Uticha Marmon schreibt — mit einem Blick fürs Jugendliche — über markige Akzente, die durchaus nachwirken. In den Fokus ihres neusten Romans stellt sie die Gewissensfrage "Was bewegt einen Menschen, jemandem, den er liebt, dessen Vergangenheit zu verheimlichen?"
Ein großes Dankeschön möchte ich dem Magellan Verlag aussprechen! Dieses Buch hätte keine größere Überraschung in meinem Briefkasten sein können.
Cover: Magellan Verlag
~ Rezension ~Wenn du glaubst, dich selbst verloren zu haben ...
Gestern war sie noch Elin. Heute soll sie dann plötzlich Lykke sein? Ein einziger Brief katapultiert Elin in eine Welt, die ihr vollkommen fremd ist. Mit dem bleischweren Gefühl der Verlorenheit im Herzen flüchtet sie sich nach Dänemark ins Marienkäferhaus. Hier hat sie gemeinsam mit ihren Eltern — mit Liv und Martin — die wundervollsten Kindheitserinnerungen gesammelt. Das Marienkäferhaus scheint, auf der Suche nach der Wahrheit, der unumstößliche Anker, der Elin geblieben ist. Und natürlich gibt es da noch Knut, ihren herzensguten Ferienopa. Doch weshalb hat Elin plötzlich Angst, dass es mehr wissen könnte, als ihr lieb ist?
Uticha Marmons Jugendbuch Marienkäfertage erzählt auf markante Weise von der Erschütterung, die eine jähe Wahrheit mit sich bringen kann. Es stellt sich die Frage: Wie viel bleibt beim Alten und wie viel von diesem Alten wird unwiederbringlich zerstört?
Teenager Elin ist ziemlich genau so, wie man sich eine Protagonistin im Epizentrum einer solchen Auf-der-Suche-nach-sich-selbst-Geschichte vorstellt: verwirrt, fassungslos, verletzt. Ein tiefschürfender Gemütszustand, den Uticha Marmon gelungen zu porträtieren weiß. Hinzu kommt ein fein erlesenes Ensemble an Charakteren, welches Elins Geschichte auf ihren Schultern trägt. Hierzu zählen vor allem der geliebte Ferienopa, eine unkomplizierte Kindergartenfreundin und der geheimnisvolle Junge "von nebenan".
Filigran bettet die Autorin schwerwiegende Problematiken in eine Bilderbuchkulisse ein. Ein bittersüßer Kontrast, der dieses Werk charakterisiert und mir gut gefallen hat. Denn inmitten willkommener Ferienidylle muss sich Elin mit der schweren Tatsache auseinandersetzen, dass ihre Eltern gar nicht ihre (leiblichen) Eltern sind. Und schlimmer: Dass sie ihr die Wahrheit über ihre Herkunft stets vorenthalten haben. Unverzeihlicher Vertrauensbruch oder Schutz vor noch viel größerem Schmerz?
Als besonders prägnant ist gleichfalls der Schreib- und Erzählstil einzuschätzen. Nicht selten reihen sich kurze Sätze stakkatoartig aneinander. Diese beherbergen einerseits bildhaftes Feriengefühl; andererseits schneiden sie das Kapitel in Elins Leben, in welches sie eintauchen muss, um sich selbst zu finden, nur an. Das große Ganze bleibt schlussendlich der Fantasie des Lesers überlassen.
Gleichzeitig sorgt ein in die Handlung integrierter Briefwechsel für indirekte Offenbarungen, die das Puzzle ergänzen. Während es ein paar Seiten bedurfte, mich an jenen gewählten Erzählstil zu gewöhnen, trägt er im Draufblick zur Besonderheit des Buches bei.Uticha Marmon gelingt es, eine kantige Achterbahnfahrt der Gefühle altersgerecht und ansprechend zu verpacken. Obgleich einzig die jugendliche Sicht der Dinge zur Sprache kommt, so entsteht ein Bild, das Authentizität beweist. Bei aller Enttäuschung und Verwirrung ist es am Ende die Liebe, nicht die DNA, die einander verbindet. Oder?
F★ZIT: Liebevoll. Fragil. Detonierend.