REZENSION: Lykke Li – I Never Learn (LL, Atlantic Records 2014)

9 Songs, dies ist die kürzeste Anzahl an Lieder, die Lykke Li innerhalb ihrer Karriere je in ein Album gepackt hat. „I Never Learn“ nennt sich das dritte Album der schwedischen Sängerin, die sich nach eigenen Angaben nun weg vom Pop hin zum Songwriting begeben will. Was diese Genre-fizierungen auch immer heissen mögen, eines ist gewiss: das dritte Album ist das Traurigste zugleich. 

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KANONENSCHÜSSE UND SILBERSTREIFEN: EINIGE WORTE ZUM ALBUM
Geht eine Liebe zu Ende kann dies schnell einmal an die Nieren gehen. Der Körper produziert Chemikalien, die einem sagen, dass man durch solch seelisches Leid niemals mehr hindurch möchte, man leidet. Ist das Leiden jedoch so gross, dass sich die Seele nicht in Ruhe erholen kann, da kommt die Kunst ins Spiel, (wir zählen da die Musik mal dazu). Die Lieder auf „I Never Learn“ erinnern an den Powerpop der 80er Jahre – an melodienreiche Balladen, welche nicht mehr aus dem Gehör zu schlagen sind. Harmonisch eher anspruchslose Lieder mit grossem Ohrwurmeffekt: „Love Me Like I´m Not Made Of Stone“ ist eines der zurückhaltendsten Stücklein des Albums und erinnert vielleicht an „I Know Places“ des letzten Lykke Li Albums „Wounded Rhymes“.

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Die mit “you” betitelte Liebe ist nicht da, die Ansprache richtet sich also an eine stilistisch heraufbeschworene Person. Ein im Traum erschaffener Adressat. Demnach unausweichlich vorhanden, sind Träume und Zwischenwelten. Kunst wäre nicht Kunst würde dieses “0815-Breakup-Gefühl” nicht (dauernd) poetisiert werden. „Just Like A Dream“ ist eine künstliche Rückbeschwörung der Liebe innerhalb eines Traums. „Never Gonna Love Again“ ist eine vermeintliche Verschwörung gegen alle Zweisamkeit.
Wieso vermeintlich? Die Irrationalität der Differenzierung vom Gefühl der Liebe wird deutlich durch Zeilen wie „every time the rain falls think of me“. Denn sobald die im Regen verflossene Person umkehrt, wäre das gekränkte Liebesgefühl wieder intakt. Hier hat man ein schwedisches Popstück aus den Achtzigern, man denke an Roxette und “It Must Have Been Love”. “Gunshot” ist der abgrundtief trübste Song des kurzen Albums und besitzt einen einschlägigen Chorus. Der Song ist ebenso verzweifelt, wie schön. Irgendwo wird innerhalb dieses oberflächlich traurigen Albums etwas ganz hell.

LYKKE LI – GUNSHOT

” (…) And I ache, while you’re not here
Feel you aching
Wide awake, why you’re not here
I can feel you firing straight into my heart

Goes through my head and back
Gunshot, can’t take it back
My heart cracked, really loved you bad
Gunshot, never get you back, never get you back”

LYKKE LI – NO REST FOR THE WICKED (MUSIKVIDEO)
“No Rest For The Wicked” war die erste Single, die Lykke Li rausgehauen hat. Die Single der Single (see what we did there?) ist sehr melodienreich und zeigt textlich – wieder einmal – eine Resignation.

“There’s no song for the choir”, singt Li darin unter anderem. (Fun Fact: Im Song  “Heart Of Steel” genau dieser, ein Chor.) Ein Widerspruch abermals, aber wie heisst der Albumtitel doch so passend: “I Never Learn”.

>>„I NEVER LEARN“ – MAKE UP ZUM BREAKUP? EIN FAZIT<<
Nun nach der ewigen Leier der Trauer fragen wir uns, gibt es auch einen fröhlichen Track? Der Silberstreifen am Horizont. Ha! „Silver Line“ ist dem Titel nach der fröhlichste, juhu. Doch wie bei einem Buchcover, soll man auch einen Song nicht anhand seines Titels verurteilen. Die Line im Chorus „Silver Line“ wird beinahe weinend gesungen und auch sonst ist das Lied eher bittersüss als freudig. Die variantenreiche Perkussion im Hintergrund schmückt das Lied, welches vom rettenden Traumzustand handelt, in den sich manche begeben, um nicht an der Welt zu zerbrechen. Ist das ganze Album also bloss eine Ansammlung an Heartbreak-Heartache-Stücken? 32min Kissenflennen? Das wäre zu einfach. Die Art, wie die Stücke inhaltlich sich immer wieder dialogartig widersprechen, spiegeln die innere Zerrissenheit (oder gehen einfach nicht auf, eins von beiden). Es müsste jedoch kein Album darüber geschrieben werden, denkt man zunächst, gibt es doch derer schon viele. Rachealben, „schau wie arm ich bin“-Alben etc. Nichts Neues also, aber Lykke Li bringt die Effekte eines Breakups auf den Punkt, subjektiv, zerbrochen, ernst und ehrlich. Es ist eben nicht nur eine im Stolz verletze Seele, die hier zufällige Ohrwurm-Melodien raushaut. Vielmehr ist “I Never Learn” eine liebevolle Kriegserklärung an die natürliche Unausgeglichenheit in der Welt.

Highlights: “Never Gonna Love Again”, “No Rest For The Wicked”, “Gunshot”, “I Never Learn”, “Just Like A Dream”
Lowlights: “Love Me Like I´m Not Made Of Stone”, “Heart Of Steel”
Bewertung: 7 / 10

SPOTIFY – Hier das Album in voller Länge anhören:

KEEP BUZZIN

…Und nun könnte die gute Lykke doch etwas The Vaccines hören. :)


Tagged: album of the day, Albumkritik, Atlantic Records, I Never Learn, Indie, LL, Lykke Li, Rezension, Roxette

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