Nach nur zwei Romanen ist Autorin Maggie Shipstead bereits preisgekrönt. Ihr Debütroman, “Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsschwierigkeit”, hat in den USA zahlreiche Preise gewonnen, nun folgt ihr zweiter Roman, “Dich tanzen zu sehen”.
Dieser erzählt gleich mehrere Geschichten, hauptsächlich aber die von Balletttänzerin Joan, die ihre Karriere aufgeben muss, als sie unversehens schwanger wird. Im Nachhinein wird ihr aber auch klar, dass ihr Talent bei weitem nie für eine große Karriere als Solistin gereicht hätte – auch nicht ihre unermüdliche Liebe zum berühmten Tänzer Arslan. So versucht sie, ein beschauliches Familienleben mit ihrem Sohn und ihrem Kindheitsfreund Jacob, den sie schließlich geheiratet hat, zu führen. Doch das Ballett kann man niemals ganz aufgeben.
Auch sich wenn dieser Roman letztendlich etwas von meinen vorherigen Erwartungen unterschieden hat, konnte er mich tatsächlich sehr begeistern. Die Autorin hat einen sehr außergewöhnlichen Schreibstil, liest sich aber sehr gut und die gesamte Handlung ist von der ersten bis zur letzten Seite an mit dem Ballett verbunden.
Die verschiedenen und immer wieder wechselnden Handlungsstränge, Erzählperspektiven und Zeiten könnten wahrscheinlich sehr für Verwirrung sorgen, Shipstead schafft es aber irgendwie, diese Verwirrung zu vermeiden – stattdessen gewöhnt man sich schnell an die Wechsel und heißt die Abwechslung willkommen. Dadurch ähnelt die Geschichte stellenweise auch einem Kriminalroman, da man vieles erst nach und nach erfährt oder gar selbst die verschiedenen Fäden zusammen finden muss. Insofern blieb die Handlung für mich die gesamte Zeit über spannend und interessant, obwohl kaum Spannungselemente vorhanden sind. Dafür sorgt die Autorin mit ihrem durchdachten Schreibstil selbst für eben diese aufrecht erhaltene Spannung.
Was mir desweiteren unheimlich gut gefallen hat, war, dass der Roman tatsächlich den Balletttanz zum Mittelpunkt hat. Jeder unterschiedliche Handlungsstrang hat mit dem Ballett zu tun und zeigt so im gesamten Verlauf der Geschichte die verschiedensten Aspekte des Balletts. Das sind sowohl die guten, schönen Seiten des Erfolgs als Balletttänzer, aber auch die weniger ansehnlichen Seiten, die zerschundenen Füße, der enorme Arbeitsaufwand, die große Disziplin. Und das nicht jeder, der Ballett tanzt, dazu prädestiniert ist, auch wirklich gutes Ballett zu tanzen. So ergibt sich ein sehr umfassendes Bild von allem, was das Ballett ausmacht und gleichzeitig ist es auch eine Liebeserklärung an diesen Tanz, welche jedoch mit großem Respekt davor eingeht.
Die Charaktere sind alle auf die ein oder andere Weise miteinander verbunden, erzählen aber doch ihre eigenen Geschichten. Am Ende fügt sich dafür schließlich alles zusammen, so dass man das Gefühl hat, dass sich nach zwei ganzen Generationen der gesamte Kreis wieder schließt. Ein ganz besonderes Leseerlebnis, welches sich nur schwer beschreiben lässt. Auch wenn ich mit keinem der Charaktere, auch nicht mit Protagonistin Joan, so vollkommen warm geworden bin, habe ich ihre Geschichten gerne begleitet, da sie alle Ecken, Kanten und so unterschiedliche Charakter aufweisen, dass sie dadurch nur umso authentischer wirken – auch wenn sie das manchmal weniger sympathisch macht.
“Dich tanzen zu sehen” enthält von Liebe, Freundschaft und Familie bis hin zu Betrug und Lügen alles – der rote Faden ist aber der Balletttanz mit all seinen schönen und hässlichen Seiten. Ein nicht nur interessanter, sondern auch abwechslungsreicher und spannender Roman, den ich unheimlich gerne gelesen habe und absolut empfehlen kann.