[Rezension] Love, Ellen (Betty DeGeneres)

Von Creativityfirst
Betty DeGeneres: Love, EllenAls die US-amerikanische Entertainerin Ellen DeGeneres 1997 den mutigen und endgültigen Schritt ging, sich öffentlich als homosexuell zu outen, lagen hinter ihr und ihrer Familie bereits Jahrzehnte des Versteckspiels. Eine zermürbende Zeit, welche zugleich insbesondere das Band zwischen Ellen und ihrer Mutter Betty unvergleichlich festigte.
In ihrem Buch beschreibt Betty DeGeneres die gemeinsame Reise aus ihrer Sicht. Dabei gesteht sie, wie verletzend und egoistisch ihre Gedanken ihrer Tochter gegenüber anfangs waren. Eine beeindruckende Offenheit, wie ich finde. Überhaupt glänzt dieses Buch für mich durch seine uneingeschränkte Ehrlichkeit. Dass Betty DeGeneres unzähligen Menschen ganz gleich, wen sie lieben— aus der Seele spricht, ist für mich unverkennbar. Und trotz des Erscheinens dieses Buches in den späten 1990er Jahren hat die Botschaft an Dringlichkeit und Signifikanz nichts verloren.


~ Rezension ~


Bedingungslose Aufrichtigkeit ist das größte Geschenk.

Betty DeGeneres wächst konservativ in den 1930er Jahren in einem behüteten und gleichermaßen verschwiegenen Elternhaus auf. Die Familie ist füreinander da, allerdings wird sich emotionalen Kontroversen eher mit Stillschweigen gewidmet. Als Betty, inzwischen selbst stolze Mutter zweier Kinder, eines Nachmittags mit ihrer Tochter Ellen zu einem Strandspaziergang aufbricht, ahnt sie nicht, dass die kommende halbe Stunde ihr Weltbild und damit ihre Einstellung zu gesellschaftlichen Normen und Menschenrechten vollkommen verändern wird. Denn Ellen gesteht ihrer Mutter, dass sie Frauen liebt. Ein Schock für Betty. Nichtsdestotrotz zögert sie keine Sekunde, ihrer Tochter für ihr Vertrauen und ihre Aufrichtigkeit zu danken und ihr ihre unerschütterliche Mutterliebe entgegenzubringen. Dass Ellen in den nachfolgenden Jahrzehnten zu einer der angesehensten Entertainerinnen der USA mit einzigartiger Vorbildrolle und Betty zur engagierten Aktivistin für die Rechte Homosexueller werden soll, weiß 1978 noch niemand.

In ihrem Buch Love, Ellen blickt Betty DeGeneres auf ihr Leben als Ehefrau und Mutter zurück. Dabei reflektiert sie unumwunden eigene Schwächen und erzählt voller Stolz, wie sehr sie dank ihrer Tochter Ellen DeGeneres zu einem toleranteren Menschen mit einer Herzensangelegenheit geworden ist.


Die von Betty DeGeneres beschriebene Achterbahn des Lebens könnte turbulenter kaum sein. Von der jungen Frau auf der Suche nach der familiären Erfüllung über die Schockstarre nach dem Comingout ihrer Tochter bis hin zur international beliebten Repräsentantin einer Gesellschaft, die akzeptiert, anstatt verurteilt.
Offen und direkt spricht die Autorin nicht nur die Missstände einer modernen Gesellschaft an, sondern sie gesteht nicht weniger ihre eigene Unwissenheit, Angst und Unsicherheit. Betty DeGeneres lässt Nähe zu und gewährt damit Einblicke, die bewegen. Bewegen, etwas verändern zu wollen. Für mich eine unglaubliche Stärke dieses Buches.

Mit ihrer Geschichte möchte die Autorin und Mutter einer homosexueller Tochter zeigen, wie schwer und gleichzeitig unheimlich befreiend es ist, sich selbst einzugestehen, dass Liebe etwas Grenzenloses ist.

Ihr persönlicher Hintergrund macht sie zu einer der besten Botschafterinnen dieser Mission. Denn Betty DeGeneres wirft stets einen Blick auf das Ganze. Sie kann das Hadern und den Schreck absolut nachvollziehen, doch erhebt dabei ihre Stimme vehement gegen Ignoranz und Ablehnung.

Mit einer Vielzahl von berührenden Geschichten, die ihr Menschen im Laufe ihrer Tätigkeit als Mitglied von P-FLAG (Parents, Friends and Family of Lesbians and Gays) erzählt haben, unterstreicht sie die Wichtigkeit einer für Gleichberechtigung stehenden Gesellschaft. Eine Mission, die sie unermüdlich verfolgt. Sie räumt mit gängigen Vorurteilen auf und macht Mut — sowohl den Homosexuellen selbst als auch deren Familien und Freunden. In einer Welt zwischen Selbstverständlichkeit und rigoroser Religiosität eine nach wie vor notwendige Aufgabe. Eines ist sicher: Die großherzige Philanthropie, welche in jedem einzelnen Kapitel mitschwingt, setzt Ausrufezeichen und ergreift während des Lesens. 

In der Summe ein Buch, dessen Botschaft ausdrücklicher, persönlicher und aufrichtiger nicht sein könnte: Die Liebe zwischen Eltern und Kindern ist etwas Bedingungsloses, das als unerschütterlicher Fels in der Brandung gesellschaftlicher Spannungsfelder stehen muss. Nichts ist kostbarer als Familie und Freunde, die einen akzeptieren, wie man ist.


FZIT: Lebensnah. Konsequent. Aufrichtig.