Rezension: Hazel Hutchison – Henry James. Biographie. (Parthas, 2015)

In seinem Text “Refugees In England” (1915), entstanden am Ende eines langen, produktiven Lebens, beschreibt Henry James (1843-1916) wie er in London die Ankunft der ersten belgischen Kriegsflüchtlinge miterlebte. Eine schweigsame Prozession, die sich vom Zugbahnhof zur Kirche bewegt. Nur das Schluchzen einer jungen Mutter sticht heraus, unüberhörbar, James hört darin “die Stimme der Geschichte selbst.” Der Autor hilft, wo er nur kann, engagiert sich öffentlich für die Flüchtlinge, bietet einigen von ihnen Unterschlupf in seinen eigenen Arbeitsräumen.

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Die schottische Literaturwissenschaftlerin Hazel Hutchison zeichnet in ihrer kurzen Biographie das Leben eines Mannes nach, dessen gutherziger, selbstloser Einsatz in dieser Situation uns gerade heute nur Vorbild sein kann.

Henry James der Mensch und Henry James der Schriftsteller: Hutchison verbindet Leben und Werk des europaverliebten Amerikaners in ihrem Text zu einer kenntnisreichen Übersichtsdarstellung. Natürlich vermögen diese knapp 200 Seiten an den Detailreichtum anderer James-Biographien heranzukommen – die fünfbändige Biographie “Henry James. A Life” (1953-1972) von Leon Edel wird wohl immer unerreicht bleiben -, dies war jedoch auch nicht die Intention. Hutchinson bietet, in chronologischer Folge, einen prägnanten Blick auf den grossen, nach wie vor faszinierenden Schriftsteller Henry James.

Sohn einer wohlhabenden Familie, hatte James von allem Anbeginn an das Glück, nicht für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen. Dieser Umstand gibt immer wieder Anlass zur Kritik. Biographin Hutchinson bezieht hier Stellung für Henry James, rechnet ihm eine hohe Sensibilität für die Klassengesellschaft an (z.B. in “The Cage”) und betont, wie sehr sich James gerade während seiner Jahre in London für die Lebensumstände der Armen interessiert habe.

Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Henry James in gehobenem Milieu bewegte. Seine finanzielle Situation erlaubte es ihm, niemals sesshaft werden zu müssen. Er reiste umher – meist in Europa: England, Frankreich und Italien sind die immer wiederkehrenden Fixpunkte seines Daseins. Hier lebt er, hier schreibt er, hier leidet er. Leidet an einer instabilen Gesundheit, mangelndem Erfolg oder tragischen Todesfällen im Familien- und Freundeskreis.

Der frühe Tod seiner geliebten Cousine Minny, die 1870 der Tuberkulose erliegt, holt ihn immer wieder ein. Der Selbstmord seiner engen Freundin, der Schriftstellerin Constance Fenimore Woolson, erschüttert ihn zutiefst, obwohl er um ihre Depressionen wusste und festhielt, dass die Freundschaft zu ihr “zur Hälfte aus ängstlicher Besorgnis um sie” bestanden hatte.

Hutchison webt Familien-, Freundes- und literarisches Leben von Henry James geschickt zu einem Teppich, in dem immer wieder interessante Querverbindungen hergestellt werden können. Die gegenseitige Beeinflussung von Leben und Schaffen kommt ausgezeichnet zur Geltung. Dank der markanten Zusammenfassungen wichtiger Werke wird der Text auch für diejenigen, die mit James’ Romanen und Kurzgeschichten gar nicht vertraut sind, zu einer unmittelbar verständlichen Lektüre – und weckt Lust, die Originale zu lesen oder wiederzulesen.

Der (von der Übersetzerin hinzugefügte) Anhang mit einer Liste der wichtigsten Lebensereignisse, Kurzbiographien der bedeutendsten Personen in James’ Umfeld und einer soliden Bibliographie rundet die Arbeit zufriedenstellend ab. Ich lege Hutchisons Biographie als Einstieg zu Henry James nachdrücklich ans Herz.

Hutchison, Hazel. Henry James – Biographie. Aus dem Englischen von Ute Astrid Rall. Berlin: Parthas 2015 (2012). 224 S., gebunden m. Schutzumschlag. 978-3-86964-097-6


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