Für die meisten Menschen ist Lesen ein Zeitvertreib: Ein gutes Buch gehört für viele zum Feierabend einfach dazu. Doch Bücher können noch mehr, wenn es nach der Bibliotherapie geht. Durch sie ist nach Sicht der Befürworter Heilung möglich. In Lesen macht gesund widmet sich Professor Dr. med. Silke Heimes, Gründerin des Instituts für Kreatives und Therapeutisches Schreiben (IKUTS), den Hintergründen und Potenzialen dieser Methode.
Bibliotherapie schon lange bekannt
Die Bibliotherapie blickt auf eine lange Tradition zurück. In Lesen macht gesund erfahren wir, dass bereits der Arzt Maimonides seinen Patienten anno 1198 die Anregung vitaler Kräfte durch Lesen empfahl. Über die Jahrhunderte verbreitete sich die Therapie durch Bücher in Europa und den USA. Spätestens seit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Poesie- und Bibliotherapie wird das Verfahren auch hierzulande praktiziert.
Der therapeutische Ansatz
Laut Deutschem Ärzteblatt kann die Bibliotherapie Depressionen lindern. Auch soll sie weiteren Studien zufolge bei Verhaltensstörungen, chronischen Schmerzen und sogar Krebsleiden helfen [¹][²][³]. Wissenschaftler machen hierfür das limbische System verantwortlich. Beim Lesen wird dieses Hirnareal aktiviert, wir spüren Emotionen, fühlen uns wieder lebendig. Silke Heimes beschreibt im Buch unter anderem folgende Vorteile der Bibliotherapie:
- Hilfe und Heilung
- Entwicklung und Förderung
- Rückzug und Erholung
- Orientierung und Halt
- Ermutigung und Mobilisierung
- Trost und Resilienz
- Selbsterkenntnis und Gefühlsschlüssel
Professorin Heimes geht mit schlanken Beschreibungen und einem gehobenen aber leicht verständlichen Stil durch die einzelnen Kapitel, ohne sie unnötig aufzublähen. Dabei bezieht sie sich auf andere Wissenschaftler und deren Erkenntnisse. Wer sich also einen ersten Überblick über die Bibliotherapie und ihre Wirkungsgebiete verschaffen will, ist mit Lesen macht gesund gut beraten.
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Grenzen und Risiken der Bibliotherapie
Wie bei jeder medizinischen Behandlung gilt: Die Bibliotherapie ist kein Allheilmittel. Im Kapitel “Grenzen und Nebenwirkungen” schreibt Heimkes daher:
Die emotional anrührende und mitunter aufwühlende Wirkung eines Buches kann die bisher genannten positiven Wirkungen haben, zugleich aber auch so heftig sein, dass wir mit den hervorgerufenen Gefühlen nur schwer zurechtkommen, insbesondere dann, wenn sie uns unangenehm sind.
Darüber hinaus bezieht sie sich auf die Gefahr der Überidentifikation, auch bekannt als sogenannter Werther-Effekt. Demnach soll Goethes Geschichte von 1774 junge Männer zum Selbstmord angestiftet haben. Das gleiche wird auch Medien unterstellt, die über Suizide berichten.
Allerdings bestehen Zweifel an dieser Theorie, wie der Papageno-Effekt zeigt. Demzufolge kann eine Berichterstattung über Suizide künftige Selbstmorde sogar verhindern, wenn bei der Berichterstattung die Seriosität im Vordergrund steht.
Tipp: Lesen Sie auch den Beitrag: Was ist Poesie-Therapie?
Ein aktuelles Beispiel für den Werther-Effekt ist übrigens die Debatte um die Netflix-Serie “Tote Mädchen lügen nicht”. So forderte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ein Verbot der Serie mit folgender Begründung:
Medial präsentierte Suizide ziehen häufig Nachahmertaten nach sich: der so genannte Werther-Effekt. Deshalb gibt es internationale Richtlinien, wie über Suizide berichtet wird. Die Netflix-Serie missachtet diese Richtlinien. Sie zeigt den Suizid drastisch und detailliert. Jugendliche, die sich mit der Idee der Selbsttötung beschäftigen, werden durch die Serie möglicherweise in Richtung Tat beeinflusst. Zumal sie auch zeigt, WIE ein Suizid gelingen kann. Wir fordern daher ein Verbot dieser Serie.
Geschichten können nach dieser Sichtweise also auch gefährlich sein. Umso wichtiger ist es, die Bibliotherapie in einen zusammenhängenden psychotherapeutischen bzw. psychiatrischen Kontext einzubetten, wie auch Silke Heimes mehrfach betont.
Fazit
Bei Lesen macht gesund: Die Heilkraft der Bibliotherapie
HEIMES, SILKE: Lesen macht gesund. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, 143 S., 15,00 €
Die Autorin
Prof. Dr. med. Silke Heimes ist Ärztin, Poesietherapeutin, Autorin, Künstlerin sowie Professorin für Journalistik mit dem Schwerpunkt Wissenschaftsjournalismus an der Hochschule Darmstadt. Sie ist weiterhin Gründerin und Leiterin des Instituts für Kreatives und Therapeutisches Schreiben (IKUTS).
Im Netz
Twitter WebsiteWeitere Quellen ([¹][²][³])
- Bibliotherapie als Behandlungsmöglichkeit bei Kindern mit externalen Verhaltensstörungen
- Psychologische Interventionen bei chronischen Schmerzen
- Mit dem Krebs besser leben
Anm.: Ich bedanke mich bei Vandenhoeck & Ruprecht für die Zusendung eines Rezensionsexemplares.