|Rezension| "Flammen über Arcadion" von Bernd Perplies

Von Paperdreams @xGoldmarie


Niemand weiß  genau, warum es damals geschah.
Nach dem Sternenfall und dem dunklen Zeitalter beginnt die Welt sich wieder neu zu ordnen. Die sechzehnjährige Carya lebt in dieser düsteren Zeit in Arcadion, einer der wenigen bewohnbaren Städte in einer verwüsteten Welt voller Strahlung und Gefahren. Doch die vermeintliche Ordnung ist eine Lüge, denn der religiöse Orden des Lux Dei herrscht unerbittlich mit großer Ungerechtigkeit über Arcadion. Als Tobyn, der Geliebte ihrer besten Freundin Rajael, von der Inquisition festgenommen und zum Tode verurteilt wird, beginnt das Chaos: Carya, angestiftet von ihrer Freundin, begeht eine verzweifelte Tat, um Tobyn vor einem grausamen Tod zu retten - und kommt damit selbst ins Visier der Inquisition. Ihre einzige Hoffnung ist der junge Templersoldat Jonan, doch der steht doch eigentlich auf der Seite des Lux Dei! Eine rasante Flucht beginnt...
Bern Perplies schreibt rasant und ehrlich über eine Welt, in der es ebenso rasant und um einiges brutaler zugeht. Perplies scheut nicht davor zurück, Gewalt und Brutalitäten zu beschreiben und kreiert so eine dichte Atmosphäre, die sich durch das ganze Buch zieht. Dabei schafft er es seine ganz eigene Note in den Stil einfließen zu lassen und gibt dem Buch einen typisch maskulinen Touch, der dafür sorgt, dass sich das Buch von beiden Geschlechtern gut lesen lässt. Durch seinen leicht verständlichen und dennoch anspruchsvollen Stil gelingt Perplies der Spagat zwischen Unterhaltung und Tiefgründigkeit und erzählt eine schnelllebige Geschichte voller Spannung, die abwechselnd aus der Sicht von Carya und Jonan geschrieben ist. Dieser Perspektivenwechsel führt dazu, das man unterschiedliche Lebensweisen von Perplies Welt kennenlernt, die nach und nach zusammengeführt werden.
Wenn man sich die Welt in der Zukunft vorstellt, stellt man sich meistens die grandiosesten Entwicklungen, die grausamsten Systeme und die sterilsten Labore vor, die man sich nur erdenken kann. Das aber die Menschheit auch noch von anderen Faktoren geleitet werden könnte, bleibt meistens aus, denn was ist eines der wichtigsten und sozialsten Faktoren der heutigen Zeit? Die Religion und der Glaube. Und ob die in einigen hundert Jahren tatsächlich völlig ausgelöscht sein soll, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen - da ist es doch erfrischend, wenn sich ein Autor der futuristischen Welt auch einmal von dieser Perspektive nähert und einen Weltentwurf erschafft, der von jedem Aspekt ein bisschen aufweist. Zugegeben das funktioniert nicht immer ganz rund, denn Bernd Perplies erschafft tatsächlich eine Welt, die sehr komplex und teilweise dadurch sogar schon ein wenig überladen wirkt, insgesamt überzeugt dieser Auftakt der Arcadion-Reihe aber dennoch (fast) auf ganzer Linie und entführt den Leser in einen düsteren Weltentwurf, wie er in naher Zukunft der Fall sein könnte.
Was die Geschichte um Arcadion so besonders macht, ist vor allen Dingen die enorm dichte Atmosphäre, die sich wie ein undurchsichtiger Nebel über das Buch legt. Man lebt in diesem Buch, wenn man es einmal aufschlägt und kann sich - gerade am Anfang - nur schwerlich davon lösen. Zwar kann diese Atmosphäre nicht konstant aufrecht erhalten werden und bekommt gerade zum Ende hin einige Schwachstellen, sodass sich der Nebel an manchen Stellen lichtet, der größte Teil der Geschichte kann den Leser aber in dem Glauben lassen, er würde sich gerade tatsächlich in Arcadion befinden. Interessant ist hierbei, dass Perplies Weltentwurf ziemlich konträr zu den meisten anderen dystopischen Systemen verläuft, denn in diesem Fall wirkt alles nach der zerbrochenen Epoche der Erfindungen und des Fortschritts (über diese Zeit und die Wende hätte ich im Übrigen sehr gerne noch viel mehr erfahren, das bleibt nämlich ein wenig blass) beinahe mittelalterlich und stellenweise sogar ein wenig steampunkig: es gibt Kutschen, kaum Rohstoffe wie Öl und dadurch auch nur noch wenige Autos und wenige Menschen, die sich diese überhaupt leisten können, denn die Menschen von Arcadion leben in Armut und müssen sich mit körperlicher Arbeit über Wasser halten. Einige wenige Erfindungen aus der zurückliegenden Zeit existieren zwar noch, können aber von den meisten Menschen nicht mehr bedient werden. Und hier fängt es dann an, schwierig zu werden.

