Ursprünglich veröffentlichte der Amerikaner Hugh C. Howey “SILO” (Original: “Wool”) als abgeschlossene Kurzgeschichte verlagsunabhängig über Amazons “Kindle Direct Publishing”. Weil sich eine stetig wachsende Fangemeinde für die postapokalyptische Welt von Silo zu begeistern vermochte, schrieb Howey weiter. Mittlerweile existieren neun Teile, deren erste fünf im vorliegenden “SILO” zusammengefasst sind. Es ist solide dystopische Spannungsliteratur mit dem einen oder anderen handwerklichen Makel.
Titel: Silo
Original: Wool (2011)
Autor: Hugh Howey
Übersetzung: Gaby Wurster, Johanna Nickel
Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-05585-7
Umfang: 544 Seiten, gebunden m. Schutzumschlag oder TB
Seit hunderten von Jahren leben die Menschen nicht mehr an der Erdoberfläche, sondern in gigantischen, einhundertvierundvierzig Etagen tiefen Silos im Erdinnern. Was von der alten, nun vergifteten Welt noch übrig geblieben ist, kennen sie nur von den Bildern der Kameras am äusseren Deckel des Silos. Fragen nach der Vergangenheit sind nicht erlaubt, “Ideen sind ansteckend” – und somit als Krankheit zu behandeln -, wie Bernard sagt. Er ist der diabolische Chef der IT-Abteilung, die (heimlich) die Geschicke des Silos bestimmt.
Im ersten Teil des Buches wird die Geschichte von Silo-Sheriff Holston, dessen Frau Allison einer grossen Verschwörung auf der Spur war. Sie hat sich freiwillig zur Reinigung der Kameralinsen – trotz Schutzanzügen gleichzusetzen mit dem sicheren Erstickungstod in der verpesteten Aussenwelt – gemeldet. Überzeugt, dass den Silo-Bewohnern die Unbewohnbarkeit der oberirdischen Welt nur vorgegaukelt wird, hat sie sich in ihren Tod gestürzt. Drei Jahre später ist Holston, auch wenn die Bilder, die die Kameras ins Silo projizierten, das Gegenteil zeigen, nicht überzeugt vom Tod seiner Frau. Auch er meldet sich zur Reinigung; geht raus, schrubbt die Linsen, läuft davon – und stirbt.
Der zweite Teil widmet sich der Reise, die Mayor Jahns und Deputy Marnes in den untersten Teil des Silos, die Mechanik, unternehmen, um den potenziellen neuen Sheriff – Juliette “Jules” Nichols – zu besuchen und vom Annehmen der neuen Aufgabe zu überzeugen. Der Silo kann nur über lange Wendeltreppen bereist werden, so dass es mehrere Tage von zuoberst nach ganz unten dauert. Juliette nimmt den Posten an, untersucht den Fall Holstons und gerät ebenfalls auf die Spur der Verschwörung. Dies wiederum stösst Bernard, der nach Mayor Jahns’ Tod offizieller Machthaber ist, sauer auf. Er lässt Juliette festnehmen und auch sie wird zur Reinigung geschickt.
Im Gegensatz zu allen Reinigenden davor aber, verweigert sie das Putzen der Linsen mit den Wollepads (daher der Originaltitel “Wool”) und stürzt sich in ihrem Schutzanzug sogleich über die Hügel in die angrenzende Stadt. Tatsächlich ist alles hier so giftig und unbewohnbar, wie es im Silo gesagt wird. Zu ihrer Überraschung aber stösst Juliette auf einen zweiten Silo, in den sie eindringt. Auf den ersten Blick scheint er verlassen… Im anderen Silo beginnt unterdessen die Revolte: die Mechaniker – Juliettes “Familie” – stürmen von unten nach oben, während ihr Freund Lukas in die Fänge Bernards gelangt…
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Hugh Howey ist ein Autor, der Texte am Laufmeter produziert. Auf seiner Website lassen sich in einer Spalte am linken Rand die Titel einsehen, an denen er gerade arbeitet; inklusive eines wortgenauen Zählers, der angibt wie viel Prozent eines Textes bereits vollendet sind. Literatur als Ware: für Diskussionsstoff ist also bereits durch seine Arbeitsweise gesorgt.
Es liesse sich etwa folgender Vorwurf vorbringen: wer an mehreren Texten gleichzeitig arbeitet und neue Geschichten wie am Fliessband auf den Markt bringt, nimmt sich nicht die nötige Zeit, um den Inhalten die nötige Tiefe zu geben. Und tatsächlich findet sich dieser Vorwurf in “Silo” bisweilen bestätigt. Die Geschichten sind zweifellos spannend, die postapokalyptische Szenerie und der Weg, der die Menschheit in die Silos geführt hat, regt viele Gedanken an. Allerdings sind viele Dinge dieser Welt nur in Grundzügen gezeichnet, vieles bleibt oberflächlich, einiges mangelhaft erklärt (Warum gibt es im Silo nur Treppen und keine Aufzüge?). Die Figuren sind zwar zumeist gut gezeichnet, haben markante Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen, problematisch ist jedoch, dass diesen Figuren fixfertige Probleme vorgesetzt werden, bei deren Lösung sich besagte Charakterzüge kaum je zeigen. So kommt es, dass einige der prägenden Figuren – etwa Lukas Kyle oder auch Bernard – letztlich doch flach rüberkommen. Eigenständigere Charaktere und besser ausgearbeitete Konflikte wären wünschenswert gewesen. Aber: “SILO” (“Wool”) ist nicht der Schluss der Reihe; in englischer Sprache existieren bereits zwei weitere Bände, “Shift” und “Sand”, so dass die Hoffnung auf mehr Erklärungen und stärkere Figuren erhalten bleibt.