Kira Mohn | Kyss | Klappenbroschur | 12,99€ | 416 Seiten | 23.07.2019 | ISBN: 978-3499275996
- "Na ja. Sechs Monate Einsamkeit ... und dann kriegst du ausgerechnet jemanden wie Kjer regelmäßig zu Gesicht.Da kann man schon mal schwach werden." Sie zwinkert mir zu."Lass dir nur nicht das Herz brechen." - S. 81
Auszeit! Diese Überschrift schreit Liv geradezu an, als sie deprimiert Stellenanzeigen durchforstet. Nach dem Journalistik-Studium wollte sie eigentlich durchstarten, aber ein verpatztes Interview hat sie gerade den ersten Job gekostet. Da hört sich die Anzeige, in der für sechs Monate ein Housesitter für einen Leuchtturm auf einer kleinen Insel vor der irischen Küste gesucht wird, wie ein Traum an. Eine Auszeit ist genau das, was sie jetzt braucht. Sie bewirbt sich, und nur wenige Wochen später steht Liv vor ihrem neuen Zuhause. Und zwar zusammen mit einem gutaussehenden Iren, der ihr Herz erst zum Klopfen, dann zum Überlaufen und schließlich zum Zerbrechen bringt … (Kyss)
Das absolute Highlight des Romans ist Livs Entwicklung und der malerische Ort bzw. die unglaublich ausdrucksstarke Atmosphäre der irischen Insel, die mich in den Bann gezogen hat. Da die Autorin auf den ersten 60 Seiten Livs kompliziertes und karges Leben vorstellt und wir in Ruhe diese entzückende junge Frau kennenlernen können, baut der Leser schnell eine enge Beziehung zur weiblichen Hauptprotagonistin auf. Ich habe Liv nach kurzer Zeit ins Herz geschlossen und mich sehr gefreut, sie auf ihrem irischen Abenteuer zu begleiten. Wir erhalten durchgehend einen detaillierten Einblick in Livs Gefühl und Gedankenwelt, lernen ihre Ecken und Kanten kennen und fühlen auf einer sehr intensiven Art mit der Figur mit. Liv ist zwar auf einer einsamen Insel mit einem Leuchtturm namens Matthew, aber ihre Gedanken sind schrill, laut und aufregend!
Mein einziger, aber stärkster Kritikpunkt ist die Liebesgeschichte. Kjer und Liv - eine Konstellation, die es mir schwergetan hat, den Roman ins Herz zu schließen. Einzeln betrachtet sind beide Figuren unheimlich interessante Persönlichkeiten: Liv ist aufgeweckt, trotz vieler Ängste mutig, sehr herzlich, aber etwas naiv (sie verknallt sich trotz vieler doch sehr nervigen Warnungen der Inselbewohner Hals über Kopf in Kjer). Kjer hingegen ist eher verschlossen, ruhig, teilweise kühl und unverschämt, wenn man ihm zu nahe kommt. Liv ist bereit, ihr Herz zu öffnen. Kjer hingegen ist nur an Affären interessiert und weist tiefere Gefühle rigoros ab, sodass Livs Gefühle nur verletzt werden können. Der Leser weiß recht schnell, dass es in eine Katastrophe enden wird. Ich habe Kjer leider durchgehend als unsympathische Person wahrgenommen: Er achtet nicht auf die Gefühle anderer Menschen; wird von der gesamten weiblichen Inselbevölkerung nur auf das Äußere reduziert und als „Toyboy“ abgestempelt, mit dem man nur im Bett Spaß haben könne; hat für meinen Geschmack zu viele konstruierte Schicksalsschläge hinter sich, die ich als überdramatisiert und unrealistisch empfunden habe, die dann noch „rechtfertigen“ sollen, dass er sich so fies gegenüber Frauen benehmen darf. Nein. Kjer war mir durchgehend ein Dorn im Auge und ich glaube, diese negative Wirkung auf mich ist definitiv kein beabsichtigter Aspekt der Autorin. Ein Punkt, der mich bezüglich der Liebesgeschichte auch gestört hat, ist die knappe Kommunikation unter den Protagonisten. Kjer ist ein äußerst zurückgezogener, wortkarger Mann, mit man sich – so erschien es mich - nicht unterhalten kann. Es gibt nur wenige lange, intensive, aufschlussreiche Gespräche zwischen Kjer und Liv. Somit hatte ich das Gefühl, dass die Geschichte nicht tiefgründig werden kann.
Der Schreibstil von Kira Mohn ist locker, leicht und sehr angenehm zu lesen. Mich haben vor allem die realistischen und atmosphärischen Naturbeschreibungen fasziniert. Das Buch wird regelrecht lebendig: das beruhigende Rauschen der Wellen, die schreienden Möwen am bewölkten Himmel, der stürmische Wind, der knirschende Kiesweg zum Leuchtturm, die funkelnden Sterne und das reflektierende Mondlicht. Nicht nur Liv fühlt sich wahnsinnig wohl in Irland, sondern auch der Leser entwickelt eine Bindung zu diesem besonderen Land. Klasse!
Es gibt einige ungeklärte Leerstellen in der Geschichte, die mich enttäuscht zurückgelassen haben. Zum einen interessiert mich der Ausgang der problematischen Mutter-Tochter-Beziehung und die emotionale Geschichte des alten Leuchtturmbesitzers. Beide Aspekte werden in meinen Augen viel zu intensiv behandelt, um später nicht wieder aufgegriffen zu werden. Schade. Vielleicht erhalten wir in den Folgebänden mehr Informationen.
Story ♥♥♥,♥/5Charaktere ♥♥♥♥/5 Gefühle ♥♥/5Spannung ♥♥♥,♥/5Schreibstil ♥♥♥♥,♥/5 Ende ♥/5
Vielen Dank für das Rezensionsexemplar Kyss.
Rezensionsexemplare beeinflussen nicht meine subjektive Meinung.
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