte und vor allen Dingen natürliche Atmosphäre, die dafür sorgt, dass man schon bald gänzlich in seiner Welt verschwindet. Dabei ist er weder schwulstig, noch platt und schreibt auf einer Ebene, die man nur als episch bezeichnen kann. Geschrieben aus verschiedenen Perspektiven, nämlich hauptsächlich aus der von Vin und Kelsier, ist das Buch für beide Geschlechter gut lesbar, denn es ist sehr abwechslungsreich. An den Kapitelanfängen gibt es außerdem kursiv geschriebene Ausschnitte, deren Sinn und Inhalt sich erst gegen Ende ergibt, sodass es teilweise ein wenig verwirrend zu lesen war. Das Buch liest sich aber dennoch wie von selbst und man merkt ihm die vielen Seiten nicht in einer Sekunden an!
Manche Bücher haben die Macht zu überzeugen. Nicht nur von sich selbst, sondern auch von der Welt, von der sie erzählen. Plötzlich ist man in Hogwarts, schleicht durch Mittelerde oder wird - wie in diesem Fall - von unheimlichen Nebeln umhüllt. "Kinder des Nebels" zeigt sofort, dass die Mistborn-Trilogie das Zeug dazu hat, episch zu werden - episch zu sein und entführt den Leser nach einem etwas zähen Einstieg in eine faszinierende Welt, aus der man sich kaum befreien kann. Zugegeben, High Fantasy sollte man wohl schon mögen, um der Geschichte etwas abgewinnen zu können, denn das Buch spielt mit einigen interessanten Ideen und Welten, in die man sich erst einmal einfinden muss und die - auf den ersten Blick - auch etwas lächerlich wirken könnten, mit der Zeit aber so natürlich sind, dass man beinahe glaubt, irgendwo, in einer Parallelwelt vielleicht, könnte es das Letzte Reich geben. Und das ist auch eines der Aspekte, die "Kinder des Nebels" so authentisch und mitreißend machen - die Natürlichkeit und die Vielfalt.
Einen undurchdachten Weltentwurf kann man Brandon Sanderson nämlich nicht vorwerfen - ganz im Gegenteil: Die Welt, die sich in "Kinder des Nebels" langsam enthüllt - vermutlich aber in den Folgebänden noch viel mehr zu bieten hat - ist ungeheuer komplex und es hat durchaus seine Zeit gebraucht, bis ich mit den vielen Begriffen und Namen etwas anfangen konnte. Nebelgeborene, Allomanten, Obligatoren und Inquisitoren - da kommt eine Menge auf den (unerfahrenen) Fantasyleser zu, die aber nach einigen Seiten sitzen und Spaß machen. In dem ersten Band der Reihe lernen wir zwar nur einen kleinen Teil der Welt kennen, doch der allein hat es schon in sich: es gibt so vieles zu erkunden, so viele Geheimnisse aufzudecken und so viel zu verlieren, dass man sich auf jeder Seite fragt, wie das Buch ausgehen könnte und dadurch die Spannungskurve konstant erhalten bleibt. Das liegt daran, dass Sanderson immer wieder kleine Rätsel und Geheimnisse ins Geschehen streut und sie langsam auflöst, sodass es immer neue Aufdeckungen gibt, die die Handlung lenken und verändern.

Was letztendlich aber für die unterschiedlichen und beeindruckenden Facetten sorgt, sind die Figuren. Es ist faszinierend, wie immer wieder Schwarz und Weiß ineinander zerfließen und die verschiedensten Grauschattierungen hervorrufen - so ist jede Figur, wenn man sie erst einmal kennengelernt hat, eine Welt in sich. Jeder hat seine Geschichte, seine Art und seinen Charakter, den man schnell zu lieben lernt. Gerade Vin und Kelsier lernt man als Leser besonders gut kennen - und lieben. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein: Vin ist die Vorsichtige, die niemandem vertraut, was in ihrer Vergangenheit begründet liegt und Kelsier ist eher rätselhaft, aber auch sehr auf Gefühle und Vertrauen bedacht. Es ist ungeheuer spannend zu sehen, wie diese beiden Extreme aufeinandertreffen und sich zusammen, aber auch unabhängig voneinander immer weiter entwickeln und neue Dinge kennenlernen - gerade Vins Entwicklung hat mir besonders gut gefallen. Aber auch Nebenfiguren wie
Docksohn, Sazed, Weher, Spuki und Hamm überzeugen auf ganzer Linie und schleichen sich fast unmerklich ins Leserherz. Sie alle haben ihren eigenen Kopf und sind detalliert ausgearbeitet, sodass tatsächlich jede Szene Spaß macht, wenn man die Figuren schon ein wenig einschätzen kann.
Worum es nun eigentlich geht? Das muss man selbst herausfinden, denn ich möchte da eigentlich gar nicht so viel vorwegnehmen. Es macht den größten Spaß, diese Welt alleine zu erkunden und sich ein eigenes Bild zu machen. Themen wie Macht, Unterdrückung, Magie, Freundschaft, Vertrauen und Liebe spielen eine Rolle, aber letztendlich ist es das Gesamtbild, das so faszinierend gestaltet ist, wenn all diese Aspekte ineinander übergehen und sich vermischen. Wer prinzipiell keine High Fantasy mag, wird wohl auch mit "Kinder des Nebels" keinen Spaß haben, wer aber auch nur annähernd Interesse an dem Genre und dem Buch hat, sollte der Geschichte definitiv eine Chance geben, denn wenn man schließlich in die Welt eingetaucht und die Figuren in sein Herz geschlossen hat, kommt man so schnell nicht mehr von ihr los. "Kinder des Nebels" hat mich nicht nur von sich selbst und der Trilogie an sich überzeugt, sondern mir auch Mut gemacht, andere Bücher des Genres (und natürlich auch des Autors) mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Wer gerne in den facettenreichsten Welten verloren geht und eine wahnsinnig gut durchdachte Geschichte lesen möchte, die zwar weniger überzeugend anfängt, dafür aber mehr als phantastisch endet, sollte einen Blick auf den Auftakt der Mistborn-Trilogie werfen. Neben Themen wie Freundschaft, Unterdrückung, Rebellion und Vertrauen ist in diesem Buch für jeden etwas dabei, denn es ist trotz des eher schlichten Covers, ein buntes Knallbonbon aus den verschiedensten Charakteren und Handlungen, das stetig spannend ist und ständig einige Wendungen bereithält. Gerade die Figuren und der Weltentwurf überzeugen auf ganzer Linie und machen Lust auf mehr. Wer High Fantasy und komplexe Geschichten mag, wird "Kinder des Nebels" lieben!

Brandon Sanderson, 1975 in Nebraska geboren, schreibt seit seiner Schulzeit phantastische Geschichten. Er studierte Englische Literatur und unterrichtet Kreatives Schreiben. Sein Debütroman »Elantris« avancierte in Amerika auf Anhieb zum Bestseller. Seit seinen Jugendbüchern um den jungen Helden Alcatraz und seiner großen Saga um die »Kinder des Nebels« gilt der junge Autor auch in Deutschland als einer der neuen Stars der Fantasy. Er wurde auserwählt, Robert Jordans großen Fantasy-Zyklus »Das Rad der Zeit« fortzuschreiben. Brandon Sanderson lebt mit seiner Familie in Provo, Utah. [via Heyne]
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