Rezension: "Mayra und der Prinz von Terrestra" (Marita Grimke)

Von Watchman @scifiwatchman


Als man mir Mayra und der Prinz von Terrestra, den Debütroman von Marita Grimke, zur Rezension antrug, wurde er als ein Werk beschrieben, das sich primär an ein jugendliches Publikum richte, als Coming-of-Age-Geschichte daherkomme und zudem Science-Fiction mit Elementen der Fantasy kombiniere. Dieser Ansatz erschien mir durchaus ambitioniert und machte mich deshalb neugierig. Gegen eine Beschäftigung mit diesem Buch sprach allerdings, dass ich nachgewiesener Maßen an dem Wesley-Crusher-Syndrom leide und mit Fantasy in der Regel nur bedingt etwas anfangen kann. Doch die Neugier war größer, weshalb ich, einer Intuition folgend, meine Bedenken über Bord warf und mich auf die 279 Seiten dauernde Lektüre einließ. Rückblickend ist es ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich mich scheinbar immer noch auf mein Bauchgefühl verlassen kann.
Mayra, ein 15-jähriges und scheinbar ganz normales Mädchen in der hochtechnisierten Zukunft des Jahres 10210, besucht ihren Großvater auf dem Planeten Terrestra. Dort findet sie eine für sie fremde Welt vor, die zurückgefallen ist auf den Stand des Mittelalters - ohne Maschinen, beherrscht von einer Königsfamilie und voller Magie! Sie lernt einen geheimnisvollen jungen Mann namens Djuma kennen und verliebt sich in ihn. Als er plötzlich verschwindet, macht Mayra sich auf die Suche – und steht schließlich vor der Aufgabe, einen ganzen Planeten vor dem Untergang zu retten.
Mayra und der Prinz von Terrestra lebt von dem Kulturschock, den die aus einer übertechnisierten Welt stammende Mayra erleidet, als sie mit dem einfachen und in ihren Augen primitiven Leben auf Terrestra konfrontiert wird. Den dortigen Zuständen tritt sie zunächst mit einer Mischung aus Faszination und Arroganz gegenüber, um dann mit der Zeit festzustellen, dass einfaches Leben nicht automatisch schlechtes Leben bedeuten muss. Ihre Bezugsperson in dieser für sie fremden und sie zum Teil verstörenden Welt ist Djuma, der das Mädchen vom Planeten Unionia (der früheren Erde) mit den Gepflogenheiten und nicht zuletzt auch mit der Schönheit seiner Heimat vertraut macht. Mayras anfängliche Geringschätzung von Terresta unterscheidet sich dabei kaum von jener Haltung, die heutzutage in den Industriestaaten immer noch gegenüber Entwicklungsländern eingenommen wird. Und genauso wie in unserer Zeit die "Erste Welt", so sind die "entwickelten Menschen" von Unionia der Meinung, den scheinbar rückständigen Terrestranern ihre Errungenschaften und Lebensweise aufzwingen zu müssen. Zur Not auch mit Gewalt. Es sind interessante und aktuelle Themen, die Marita Grimke hier aufgreift und in einem Szenario des 111. Jahrhunderts durchspielt, zumal sie keine Schwarz-Weiß-Malerei betreibt, sondern durchaus klarmacht, dass beide Welten durchaus ihre Vorzüge haben. So kann Mayras gehbehinderter Freund Fredi durch den technischen Fortschritt problemlos am alltäglichen Leben teilhaben, was ihm auf Terrestra so niemals möglich wäre. Dass Fredis Leiden jedoch auch eine seelische Komponente besitzt, hat man auf seiner Heimatwelt, wo angeborene Behinderungen durch frühzeitige Screenings des Erbguts eigentlich gar nicht mehr vorkommen, völlig aus dem Blick verloren. Dieses Wissen hingegen hat sich auf Terrestra erhalten. Die Lösung, so das Plädoyer des Buches, liegt nicht in einem Entweder-oder, sondern in einem Sowohl-als-auch.


Einbettet hat Marita Grimke diese Überlegungen in einen kurzweiligen Plot, der sich voll auf Mayra konzentriert. Sie und auch noch Djuma werden charakterlich näher ausgeleuchtet, alle anderen Figuren werden in ihren Wesenszügen bestenfalls angedeutet. Dies ist bei einem Buch für ein eher junges Publikum durchaus legitim, wie auch die Tatsache, dass die Handlung die Protagonistin absolut in den Mittelpunkt stellt. Es gibt keine Szene in dem Roman, in dem Mayra nicht vorkommt, stets bleibt der Fokus komplett auf sie gerichtet. Symbolisch für ihr Coming-of-Age ist, wie sie im Verlauf der Geschichte von einer Beobachterin immer mehr zur Handelnden wird, bis das Schicksal von Terrestra schlussendlich von ihr und ihrem Mut abhängt. Die Figur bietet gleichaltrigen Lesern sicherlich Identifikationspotential und bleibt auch für ein älteres Publikum interessant, weil die typischen Teenager-Ängste, Bockigkeiten und der unausweichliche Herzschmerz zwar vorkommen, aber nicht in unangenehmer Weise überhand nehmen. Detailreich wird das Leben auf Unionia und vor allem auf Terrestra geschildert, so dass sich im Kopf des Lesers ein gutes Bild von den Gegebenheiten einstellt, was insbesondere für die Flora und Fauna von Terrestra gilt, auf deren Beschreibung die Autorin ausreichend Zeit verwendet. Der Handlungsfaden selbst ist dicht und gradlinig gewoben, wobei Marita Grimke sich eines unaufgeregten Schreibstils bedient, der sich unnötiger Verbalakrobatik enthält. Stattdessen lässt sie die Story konsequent auf einen Showdown zusteuern, der die Ereignisse rund um Djuma und Mayra zu einem überzeugenden Abschluss bringt.
Was die zu Beginn erwähnten Fantasy-Elemente angeht, so sind diese im Übrigen nur sehr schwach ausgeprägt. Wozu manche Menschen auf Terrestra in der Lage sind, mag den Einheimischen wie Magie vorkommen – doch unterm Strich handelt es sich zum die Begabung zur Telekinese, Pyrokinese und um andere psychokinetische Fähigkeiten. Man kann sich natürlich darüber streiten, ob so etwas tatsächlich existiert, der endgültige wissenschaftliche Beweis dafür steht ja noch aus. Auch der Heiler Myrddin (wer hier bei der Namensgebung Pate stand, dürfte offensichtlich sein) ist kein Zauberer, sondern bringt lediglich sein Wissen in Sachen Naturheilkunde zur Anwendung. Als Fan der Fantasy muss man in diesem Buch jedenfalls auf die üblichen Verdächtigen wie Geister, Ghoule, Drachen usw. verzichten. Soll mir recht sein.
Mayra und der Prinz von Terrestra ist ein phantasievoll geschriebener Roman, der sein Publikum auf angenehme und kurzweilige Art unterhält und dabei einige interessante Themen aufgreift, ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu schwingen. Das macht ihn sympathisch und daher zu einem durchaus empfehlenswerten Buch. Wie im Netz zu lesen ist, soll Marita Grimke bereits an einer Fortsetzung arbeiten. Auf die bin ich schon sehr gespannt.
Die Fakten:
Titel: Mayra und der Prinz von Terrestra Autorin: Marita Grimke Umfang (Printversion): 279 Seiten Format: Taschenbuch, E-Book (Kindle, epub) Erscheinungsjahr: 2013 ISBN: 978-1493727841 Preis: € 7,99 (Taschenbuch), € 3,49 (E-Book) Bezugsmöglichkeit: u.a. Amazon