"Was ist der Mensch? Ein hochgeistiges Geschöpf, als Einziges in der Lage, sich zu immer Höherem zu entwickeln und unauslöschliche Spuren zu hinterlassen? Oder etwa doch nur eine vergängliche Erscheinung, ein kleines, unbedeutendes Aufflackern im niemals endenden kosmischen Gefüge? Vielleicht werden wir es bald erfahren."
Mit diesen Worten beginnt die Produktion Fraktal 2: Sternenstaub, mit der Gigaphon Entertainment seine Mitte Juni 2014 gestartete Science-Fiction-Hörspielserie Fraktal nun fortsetzt. Die erste Folge (ich rezensierte sie hier) wusste als klassische Abenteuer-SF in modernem Gewand zu gefallen und darum durfte man gespannt darauf sein, wie die Abenteuer von Captain Ian Pierce und dem Rest der Crew der Skyclad wohl weitergehen würden.
Die Crew der Skyclad landet auf einem düsteren Kometen, um dringend nötige Außenreparaturen durchzuführen. Schon bald stellen manche Besatzungsmitglieder Veränderungen an sich fest. Sie werden unruhig, aggressiv. Hören Stimmen, die sie beeinflussen wollen. Geht von dem toten Gestein irgendeine lebensbedrohliche Strahlung aus? Als Jay das Geheimnis des Kometen ergründen kann, hat sich bereits der Schrecken auf dem Schiff ausgebreitet und droht es zu vernichten…
Wenngleich diese Produktion zweifelsohne ihre Highlights hat, hinterlässt Fraktal 2 in der Endabrechnung einen gemischten Eindruck. Peter Lerf, der neben dem Skript auch für Regie, Soundtrack und Mischung verantwortlich zeichnet, gelingt es erst im letzten Drittel, richtig Schwung in seine Geschichte zu bringen. Davor leidet der Spannungsaufbau unter einer statischen Inszenierung, die jenes Maß an Dynamik vermissen lässt, das nötig gewesen wäre, um einen als Hörer wirklich durchgehend zu packen. Als Bremsklötze für den Erzählfluss erweisen sich zudem die zahlreichen Übergangsmusikstücke zwischen den Szenen – ein Stilmittel auf das Lerf übermäßig und teilweise schlicht unnötig zurückgreift. Darüber hinaus vergibt das Skript leider gelegentlich schlicht die Chance auf Action und Dramatik. Als Beispiel genannt sei jene Szene, in der die Skyclad auf dem Kometen aufsetzt: Sie existiert schlicht gar nicht! Captain Pierce ordnet die Landung an und in der nächsten Szene, die nach ca. einer Minute Musik folgt, hat sie stattgefunden und zwei der Protagonisten reden darüber, als sei es das Normalste von der Welt, ein Schiff im Fraktalraum auf einem Kometen zu landen. Vergessen wir nicht: Fraktal spielt in unserem Zeitalter und nicht in einer Star Trek-Zukunft, wo solche Manöver so alltäglich wie Fahrradfahren sind. Sehr schade, dass durch Auslassung die Möglichkeit für eine knackige Sequenz vertan wurde, mit der man außerdem die Gefährlichkeit und die Herausforderungen des Fraktaluniversums noch einmal gut hätte illustrieren können. Wie angedeutet, platzt im letzten Drittel dann doch noch der Knoten, das zuvor vermisste Tempo ist da, die Geschichte betreibt wirklich überzeugende Wiedergutmachung und verabschiedet sich an einem dramatischen Höhepunkt vorerst von seinem Publikum. Hörspielproduzenten können ja so gemein sein!
Wie bereits in der Pilotfolge Fraktal 1: Verloren im Mikrokosmos, so liefert auch dieses Mal die Besetzung der Sprechrollen keinen Anlass zur Kritik. Martin L. Schäfer (Jublonsky), Gordon Piedesack (Captain Pierce), Martin Sabel (Spooner), Bettina Zech (Amy Keppler), Robert Missler (Sabian), Sven Mai (Copeland) und Julia Casper (Kaylani Soto) haben ihre Charaktere voll im Griff und bieten eine Performance, wie man sie von erfahrenen Kräften in einem kommerziellen Hörspiel erwarten darf. Abgerundet wird der Cast durch Carmen Molinar als Bordsystem LUNA. In Sachen Dialogregie ist alles im grünen Bereich, die Abmischung ist technisch sauber, der Soundtrack stilistisch passend und die eingesetzten Geräusche sind durchaus ansprechend. Was jedoch auffällt: Insgesamt 48 Frauen und Männer dienen an Bord der Skyclad, und obwohl manche Crewmitglieder bisweilen erwähnt werden, hat man trotzdem irgendwie das Gefühl, die Protagonisten seien komplett unter sich, weil alle anderen Besatzungsmitglieder permanent abwesend oder zu Schweigen verdammt sind. Es müssen ja keine ausgewachsenen zusätzlichen Sprechrollen sein, doch zumindest etwas "Hintergrundgemurmel" würde für einen stärkeren Eindruck der Geschäftigkeit und mehr Lebendigkeit an Bord sorgen.
Zwei Folgen ist Fraktal aus dem Hause Gigaphon Entertainment nun alt, und so langsam zeichnet sich ab, wohin die Reise der Skyclad und ihrer Crew gehen könnte. Die im Verlauf von Fraktal 2: Sternenstaub aufgestellte These, der Fraktalraum sei wahrscheinlich analog zum Weltall (inkl. Planeten, Sonnen usw.) strukturiert, eröffnet der Serie erzählerisch sehr viele Möglichkeiten und lässt sie gleichzeitig – soweit Peter Lerf diesen Weg tatsächlich beschreitet - eindeutig den Kurs einer Space Opera einschlagen, die (in Abgrenzung von anderen Weltraumopern) dieses Mal im Inner Space angesiedelt wurde. Nicht jedem Hörer mag dies gefallen, doch zwangsläufig an Reiz verliert Fraktal durch diese Aussicht nicht unbedingt. Im Gegenteil: Für manch einen Hörer, der sich unter der Prämisse der Serie bislang nur wenig vorstellen konnte, dürfte Fraktal sogar an Anziehungskraft gewinnen. Auf einem sehr schwierigen Spielfeld wie dem deutschen Hörspielmarkt sicher kein zu unterschätzender Aspekt.
In Fraktal 2: Sternenstaub gewinnt das Fraktaluniversum weiter an Konturen und präsentiert sich wie schon zuvor als ein Ort voller Gefahren, aber auch von magischer Schönheit. Der perfekte Platz also für Spannung, Action und Drama. Die aktuelle Folge mag zwar eher durchwachsenen sein, doch Gigaphon braucht nur etwas an den richtigen Stellschrauben zu drehen, um das volle Potenzial abzurufen, das in Fraktal steckt. Die Serie ist noch jung und dass Gigaphon packende Hörspiel-SF kann, hat das Label mit Fraktal 1 absolut bewiesen. Darum sehe ich trotz aller Kritik der nächsten Folge durchaus erwartungsvoll entgegen.
Link 1: Website von Gigaphon Bei Interesse: Verzeichnis meiner weiteren Hörspielrezensionen