Rezension: Henning flieht vor dem Vergessen - Hilda Röder

Von Niwa

© Printystem Medienverlag

Meine Bewertung ★★★★


SHORT FACTS

Titel: Henning flieht vor dem Vergessen
Autor: Hilda RöderVerlag: Printsystem Medienverlag 2013Seiten: 328ISBN: 9783938295748

   

Die Würde und der Tod
Henning erhält mit seinen 68 Jahren eine erschütternde Diagnose: Alzheimer. Nichts anderes hätte ihn so sehr treffen können, hat er doch schon beim Großvater mitansehen müssen, was die Krankheit aus einem Menschen macht.
Als lebensfroher Mensch, der gern selbst über sein Leben bestimmt, beschäftigt ihn nun der Gedanke, wie und ob er in Würde von der Welt Abschied nehmen kann, und denkt dabei über die Möglichkeit der Sterbehilfe nach.
Wie bereits der Untertitel sagt, handelt es sich um einen Roman über Würde, Alzheimer und Sterbehilfe. Es geht um Henning, seine Entscheidung und darum, den Leser zum Nachdenken zu bewegen, weil wir uns früher oder später alle diesen Fragen stellen müssen.
Henning lebt in den Niederlanden, ein Land, das sich unter kontrollierten Bedingungen dazu entschieden hat, kranken Menschen einen würdevollen Tod zu ermöglichen, wenn das Anliegen von der Euthanasie-Kontroll-Kommission genehmigt wird.
Für Henning ist von Vornherein klar, dass er es nicht mit der Erkrankung aufnehmen will und sucht mithilfe seines Hausarztes um den frühzeitigen Freitod an. Problematisch ist aber nicht nur die Auseinandersetzung mit dem nahenden Tod, sondern auch, dass bei Alzheimer bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung die Entscheidung umgesetzt werden muss, weil Hausarzt und Kommission ansonsten nicht von Zurechnungsfähigkeit ausgehen können.
Dieses Buch ist keine leichte Kost und schon gar nichts für Zwischendurch. Nach der Diagnose erlebt man mit Henning all die Probleme, die diese Möglichkeit mit sich zieht. Wie reagieren die Kinder? Die Enkel? Die Ehefrau? Kann er diese Entscheidung vor sich selbst verantworten oder ist es ein Zeichen von Feigheit, dass er sich nicht der Erkrankung stellen will?
Etappenweise führt die Autorin an Argumente heran, die sich im Zusammenhang zur Euthanasie ergeben. Geschickt packt sie dieses schwierige Thema in eine wahre Geschichte ein, behandelt die Fürsprecher genauso wie die Gegenseite und lässt vor allem Henning als Betroffenen zu Wort kommen, der in Rückblenden erzählt, warum er in Würde sterben will.
Denn die menschliche Würde ist ein weiterer großer Aspekt, der hier aufgegriffen wird. Was ist Würde überhaupt? Worin besteht sie? Und wie wird sie von uns Menschen empfunden?
Bemerkenswert ist schon allein der Zugang der Autorin zu diesem Themenbereich. Sie urteilt nicht, sie zeigt dem Leser keine Schwarzweißmalerei, sie lässt jeden selbst nachdenken und allein entscheiden, was für ihn richtig ist.
Mit dem einfachen Schreibstil spricht die Autorin quer an alle Leserschaften eine Einladung aus, sich mit dem Thema Euthanasie auseinanderzusetzen und streut auflockernd noch die Sitten und Gebräuche Amsterdams ein.
Hennings Geschichte ist traurig und trotzdem voller Hoffnung, sie tut weh und tröstet gleichzeitig, und sie gibt zu denken, was gerade bei diesem Thema nicht einfach ist. Hilda Röder hat einen emotionalen und trotzdem sachlichen Roman geschaffen, in dem sie von Hennings Leiden, seiner menschlichen Würde und von Sterbehilfe erzählt, und damit einen Zugang zu schwierigen Fragen schafft, die kaum einen Leser unberührt lassen.

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