|Rezension| "Frostblüte" von Zoë Marriott



In meinen Träumen sind die Wölfe hinter mir her.
Frost ist immer auf der Flucht: Vor ihrem Dorf, das sie verbrennen wollte; vor ihrer Mutter, die sie verachtet und vor sich selbst und ihrem inneren Wolf. Ein Fluch lastet auf dem jungen Mädchen mit der Narbe, die wie eine Frostblüte aussieht, der immer dann zu Tage kommt, wenn sie sich selbst bluten sieht. Immer dann wird sie zur tödlichen Gefahr für alles und jeden - ganz gleich, was derjenige ihr bedeutet. Als sie auf ihrer Reise zu sich selbst auf zwei fremde Männer trifft und diese aus einer brenzligen Situation retten will, wird sie von Soldaten aufgegriffen und ins Lager der königlichen Berggarde gebracht. Dort weckt sie sogleich das Interesse des Hauptmanns Luca und gleichzeitig das Misstrauen seines treuen Gefährten Arian. Während ihrer Ausbildung zur Soldatin muss Frost bald entscheiden, wer sie sein will und was sie dafür opfern würde...
"Frostblüte" ist in seiner Einfach- und Schlichtheit ein schön geschriebenes Buch, das sich angenehm und zeitweise sehr blumig lesen lässt. Wirken die Worte auf den ersten hundert Seiten noch etwas unbeholfen und holprig, so gewöhnt man sich doch sehr schnell an den Stil und findet sich schon bald in einer Welt aus Frost und Krieg wieder. Detailreich und nie langatmig finden sich hier viele Beschreibungen, sowohl kampftechnischer, als auch zwischenmenschlicher Art, die dem Buch mehr Tiefe verleihen. Da die Geschichte aus der Ich-Perspektive der Protagonistin geschrieben ist, wird dem Leser eine gute Innensicht geboten, die wieder in mehrere Perspektiven aufgeteilt ist: Frosts Vergangenheit, Frosts Gegenwart und zwischendrin findet man immer wieder kurze Abschnitte, die sich auf ihren Fluch beziehen. Dem Leser werden so die unterschiedlichen Auszüge aus Frosts Leben sehr gut dargestellt.
In Büchern gibt es so unendlich viele Phantasiewelten, dass es inzwischen schwer fallen dürfte, noch eine Welt zu erschaffen, die es noch nicht oder zumindest nur ansatzweise gibt. Viele High Fantasy Werke ähneln sich daher oft oder fallen schlechter aus, weil sie ein ganz besonderes Detail missen lassen, was sie von anderen Büchern ihrer Art unterscheiden würden: der Weltentwurf. "Frostblüte" und ich führen da eine kleine Art von Hassliebe, denn ganz ehrlich: Ich fand das Buch toll, hab es verschlungen und mich in der Welt aus und von Frost verloren. Anfangsschwierigkeiten gab es, zugegebenermaßen, aber da ich immer wieder in die Geschichte abtauchen konnte, waren diese schnell vergessen. Dennoch kann ich dem Buch keine vier Sterne geben, auch wenn ich es unendlich gerne gemacht hätte - dafür gab es dann doch zu viele Einzelheiten, die ich als störend empfand und die andere Bücher einfach bessern meistern konnten als "Frostblüte". Eines davon ist ganz klar der Weltentwurf...
... denn den gibt es in "Frostblüte" so gut wie gar nicht. Politische Verhältnisse werden zwar ansatzweise und eher nebenbei beschrieben und erklärt, aber über die Welt als solche wird nur wenig erzählt. Es fehlt die obligatorische (und für mich ehrlich gesagt auch immer sehr wichtige) Landkarte, der man entnehmen kann, wo Frost sich gerade befindet und wie die Welt prinzipiell aussieht. Über die Hintergründe, die Besonderheiten des Landes und die verschiedenen Orte wird wenig bis gar nichts gesagt und gerne hätte ich erfahren, was die Fantasywelt von "Frostblüte" von unserer Welt unterscheidet, abgesehen von den Orten. Zwar ist die Geschichte definitiv sehr atmosphärisch, aber durch den Verlust einer authentischen Welt, geht doch so einiges davon verloren. Oder um es anders zu sagen: Wie viel mehr hätte diese Geschichte sein können, wenn die Welt individueller und vor allen Dingen detaillierter dargestellt gewesen wäre?

