Rezension | "Kernstaub: Über den Staub an Schmetterlingsflügeln" von Marie Graßhoff

| CreativeSpace | Taschenbuch | 822 Seiten | €19,00 | Amazon |


Mara ist der letzte Störfaktor in einem Milliarden von Jahren alten Zyklus. Seit Hunderten von Leben ist sie auf der Flucht vor den Wächtern des Systems, die mit dem Mord an der jungen Frau den Weg aller Seelen zur Ewigkeit ebnen sollen. Auf ihrer Reise durch neue Welten und fremde Dimensionen stellt sie sich der Frage ihrer eigenen Bedeutung und begegnet einem Freund aus alten Leben, der sie durch die Wirren der Existenz zu leiten versucht. Doch während ihr mit dem Wiedererlangen der Erinnerungen aus vergangenen Zeitaltern die Augen geöffnet werden, erkennt Mara, dass die Welt, in der sie bisher lebte, nichts weiter war als ein schöner Traum. 




Geschichten leben von der Magie der Worte. Dem einfachen Verbinden von Worten zu Sätzen zu Bildern im Kopf. In "Kernstaub" wird der einfach Vorgang des Aneinanderreihens von Worten zum Kunstwerk, indem jeder Satz ein eigenes kleines Gedicht und mit doppelten Böden und kleinen Falltüren ausgestattet ist. Die komplexe Handlung, die sich kaum in ein Genre schieben lässt, tut ihr Übriges und schon mit den ersten Sätzen weiß man, dass man mit diesem Buch definitiv keine Massenware in der Hand hat. Im Gegenteil: die faszinierende Mischung aus Science Fiction, Zeitreiseroman und Dystopie ist garantiert etwas, das man so noch nie gelesen hat und eingefasst in den beeindruckenden Schreibstil bekommt der Leser ein Werk voller Eindrücke geliefert, dass sich mit nichts vergleichen lässt. Auf achthundert Seiten mit extrem kleiner Schrift findet man viele Emotionen und Gedanken, die einen dann und wann zu überrollen drohen. Viel Lärm um nichts also?
Nicht unbedingt, aber teilweise hatte ich schon das Gefühl, dass viele alltägliche Tätigkeiten ein wenig zu sehr in die Länge gezogen werden, was zwar bei dem tollen Schreibstil kein Drama ist, auf Dauer aber doch von der eigentlichen Geschichte ablenkt. Die ist anfangs nämlich so vielschichtig, dass man auf den ersten hundert Seiten nicht unbedingt viel versteht und sich erst einmal ein wenig einlesen muss, bevor die Geschichte einen in den Bann ziehen kann. Über das gesamte Buch hinweg werden immer wieder Brotkrummen gestreut, die dafür sorgen, dass man das große Ganze in kleinen Schritten zu verstehen lernt und selbst diese kleinschrittigen Informationen verlangen einiges an Konzentration. Wer also einfach durch ein Buch rauschen möchte und sich berieseln lassen will, wird bei "Kernstaub" nicht unbedingt auf seine Kosten kommen, denn hier ist - meiner Meinung nach - aufmerksames Lesen erforderlich. In diesem Fall ist die Länge des Buches also wirklich gerechtfertigt, allerdings hätten ein paar Dinge tatsächlich kürzer sein können. Gerade zum Ende hin, wenn man endlich wissen möchte, was geschieht, können die langen und vielen Beschreibungen ganz schön an den Nerven zerren.


Die Figuren sind allesamt ebenso komplex wie der Plot selbst. Da die Geschichte aus vielen unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird, bekommt man immer wieder neue Einblicke in das Geschehen und lernt so nach und nach immer mehr von dieser fremden Welt kennen, die Marie Graßhoff dem Leser serviert. Protagonistin Mara ist dabei sicherlich keine leichte Figur, wirkt sie die meiste Zeit doch sehr ängstlich und scheu, um dann später völlig verändert zu sein, was seine Gründe hat, aber dennoch erst einmal verarbeitet werden muss. Jede Figur aus "Kernstaub" ist schwierig und dreidimensional, allerdings gibt es nur wenige wirkliche Sympathieträger, was es teils ein wenig schwer macht, sich voll und ganz auf die Charaktere einzulassen. Dennoch wollte ich immer wissen, wie es weitergeht und hatte nie das Gefühl, eine allzu große Distanz zu den Figuren zu haben, was vermutlich unter anderem an dem Schreibstil liegt, der viel von den einzelnen Personen verraten und viele Einblicke zugelassen hat.
Neben dem Schreibstil und den vielschichtigen Figuren ist wohl die Welt und die Idee hinter "Kernstaub" mit am beeindruckendsten. Es steckt derart viel Phantasie und Tiefe in der Geschichte, dass man es manchmal kaum fassen kann - wortwörtlich. Der Roman erscheint manchmal so völlig fremdartig, dass es schwer ist, sich alles vorzustellen, aber gleichzeitig bringt die Autorin mit ihrem wortgewaltigen Stil auch so viele Bilder mit sich, dass es eben doch gelingt. Ein kleiner Widerspruch, aber anders kann ich es nicht in Worte fassen, schließlich hat mich "Kernstaub" einfach nur beeindruckt und fasziniert zurückgelassen. Eine faszinierende Idee in Form einer Dystopie, aber irgendwie auch nicht, mit Fantasy-Elementen, aber irgendwie auch nicht, und eine Prise Science Fiction ist auch dabei. Hinzu kommt die Thematik der Wiedergeburt, sowie philosophische Ansätze zur Existenz und dem Sein an sich, die den Reihenauftakt definitiv besonders, aber eben auch nicht massentauglich machen. Eine Tatsache, die mir persönlich jedoch gut gefallen hat. Wer etwas abseits der herkömmlichen Dystopien/Science Fiction Romane sucht, - etwas, das sich nur schwerlich in ein Genre drücken lässt und mit einem poetisch/metaphorischen Stil aufwartet - der sollte "Kernstaub" definitiv lesen!

Wer etwas über den Staub an Schmetterlingsflügeln, der Existenz von Leben und einer faszinierenden Geschichte lesen will, ist bei "Kernstaub" goldrichtig. Eine unvergleichliche Idee und ein atemberaubender Schreibstil voller doppelter Böden sorgt für ein besonderes Leseerlebnis und erzählt eine Geschichte, die man nicht einfach so eben weglesen kann. Zwar waren einige Stränge und Tätigkeiten etwas zu sehr in die Länge gezogen, sodass es ab und an schwerfällt, dem Geschehen aufmerksam zu folgen, doch irgendwie gehörte genau das auch einfach zum Buch, und macht es noch wirkungsvoller. "Kernstaub" ist kein Buch für jedermann, aber definitiv eine willkommene Abwechslung vom Einheitsbrei, die mich absolut beeindruckt hat und ein Buch voller Post-Its zurückgelassen hat. Lesen!

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