|Rezension| "Ich fürchte mich nicht" von Tahereh H. Mafi



 Ich bin seit 264 Tagen eingesperrt.
Juliette ist seit 264 Tagen eingesperrt, hat seit 264 Tagen keinen anderen Menschen gesehen oder berührt und seit 264 Tagen wurde sie kein einziges Mal selbst berührt, denn Juliette ist verflucht - ihre Berührung kann einen Menschen foltern und töten. Verstoßen von den Menschen und ihren eigenen Eltern, hält sie sich für ein Monster bis schließlich Adam in ihre Zelle gesperrt wird. Adam mit den tiefblauen Augen, den sie schon von früher kennt. Und Adam, der ein Verräter ist. Denn die Welt hat andere Pläne mit Juliette, Pläne, die ihren Verstand kosten und für die sie sich eigentlich nie zur Verfügung stellen wollte. Gemeinsam mit Adam schmiedet sie einen Plan zur Flucht, um dem unendlichen Wahnsinn zu entkommen und erfährt dabei so viel über die (neue) Welt, in der sie leben, als jemals zuvor.
Nicht nur Tahereh Mafis Name ist ungewöhnlich - ihr Schreibstil ist es ebenso. Und das liegt nicht nur daran, dass manche Sätze und Worte, die Juliette sich  nicht eingestehen will, in der Geschichte durchgestrichen sind, sondern auch an der kaum greifbaren Bildhaftigkeit, die sich auf einer ganz besonderen Ebene bewegt. Denn Mafis Schreibstil ist ein Labyrinth aus Sackgasse, doppelten Böden und Geheimgängen, der sich stellenweise in kitschigen Beschreibungen verliert, oft aber auch mit poetischen Worten Grausamkeiten beschreiben kann, die merkwürdig 'schön' wirken durch die metaphorische Sprache. Obwohl mir der Stil insgesamt gut gefallen hat, war er mir manchmal etwas zu pathetisch, zu kitschig und zu wiederholend, besonders die Liebesszenen wirken ein wenig holprig und schmalzig, aber das nur am Rande. Schließlich schafft die Autoren mit ihren besonderen Worten doch eine bestimmte und sehr dichte Atmosphäre, die man während des Lesens überall am Körper spüren kann und trotz allem flüssig und angenehm lesbar ist.
Ich fürchte mich nicht - zumindest nicht vor dem Buch, vor der Rezension allerdings schon ein wenig, weil sich die Geschichte um Juliette und Adam anfühlt, wie "eine Uhr, die Mitternacht schlägt. Eine Kürbiskutsche." (S.194) Oder, um es mit anderen Worten auszudrücken: So interessant und schön die Geschichte klingen mag, genauso unwirklich wirkte sie auch während des Lesens auf mich, als könnte der Schein der Kürbiskutsche sich schon bald in etwas Anderes, Realeres verwandeln. Auf der einen Seite gibt es Spannung, Originalität und auf der anderen stehen, schüchtern winkend, die Liebesgeschichte und die Vorhersehbarkeit, denn obwohl Mafi anscheinend alles sehr geheimnisvoll und rätselhaft halten wollte, merkt man genau das: Sie wollte. In Wirklichkeit gibt es nicht viele überraschende Wendungen und wenn doch, wurden diese nicht so gut in Szene gesetzt, wie es hätte sein können.
Das heißt allerdings nicht, dass mir das Buch insgesamt nicht gefallen hat, trägt die Geschichte doch ein ansehnliches Theaterkostüm und weiß, sich mit schönen Worten einzuhüllen und Atmosphäre zu bewahren. Schillernd und extravagant, so wirkt die Geschichte während des Lesens, ja, irgendwie wichtig, sei es wegen der Worte oder dem inneren Konflikt der Protagonistin. Diese ist übrigens eher schwer greifbar und ihre Selbstbeschreibung trifft sie eigentlich in jeder Hinsicht perfekt: "Ich bin ein Wesen aus Buchstaben, eine Figur aus Sätzen, eine Ausgeburt der Fantasie." So sehr sie auch versucht aus diesem Schema auszubrechen, irgendwie scheint es ihr nicht zu gelingen. Juliette bleibt distanziert, unwirklich, ungreifbar für den Leser ohne das eine richtige Identifikation möglich wäre. Natürlich schließt das nicht aus, dass sie interessant ist - das steht außer Frage. Durch ihren Fluch ihre Gabe und die damit zusammenhängenden Problematiken und Situationen entsteht in ihrem Inneren ein großer Konflikt, der kaum zu lösen ist, aber durchweg faszinierend und spannend
