Rezension: Kurt Vile – Bottle It In (Matador Records 2018)

Erstellt am 14. Oktober 2018 von Wavebuzz

„Bottle It In“ – das achte Studioalbum des amerikanischen Songwriters Kurt Vile – verpackt tiefsinnige Alltagspoesie in eine entschleunigende Stoner-Ästhetik und bietet seinen Hörern Einsicht in Viles kuriose Gedankenwelt.

Kurt Vile sollte mittlerweile fast jedem Liebhaber der Indiemusik (und Pitchfork-Leser) ein Begriff sein. Wenn der amerikanische Songwriter neue Musik veröffentlicht, kann sich die Musikpresse vor Lob zumeist kaum halten. Doch Vile knüpft mit „Bottle It In“ nicht einfach an seinen bisherigen Erfolg an: Unruhiger als „Smoke Ring For My Halo“, weniger sommerlich-leicht als „Wakin on a Pretty Daze“ und in seinem Tempo deutlich inkonsistenter als „b’lieve i’m goin’ down“ präsentiert sein neues Album ein Sammelsurium von Momentaufnahmen aus dem Leben und Denken des dauerhighen Songwriters.

Der Einstieg des Werks ist aber typisch Vile: Im ersten Song „Loading Zone“ wechselt der Songwriter zwischen Tremolo und Fingerpicks, während er in humorvoller Manier seine Heimatstadt Philadelphia besingt. Sowieso scheint Heimat für den Sänger und Gitarristen ein wichtiges Leitmotiv darzustellen. Das zeigt sich etwa bei „Bassackwards“, wobei er das Gefühl beschreibt, wie es ist, in die Ferne zu reisen aber niemals anzukommen. Denn die Flucht vor der Heimat, so singt Vile, ist oft nur ein erfolgloser Versuch „to fill the void“.

Neben heimatsgewandter Melancholie schlägt der Songwriter aber auch beinah ungewohnt poppige Töne an. Das Gitarrenriff und der eingängige Schlagzeugbeat am Anfang von „Yeah Bones“ erinnern an The War On Drugs – bei denen Vile selbst Gründungsmitglied war. Das Adjektiv „poppig“ trifft auch auf „One Trick Ponies“ zu, den Song, der beim ersten Durchhören am meisten Wiedererkennungswert aufweist.

Aber Kurt Vile wäre nicht Kurt Vile wenn er sich bezüglich des Genrespektrums mit Indiepop begnügen würde. Auch seine bekanntlich hohe Affinität für Country-Elemente macht sich „Botte It In“ bemerkbar. „Rolling With The Flow“ und das Banjo-lastige “Come Again” versetzen Country-Romantik in ein urbanes Setting, sind aber songwriterisch weiter nichts Besonderes.

Wenig überraschend sind also die tiefsinnig – und zugleich stärksten – Songs des Albums weder besonders poppig, noch besonders Country-esk. Beinahe Kulturpessimistische Töne schlägt Vile etwa mit „Check Baby“ an. Dabei beschreibt er den Druck, ständig immer alles unter Kontrolle zu haben, und appelliert für mehr Kontrollverlust, ohne den wir uns letztendlich alle ins Elend stürzen würden. In eine ähnliche Richtung geht der Titelsong “Bottle It In“, in dem Vile den Zustand besingt, wie es ist, Gefühle in eine metaphorische Flasche einzuschliessen.

Don’t tell them that you love them for your own sake
cause you never know when your heart’s gonna break
and that’s a chance we just can’t take.

„Mutinies“ ist ein Aufruf zur Entschleunigung in Zeiten der konstanten Reizüberflutung, die für Vile insbesondere aus der ständigen Vernetztheit durch Mobiltelefone resultiert.

The mutinies in my head keep staying
I take pills on pills to try and make ‚em go away
Small computer in my hand explodin‘
I think things were way easier with a regular telephone-ment

Ebenfalls dem Motiv der Entschleunigung folgend, aber deutlich düsterer als „Mutinies“ – wenn nicht sogar düsterer als die meisten bisherigen Vile-Songs – ist „Cold was the Wind“. Die konstante Reizüberflutung macht nicht nur wahnsinnig, so suggeriert es der Song, sondern lässt uns vergessen, über Wesentliches – etwa den Tod – nachzudenken.

On the plane I’m drinking red wine
‘cause like everybody else I’m afraid to die.
Did I mention that I’m afraid of dying,
think I heard my daughter crying.
So I pick her on up, spin her around, live it on up, of what I found.

Und ja, richtig gelesen: Kurt Vile hat eine Tochter. Dieser ist nämlich auch der letzte Song des Albums „Skinny Mini“ gewidmet. Die Liebeserklärung an seine Tochter rundet das Sammelsurium der Vile’schen Gedanken- und Gefühlswelt schön ab.

Fazit:

Nicht immer tragen das langsamere Tempo und die wirren Lyrics zu einem stimmigen Gesamterlebnis des Albums bei. Vile ist ein Denker, doch nicht immer gelingt es ihm, seine Gedanken musikalisch und lyrisch für Zuhörer nachvollziehbar zu machen. Zeitweilig driftet er etwas zu stark in seinem Sammelsurium ab. Etwas mehr Konzept hätte dem einen oder anderen Song gut getan.

Dennoch gelingt es Kurt Vile, scheinbar banale Alltagsbeobachtungen in poetische Worte  und eingängige Gitarrenriffs zu fassen, weshalb „Bottle It In“ nicht nur thematisch abwechslungsreicher, sondern auch deutlich tiefsinniger als seine Vorgänger wirkt. Trotz kleiner Mängel ist es ihm also erneut gelungen, ein Indiealbum mit Wiedererkennungswert zu kreieren, das nicht bloss im Genresumpf unterzugehen droht.

8/10