Rezension: Ich knall euch ab! (Morton Rhue)


Der US-amerikanische Schriftsteller Morton Rhue alias Todd Strasser ist hierzulande für seine Jugendromane bekannt geworden. Auch das fragmentarisch anmutende Werk Ich knall euch ab! dreht sich um Jugendliche, die den Anschluss an die Gesellschaft verlieren und zu Amokläufern werden.

Welche Intention?

Rhue sucht sich gern die schwierigen Themen heraus: Obdachlosigkeit, Gewalt, Nationalsozialismus. Das würde man nicht unbedingt vom Ex-Besitzer einer Glückskeksfabrik vermuten. Ähnlich schnipselhaft bietet er in seinem Buch Ich knall euch ab! die fiktive Geschichte eines Amoklaufs an.

Beruht auf wahren Begebenheiten?

Natürlich ist das Ganze nicht völlig aus der Luft gegriffen. Beim Lesen der Versatzstücke kann man nicht nur, ja man muss einfach an das Massaker in der Columbine High School denken. Damals, im Jahr 1999, töteten zwei Außenseiter zwölf Schüler, einen Lehrer und anschließend sich selbst. Die Tat hat sich tief in das amerikanische Kollektivbewusstsein eingebrannt.

Und auch Deutschland blieb von solchen Tragödien nicht verschont wie die Ereignisse in Erfurt und Winnenden gezeigt haben. Grund genug also, das Thema als Autor aufzugreifen. So richtig verständlich ist das trotzdem nicht.

Weshalb hat Rhue sich für dieses Mischmasch aus realen Geschehnissen und Fiktion entschieden? Schließlich hätte er auch eine Biografie schreiben können. War es der Versuch, Nähe zum Thema zu schaffen bei gleichzeitiger Distanz? Soll die Fiktion eine Barriere bilden? Der Autor und seine Leser auf der einen, die Täter auf der anderen Seite?

Tagebücher, die keine sind

Sie sehen schon: Es wird hier nicht so ganz klar, welche Absichten Autor Rhue mit seinem zugegebenermaßen flüssig zu lesenden Werk verfolgt. Das Thema ist ohnehin heikel. Der Grat ist äußerst schmal und die Gefahr, in Klischees über isolierte Stubenhocker mit einem Faible für Ego-Shooter abzurutschen, hoch. Doch diese Klischees sind gerade deshalb so beliebt, weil sie den verzweifelten Versuch stützen, das Unfassbare verständlicher zu machen.

Bis heute beißen sich Psychologen und Kriminalisten die Zähne an den Ursachen für Amokläufe aus. Sie stochern in einem Nebel aus soziokulturellen, strukturellen, familiären und schulischen Banden. Besonders dicht wird dieser Nebel, wenn Amokläufer keinen Abschiedsbrief oder andere „Erklärungen“ hinterlassen.

Im Verborgenen

Vielleicht ist eine Erklärung auch nicht von allen Seiten gewünscht, denn das hieße, tief zu graben und die hässlichen Seiten, das Versagen von Verantwortlichen aufzudecken. Und genau das fehlt in Ich knall euch ab!

In Rhues Buch sind die Lehrer fromme Pädagogen, die sich schockiert zeigen. Die Schuld wird bei den Mobbern gesucht, selbstgefälligen Footballern. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Und eben diese hässlichen, unbequemen Teile bleiben auch in diesem Buch unbeleuchtet.

Fazit

Im Sinne eines Jugendbuchs macht Ich knall euch ab! scheinbar alles richtig. Doch ein fader Beigeschmack bleibt, denn obwohl die stückelige Tagebuch-Erzählstruktur eine dichte Atmosphäre schafft, wird viel geredet, aber wenig Neues gesagt.

RHUE, MORTON: Ich knall euch ab! Roman. Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 2002, 160 S., 6,95 €


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