[Rezension] Jean Kwok – “Wenn die Liebe tanzen lernt”

Von Primeballerina @primeballerina

Ich gebe zu, diesen Roman von Jean Kwok wollte ich schon alleine wegen dem wunderbaren Titel lesen: “Wenn die Liebe tanzen lernt” oder – im Original – “Mambo in Chinatown”.

Kwok erzählt hier die Geschichte von Charlie Wong, welche gemeinsam mit ihrem Vater – einem Nudelmacher – und ihrer kleinen Schwester Lisa in Chinatown lebt. Den Großteil ihres Tages verbringt Charlie mit dem Tellerwaschen im Restaurant, in dem auch ihr Vater arbeitet. Das Geld ist in der Familie immer knapp, deswegen besteht Charlies Leben hauptsächlich aus dieser körperlich sehr anstrengenden Arbeit. Doch eines Tages bewirbt sie sich auf eine Stelle als Empfangsdame in einem der renommiertesten Tanzstudios in New York und entfacht damit ihren Traum, einmal so tanzen zu können, wie einst ihre Mutter. Sie bekommt tatsächlich die Stelle, macht ihre Arbeit jedoch mehr schlecht als recht – und muss sie zudem noch vor ihrem sehr traditionellen Vater geheim halten…

Auch wenn der Anfang ein wenig langatmig erscheint, hat mir diese langsame Einführung in Charlies Geschichte im Nachhinein doch sehr gut gefallen. Denn die Autorin lässt ihre Geschichte sich Seite für Seite entfalten. Während der gesamten Geschichte gibt es keine überstürzte Handlung, vielmehr hat man den Eindruck, dass sich alles nach und nach, vollkommen logisch und authentisch entwickelt. In anderen Romanen würde mich diese Erzählweise vielleicht schnell langweilen, hier passt es jedoch unheimlich gut. Kwoks Schreibstil ist eben wie ein langsamer Walzer und kein schneller Cha-Cha-Cha.

Entgegen meiner ersten Vermutung, dass sich dieser Roman hauptsächlich um die Liebe drehen wird, steht in “Wenn die Liebe tanzen lernt” die Geschichte einer chinesischen Familie in den USA im Vordergrund sowie der Umgang mit der eigenen, ursprünglichen, sehr traditionellen Kultur und Lebensweise in einer der modernsten, westlichen Städte überhaupt. So ist Charlie in den USA geboren und aufgewachsen, möchte genauso modern und selbstbewusst leben, wie der Großteil der Frauen in New York. Ihr Vater jedoch traut beispielsweise der modernen Medizin nicht und ist der Ansicht, dass lediglich ein chinesischer Mann für Charlie in Frage kommt. Sein gesamtes Leben beschränkt sich auf sein Viertel in Chinatown – dieses zu verlassen, stellt ihn schon vor eine sehr große Herausforderung. Hier prallen zwei grundsätzlich verschiedene Welten aufeinander und ich fand es sehr spannend und interessant, zu erfahren, wie beide Welten damit umgehen. Auch der Einblick in die chinesischen Traditionen, gerade im Hinblick auf die Medizin, fand ich sehr bereichernd.

“Ich hatte das Gefühl, dass der Rest der Welt ein Geheimnis kannte, das mir verborgen blieb, dass sich alle Menschen synchron im Tangorhythmus bewegten, während ich Freestyle tanzte und allein mit den Armen in der Luft herumfuchtelte.” – Seite 118

Dann lebt die Charlies Geschichte natürlich vom Tanz. Im Laufe der Handlung fängt Charlie mit dem Tanzen an – hauptsächlich Standard- und Lateintänze – und spätestens an dieser Stelle hätte ich mich in das Buch verliebt, da ich selbst jahrelang diese Tänze getanzt habe. Die Autorin erzählt sehr detailliert, genau und voller Leidenschaft vom Tanzen, den verschiedenen Bewegungen sowie der Leidenschaft dahinter. Da sie selbst einst Turniertänzerin war, sind ihre Eindrücke absolut authentisch und das merkt man ihnen auch an. Die mit dem Tanzen einhergehende Entwicklung von Charlie fand ich ganz wunderbar – man merkt förmlich selbst, wie sie an ihren neu erworbenen Fähigkeiten wächst und sich daran neu entdeckt und an Selbstbewusstsein gewinnt.

“Wenn die Liebe tanzen lernt” ist keine allzu romantische Liebesgeschichte, vielmehr ist es ein sehr interessanter Roman, welcher von dem Kampf zwischen Tradition und Moderne erzählt und zeigt, wie ein eigentlich hoffnungsloses Mädchen im Tanz zu sich selbst findet. Klare Leseempfehlung.