Rezension: Mia Couto – Das Geständnis der Löwin (Unionsverlag 2014 [2012])

“Das Geständnis der Löwin”, der bislang letzte Roman des mosambikanischen Autors Mia Couto (*1955), führt den Leser ins Dorf Kulumani, das von menschenfressenden Löwen terrorisiert wird. Dabei sind die hungrigen Raubkatzen kaum der grösste Schrecken, der das Dorf peinigt. Düstere Geheimnisse und Gelüste brodeln unter der bröckelnden Oberfläche…

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Titel: Das Geständnis der Löwin
Original: A Confissão da Leoa (2012)
Autor: Mia Couto
Übersetzung: Karin von Schweder-Schreiner
Verlag: Unionsverlag
ISBN: 3-293-00476-8
Umfang: 280 Seiten, gebunden m. Schutzumschlag

Aus zwei Perspektiven wird die Geschichte des Dorfes Kulumani mit all seinen von Generation zu Generation weitergegebenen “Illusionen und Gewissheiten” erzählt: Kapitel stehen abwechslungsweise unter der Überschrift ‘Mariamars Version’ respektive ‘Tagebuch des Jägers’.

Mariamar ist ein Mädchen aus Kulumani, deren Schwester soeben von einem der Löwen getötet wurde. Ihre Mutter Hanifa Assulua, die früher schon Töchter verloren hatte, ist voll von stummen, unter dem Mantel des Gehorsams verborgenen Rachegelüsten. Deren Ziel ist unter anderem ihr Mann Genito Mpepe, ein gewalttätiger alkoholabhängiger Vergewaltiger, Inbegriff der patriarchalen, von teils brutalen Traditionen geprägten Gesellschaft Kulumanis. Inmitten dieser Gewalt führt Mariamar ihr Dasein, gebeutelt von unerklärlichen Krankheiten, gestärkt von der Kraft der Worte, die sie in Form eines Tagebuchs anwendet, und einer unausweichlichen Gewissheit: “Nur kleine Anfälle von Verrücktheit können uns vor der grossen Verrücktheit bewahren.”

Der Jäger auf der anderen Seite, mit Namen Arcanjo Baleiro, kommt aus der Stadt und wird gemeinsam mit dem Schriftsteller Gustavo Regalo geschickt, die Löwen zu erlegen.  Grosses Misstrauen brandet den Ankömmlingen entgegen. Manche im Dorf glauben nicht, dass Baleiro die Löwen erlegen kann, während manche nicht einmal glauben, dass es die Löwen gibt… Der Jäger, seinerseits im steten Kampf mit seiner Kunst, einer unerwiderten Liebe und traumatischen Erinnerungen, hält ebenfalls in einem Tagebuch fest, was ihm im Dorf widerfährt. In einem Dorf, in dem er vor langer Zeit schon einmal war, sich aber kaum an den Aufenthalt erinnern kann – ganz im Gegensatz zu Mariamar, der er damals begegnet ist, und die ihn nie vergessen hat…

So pendelt “Das Geständnis der Löwin” zwischen Liebesgeschichte, sozio-politischem Dorfthriller und mystischer Sagenwelt. Wie in den meisten seiner Werke gelingt es Mia Couto auch in diesem Roman ausgezeichnet, die Tatsachen der afrikanischen Welt dem nicht-afrikanischen Lesepublikum zu öffnen. Es ist eine Welt, in der  die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit oftmals unkenntlich werden, eine Welt, in der Löwinnen Menschen “respektvoll wie eine Schwester” grüssen, und vor allem eine Welt, in der Lebende und Tote nebeneinander existieren. Wobei das Wort der Toten mehr Gewicht hat, als das mancher Lebenden. Mariamars Grossvater Adjiru sagt:

“Was ich glaube, spielt keine Rolle. Was die Toten glauben, darauf kommt es an.”

Und Arcanjos seit langer Zeit in einem Heim lebender, der Realität scheinbar entrückter Bruder Rolando behauptet:

“Der Tote bleibt anwesend, die ganze Vergangenheit gehört ihm. Die einzige Möglichkeit, nicht mehr da zu sein, ist der Wahnsinn. Nur der Wahnsinnige wird abwesend.”

In diese Welt, wo dem Wort der Toten grösste Bedeutung beigemessen wird, eine lebende Frau aber ein Niemand ist, dringen die Löwen ein. Was genau sie repräsentieren, wer sie schickt, was sie verändern und letztlich: wer sie sind, darum dreht sich dieser packende, vielfältig interpretierbare Roman. Vom ersten Satz – “Gott war einmal eine Frau” – bis zum titelgebenden Geständnis weiss der Roman zu überzeugen. Mia Couto hat mit “Das Geständnis der Löwin” sein umfangreiches Werk um einen abermals eindrücklichen Text erweitert.


Hier geht’s zu unserer Rezension von Coutos Debüt “Das schlafwandelnde Land”.


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