Rezension | "Mein Herz und andere schwarze Löcher" von Jasmine Warga

| Fischer Sauerländer | Hardcover | 384 Seiten | €16,99 | My Heart And Other Black Holes | Amazon |


Wenn dein Herz sich anfühlt wie ein gähnendes schwarzes Loch, das alles verschlingt, welchen Sinn macht es dann noch, jeden Morgen aufzustehen? Aysel will nicht mehr leben – sie wartet nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, sich für immer zu verabschieden. Als sie im Internet Roman kennenlernt, scheint er der perfekte Komplize für ihr Vorhaben zu sein. Und während die beiden ihren gemeinsamen Tod planen, spürt Aysel, wie sehr sich auf die Treffen mit Roman freut, wie hell und leicht ihr Herz sein kann. Und plötzlich ist der Gedanke, das alles könnte ein Ende haben, vollkommen unerträglich ... Aysel beginnt zu kämpfen. Um ihr Leben. Um sein Leben. Und um ihre gemeinsame Liebe.
Das Leben steckt voller Erwartungen und Hoffnungen. Man kauft sich einen bestimmten Joghurt und hofft auf einen bestimmten Geschmack, doch die Sache mit Hoffnungen und Erwartungen ist, dass sie meistens nicht erfüllt werden können. Der Joghurt schmeckt ansatzweise ähnlich, aber eben nicht genauso - und ungefähr so war das auch mit "Mein Herz und andere schwarze Löcher". Das heißt nicht, dass das Buch schlecht ist, ganz im Gegenteil - ich habe einfach nur erwartet, ein anderes Gefühl bei dieser Geschichte zu bekommen und wurde in dieser Hinsicht enttäuscht. In jeder anderen aber ist "Mein Herz und andere schwarze Löcher" eine ganz besondere, einfühlsame und tiefgehende Geschichte über ein sehr problematisches Thema, das mit Humor, Sensibilität und viel Gefühl ausgearbeitet wurde. Zwar fehlte mir irgendwie die Geschmacksexplosion, der Moment, in dem alle Dämme brechen und mich die Geschichte mit jeder Faser berührt, dennoch ist das Buch um Aysel und Roman durch und durch lesenswert.
Das liegt vor allen Dingen an dem schönen Schreibstil, der leicht und einfühlsam ist und dabei humorvoll und gleichzeitig tiefgehend bleibt - Jasmine Warga gelingt der Spagat zwischen zwei Extremen und so liest sich das Buch flüssig und angenehm. Es liegt aber auch an der Protagonistin Aysel, die mit ihren Ecken und Kanten und ihrer Art einfach eine absolute Sympathieträgerin ist und den Leser vorsichtig durch die Geschichte führt. An manchen Stellen beinahe zu vorsichtig, denn obwohl sich die Dinge ganz anders entwickeln, als Aysel sie sich vorgestellt hat, fehlten mir die Extreme, die der Schreibstil so gut vorgelebt hat. Die Momente, in denen man nicht nur liest, was Aysel fühlt, sondern es tatsächlich spürt. Zudem fehlten mir dann und wann Details zu den Beziehungen der Figuren - wie gerne hätte ich beobachtet, wie Aysel sich ihrer Halbschwester wieder annähert oder ihrem kleinen Bruder. Ein Treffen mit ihrem Vater wäre auch interessant gewesen, doch all diese Themen werden nur angeschnitten und nicht ausgeführt, was der Geschichte aber meiner Meinung nach mehr Wärme gegeben hätte.
Der besondere Fokus der Geschichte liegt aber auch eher auf Roman. Sein Schicksal geht sehr viel tiefer als das von Aysel und seine Gefühle gingen mir um einiges mehr unter die Haut. Gerade auch hier die Beziehung zwischen ihm und seiner Mutter fand ich sehr bewegend und auch hier hätte es gerne noch mehr davon geben dürfen. Die Geschichte ist solide, sie liest sich gut und ist sicherlich berührend, doch sie bleibt auf dem Papier und viele Dinge, die der Geschichte Lebendigkeit gegeben hätten, werden nicht weiter verfolgt. Was wird aus dem Fotoprojekt aus dem Physikkurs? Wird Aysel ihren Vater treffen? Was ist mit ihrer Halbschwester? All diese Dinge bleiben irgendwie im Dunkeln und das Ende ist dementsprechend offen, was definitiv seine Vorzüge hat, das Buch aber in meinen Augen etwas weniger lebhaft macht. Eine Geschichte lebt oft von ihren Details und "Mein Herz und andere schwarze Löcher" bleibt in dieser Hinsicht leider etwas oberflächlich.
Ich mag dieses Buch. Ich mag die Figuren, die Gefühle, die übermittelt werden. Ich mag die Idee. Aber sie bleibt auf dem Papier und schafft es nicht, mich voll und ganz zu ergreifen. Das ist zwar nicht schlimm und macht das Buch nicht weniger lesenswert, doch insgesamt ist es schade, denn wenn die Details und Beziehungen noch mehr herausgearbeitet wären, hätte dieses Buch sicherlich ein Jahreshighlight werden können. Einfühlsam und sensibel behandelt Jasmine Warga das Thema Selbstmord und schafft dabei eine besondere Atmosphäre und einen lesenswerten und sehr schönen Schreibstil. Man versetzt sich in die Figuren, hat aber oft das Gefühl zurückgestoßen zu werden und so ist "Mein Herz und andere schwarze Löcher" zwar eine grundsolide Geschichte mit viel Potenzial, die mir auf jeden Fall gefallen hat, aber keine, die mich mit jeder Faser erreichen konnte.

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