ist und sich sicher auch auf viele aktuelle Thematiken beziehen lässt.
Und so dreht sich ein Großteil der Geschichte um ihre Selbstzweifel, ihre Selbstfindung und die Angst davor, wieder ausgestoßen, nicht akzeptiert zu werden, niemals berührt werden zu können. Adam, der vorhersehbar, aber definitiv sympathisch ist, kann diese zumindest teilweise aus dem Weg räumen, denn auch er scheint eine Besonderheit an sich zu haben, die ich an dieser Stelle aber nicht nennen möchte. Der andere Großteil der Geschichte beherbergt die Liebesgeschichte zwischen den beiden und ich denke, ich verrate da nicht zu viel. "Ich fürchte mich nicht" ist eine nämlich im Grunde genommen eine Liebesgeschichte, die sich als Dystopie tarnt, was leider nicht viel frischen Wind mit sich brachte, zumal hier für die Gefühle nicht viel Zeit gelassen wurde, auch wenn sich die beiden schon von früher kannten. Man hatte nicht das Gefühl, Teil einer Entwicklung zu sein, und auch die Zuneigung wirkte ein wenig gekünstelt, was womöglich auch an der Sprache liegen kann.
Nebenbei finden sich die dystopischen Elemente in Form des Reestablishments wieder, der Regierung der Welt, die, wie ich herauslesen konnte, durch Naturkatastrophen und die Verschuldung der Menschen langsam verkommen ist (auch hier hätte man gerne mehr erfahren). Diese Regierung ist nämlich ziemlich brutal und sorgt keinesfalls dafür, dass es der Welt in irgendeiner Art und Weise besser geht. Besonders Warner, der Anführer einer Militärbasis sorgt für den düsteren Bösewicht mit Hintergedanken, auch wenn mir hier ein wenig die grauen Übergänge gefehlt haben. Er wirkte noch ein wenig konturlos, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sich das in dem zweiten Band noch ein wenig entwickeln wird. Außerdem könnte sich eine Dreiecksgeschichte anbahnen, denn obwohl Juliette sich nicht eingestehen will, dass sie Warner anziehend findet, so merkt man das an ihren Reaktionen doch ganz gut. Ob ich das aber gut finde, bleibt abzuwarten!
Fürchtet euch nicht und lest dieses Buch, wenn ihr Liebesgeschichten mögt, die sich als Dystopien tarnen. Durchweg kann ich die Geschichte zwar nicht empfehlen, ist sie mir doch etwas zu gekünstelt und wirkt wie ein Papierkonstrukt, das sich erst noch selbst finden muss, aber Spaß macht sie trotzdem. Insgesamt liest sich das Buch nämlich sehr gut und flüssig, besonders der ungewöhnliche und schöne Schreibstil sorgt für eine dichte Atmosphäre, in der man gut eintauchen kann. Hinzu kommen sympathische, aber schwer greifbare Figuren und eine (leider oft) etwas vorhersehbare Storyline, die dennoch Spannung bewahren kann und trotz etwas zu vieler Liebesschwärmereien mal was anderes ist. Sehr viel Luft nach oben, kann eben auch Gutes verheißen und so fürchte ich mich auch nicht vor dem nächsten Teil "Rette mich vor dir", den ich definitiv lesen werde.


Tahereh H. Mafi ist 25 Jahre alt. Sie wurde als jüngstes von fünf Kindern in einer Kleinstadt in Connecticut geboren und lebt mittlerweile in Orange County in Kalifornien. Nach ihrem Abschluss an einem kleinen College in Laguna Beach studierte Mafi, die acht verschiedene Sprachen spricht, ein Jahr in Spanien. Danach reiste sie quer durch die Welt und fing nebenbei an zu schreiben. Mit ihrem Debüt "Ich fürchte mich nicht" eroberte sie die amerikanische Romantasy-Gemeinde und Bloggerwelt im Sturm. "Rette mich vor dir" ist der heiß ersehnte zweite Band der Trilogie um Juliette. [via Goldmann]
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Für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars bedanke ich mich sehr herzlich bei

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