Denn ab hier begeben wir uns auf eine Ebene, in der es fast schon ein wenig zu komplex wird, denn als würden der religiöse Aspekt und die etwas zurückhängende Gesellschaft nicht schon genug Handlungsstoff geben, gibt es in "Flammen über Aracdion" auch noch verschiedene "Rassen" - die Invitros, künstlich erzeugte Menschen aus dem dunklen Zeitalter, die verachtet und gejagt werden, weil sie entgegen der göttliche Schöpfung existieren und die Mutanten, deren Rolle sich erst im Verlaufe des Buches klären. Wie man sieht, kommt da einiges zusammen und auch wenn ich die meiste Zeit gut folgen konnte, fühlte ich mich zwischendrin doch schon einmal ganz schön erschlagen von all den Handlungssträngen und Problematiken, die sich durch all diese Stränge entwickelt haben. So stellt das Buch natürlich auch zu jedem Handlungsstrang verschiedene moralische Fragen und bringt den Leser immer wieder zum Nachdenken, gerade was die Thematiken Ehtik, Religion und Andersartigkeit angeht. Auch wenn "Flammen über Arcadion" geschickt und gut mit den vielen Themen umgehen kann, wäre für mich an dieser Stelle weniger mehr gewesen.

So sieht's übrigens im Buch aus

Sehr gut gefallen haben mir dafür die Protagonisten und prinzipiell jedwede Nebenfigur, denn all diese sind sehr detailliert und liebevoll gezeichnet. Gerade was die Figurenkonstellationen angeht, weiß Perplies zu überzeugen, denn er erschafft immer wieder geheimnisvolle, rätselhafte und faszinierende Beziehungen, die immer wieder verschiedenste Wendungen annehmen. Allen voran begeistern die Protagonisten Carya und Jonan, aus deren Perspektive abwechselnd erzählt wird und deren Handlungsstränge irgendwann ineinander übergehen. Pluspunkte gibt es für die langsame und eher hintergründig erzählte und obligatorische Liebesgeschichte, die mir sehr gut gefallen hat und auch für die Nebenfiguren, die einfach allesamt klasse sind - gerade Pitlit hat es mir angetan. Doch auch hier trägt Perplies ab und an etwas zu dick auf oder anders gesagt: er übertreibt es teilweise ein wenig mit den vielen Themen, denn auch die Figuren (allen voran) Carya bergen einige Geheimnisse, die man teils bis zum Ende nicht entschlüsseln kann und in dem Konstrukt aus Problemen manchmal etwas zu viel sein dürften.
Wer mal einen etwas anderen dystopischen Weltentwurf erleben möchte, der sich in verschiedene Richtungen bewegt, sollte "Flammen über Arcadion" einmal genauer unter die Lupe nehmen, denn auch wenn Bernd Perplies manchmal über die Stränge schlägt, hat dieser Auftakt das Potenzial episch zu werden. Mit einer Atmosphäre, dicht wie Nebel im Herbst, der sich nur zeitweise ein wenig lichtet, entführt Perplies seine Leser in eine düstere Welt in der Zukunft, die rückständig und futuristisch zugleich wirkt. Mit einigen Handlungssträngen und Problematiken zu viel weiß "Flammen über Arcadion" gut zu jonglieren und brachte nur mich als Leser manchmal ein wenig aus dem Konzept, denn als Ausgleich bietet die Geschichte gut ausgearbeitete und sympathische Protagonisten, die den Leser zu begeistern wissen und neugierig auf mehr machen. Trotz einiger Kritik hat mir dieses Buch sehr gut gefallen und kann von mir uneingeschränkt empfohlen werden, wenn man Lust auf einen komplexen Weltentwurf in der Zukunft hat.

Bernd Perplies, geboren 1977 in Wiesbaden, studierte Filmwissenschaft, Germanistik, Buchwissenschaft und Psychologie in Mainz. Parallel zu einer Anstellung beim Deutschen Filminstitut (DIF) in Frankfurt am Main, wandte er sich nach dem Studium dem professionellen Schreiben zu. Heute ist er als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist tätig.  Im August 2008 kam Bernd Perplies Debütroman "Tarean - Sohn des Fluchbringers" auf den Markt, weitere Werke folgten. Nach seinem letzten Riesenerfolg, der Steampunk-Trilogie "Magierdämmerung", erschien 2012 mit "Flammen über Arcadion" der erste Band seiner neuen Reihe. Bernd Perplies lebt in Wiesbaden, zusammen mit etwa 1000 Büchern und einer einzelnen tapferen Grünpflanze. [via Lovelybooks]...mehr? *klick*