Neben der fast schon zu erwartenden, aber doch ziemlich eindeutigen und etwas zu einfach gelösten (*SPOILER* der andere stirbt einfach am Ende des Buches *SPOILER*) Dreiecksgeschichte, ist das einer meiner größten Kritikpunkte. Etwas Kitsch wäre ein weiterer kleiner, der aber durchaus nur wenig ins Gewicht fällt, denn prinzipiell bietet "Frostblüte" vor allen Dingen einen Grund weiter zu lesen: Die Spannung. So viele Fragen werden während des Lesens aufgebaut und stauen sich immer mehr zu einer Mauer zusammen, die man unbedingt einbrechen möchte, je weiter die Geschichte erzählt wird. Liebevolle Details, gerade bei den Figuren, sorgen für großen Lesespaß und dafür, dass man gar nicht mehr aufhören kann zu lesen (zumindest wenn man die Einstiegsschwierigkeiten überwunden hat, die ich hatte) und das Buch bis zum Ende nicht mehr aus
der Hand legen kann. Das Buch lebt eindeutig durch seine Figuren, die eine große  Stärke der Geschichte sind, da die unterschiedlichen Charaktere einfach gut ausgearbeitet sind und dreidimensional wirken.
Allen voran ist da natürlich Frost (ihr wirklicher Name ist Saram), die im Laufe des Buches nicht nur mit ihrem Fluch und sich selbst hadert, sondern auch mit den Menschen, die sie um sich hat. Ihre Entwicklung ist zwar vorhersehbar, aber doch sehr spannend und einfühlsam umgesetzt. Ihre Vergangenheit hat sie zu einer Person geformt, die vom Leben gezeichnet, aber dennoch sehr stark ist und diese Stärke zeigt sich vor allen Dingen gegen Ende. In jedem Fall ist sie eine große Sympathieträgerin. Luca wirkt im Gegensatz dazu ein wenig blasser, bekommt aber auch noch seine Chance sich zu beweisen (was gegen Ende ein wenig zu dramatisch abläuft, aber immerhin!) und vor allen Dingen Arian hat sich zu einer (für mich) sehr faszinierenden Figur entwickelt. Auch die Nebenfiguren sind gut gezeichnet und sorgen oft mal für die ein oder andere Überraschung. Spaß und Unterhaltung bekommt man hier also in jedem Fall, und auch einige tiefer gehenden Themen werden zwischen den Zeilen angesprochen.
"Frostblüte" ist ein schöner und lesenswerter High Fantasy Roman, der sich vor allen Dingen für Neueinsteiger des Genres wunderbar eignet. Alteingesessene Fans des Genres werden von dem dürftigen Weltentwurf wahrscheinlich enttäuscht sein, dennoch ist die Geschichte gut erzählt und eignet sich hervorragend bei diesigem Wetter mit einer Tasse heißen Tees gelesen zu werden. Unterhaltung, so einige kleine Überraschungen und toll ausgearbeitete Figuren erwarten den Leser auf seiner Reise mit Frost nach sich selbst. Eine romantische wie dramatische Geschichte, die von Selbstfindung, Mut und Liebe erzählt und in welche man tatsächlich eintauchen und sich verschlingen lassen kann. Trotz kleinerer und auch größerer Schwächen eine lesenswerte Geschichte, die man sich nicht entgehen lassen sollte.


Zoë Marriott lebt im Nordosten von Lincolnshire, zusammen mit ihren zwei Katzen Echo und Hero und ihrem Hund Finn. FROSTBLÜTE ist ihre erste Veröffentlichung in deutscher Sprache, erschienen im Carlsen Verlag. [via Carlsen]
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Für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars bedanke ich mich sehr herzlich bei

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