[Rezension] Joanna Rakoff – “Lieber Mr. Salinger”

9783813505153_CoverIn ihrem Roman “Lieber Mr. Salinger” erzählt Joanna Rakoff davon, wie sie im Jahr 1996 nach New York kommt, mit ihrem Freund in eine Wohnung zieht, die eher die Bezeichnung “Bruchbude” verdient und vor allem wie sie ihren ersten Job in einer Literaturagentur antritt. Vollkommen ohne Erwartungen und breitere Kenntnisse fängt sie als Assistentin der Chefin der Agentur an und verbringt die meiste Zeit damit, Briefe abzutippen – auf einer Schreibmaschine, da die Agentur sich noch nicht digitalisieren möchte. 1996 kommen Computer erst in die Mode.

Das Besondere an dieser Geschichte ist aber die Tatsache, dass diese Literaturagentur den berühmten Autor J.D. Salinger vertritt. Joanna hat selbstverständlich schon von seinen Werken gehört, aber noch keines davon gelesen. Erst als sie selbst am Telefon ein wenig ins Gespräch mit dem Autor kommt und vor allem als sie seine Fanpost von zahlreichen begeisterten Lesern liest, merkt sie, wie besonders dieser Autor ist.

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Genau wie Joanna erging es auch mir: als ich ihre Geschichte gelesen habe, waren mir die Werke Salingers vollkommen unbekannt. Selbstverständlich sind mir der Autor und vor allem der Titel seines bekanntesten Werkes “Der Fänger im Roggen” (“The Catcher in the Rye”) ein Begriff, aber bisher habe ich es tatsächlich noch nicht gelesen. Da besteht ohne Frage großer Nachholbedarf, dem ich nun umso mehr nachgehen möchte.

Aufgeteilt in die vier Jahreszeiten, liefert Joannas Geschichte nicht nur einen spannenden Einblick in das Leben in New York, welches alles andere als leicht ist, wenn man als Berufsanfängerin und mit nur einem Assistentenjob kaum etwas verdient. Es ist fast schon zu schade, drei viertel des mickrigen Gehalts in die Miete einer winzigen Wohnung ohne Spülbecken und Heizung zu stecken oder sich am Tag nur von Äpfeln und Kaffee zu ernähren, weil das Budget nicht mehr zulässt. Doch nebenbei bekommt man als Leser auch einen wunderbaren Einblick in die Abläufe einer Literaturagentur und das Geschehen in der Literaturwelt an sich. Knapp zwanzig Jahre befinden sich zwischen dem Erzählzeitpunkt im Roman und der heutigen Gegenwart – und doch scheinen sich viele Dinge nicht groß verändert zu haben; an anderen Stellen gibt es dafür gewaltige Unterschiede. 1996 befinden wir uns vor allem mitten im Wandel zur Digitalisierung – Computer kommen so langsam aber sicher in die Mode, in den ersten Büros werden ausschließlich E-Mails versendet, Recherchen werden zunehmend mit Hilfe des Internets – in welches man sich aber erst einwählen muss, getätigt und Briefe, Verträge, Manuskripte können mittlerweile fotokopiert werden, statt sie mehrmals mit der Schreibmaschine abzutippen. Diese Einblicke fand ich unheimlich spannend, auch wenn ich diesen Wandel schon gut selbst mitbekommen habe.

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Das Spannendste aber an der gesamten Geschichte ist, wie man förmlich sieht, wie sich Joanna in der Zeit weiterentwickelt, wie sie erwachsener zu werden scheint. Die Arbeit und die vielen Erfahrungen, die sie während dieser zwölf Monate sammelt, verändern nicht nur ihr Verhalten, sondern auch ihren Charakter, ihre Denkweise. Dabei spielen immer mehr die Briefe von den Lesern Salingers und auch seine Werke selbst eine große Rolle.

Obwohl mir die Werke J.D. Salingers noch nicht bekannt waren, hat mir “Lieber Mr. Salinger” und Joannas Erzählung über ihr Jahr in der New Yorker Literaturagentur unheimlich gut gefallen. Ein Lesetipp also für alle Liebhaber des Autors und all diejenigen, die es vielleicht noch werden wollen.

5ballerinas



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