Daniel Kehlmann kennt man hierzulande vor allem durch seinen Bestseller Die Vermessung der Welt
Schmankerl Sprache
Jede Kritik sollte, wenn möglich, mit etwas Positivem anfangen und so sei vor allem die wunderbare Sprache gelobt. Der Autor versteht es, diese perfekt auszuloten. Kehlmanns Stil ist das Gegenteil einer Herz-Symbolik, wie der Charismatiker Till Lindemann sie pflegt und die natürlich auch ihren Charme hat. Kehlmanns Sprache ist dicht, lebhaft und in einem positiven Sinne technisch.
In diesem Roman finden wir die Kunst der Komprimierung, ohne dass etwas verloren geht. Es gelingt dem Autor, so viele Details wie nötig und so wenig Schnick-Schnack wie möglich in die komplizierte Geschichte zu integrieren.
Wir erhalten so einen plastischen Eindruck jeder wichtigen Figur, die Umgebung ist so reich geschildert, dass wir glauben, uns tatsächlich an diesen Orten zu befinden. Kehlmann vermeidet es gleichzeitig, uns mit aufgeblähten Metaphern bzw. Vergleichen zu langweilen.
(Leider) eine Familiensaga
Um fair zu bleiben eines vorweg: Ich mag Familiensagen nicht besonders. Für mich gibt es kaum anstrengendere Literatur als die von aufsteigenden und/oder fallenden Familienclans mit unzähligen Figuren, deren Namen ich nach zwanzig Seiten wieder vergessen habe.
Am besten, man zeichnet sich noch die Stammbäume parallel zum Lesen nach, um der Struktur und Logik überhaupt folgen zu können. Zum Glück macht Kehlmann nicht den Fehler und zerrt die Familie um den anfangs recht tranigen Familienvater Arthur unnötig in die Länge.
Kehlmann erzählt vom Mikrokosmos einer auseinander driftenden Familie und damit vom Makrokosmos einer auseinander driftenden Gesellschaft: Private Krise, Glaubenskrise, Kunstkrise, Gewaltkrise und Schaffenskrise — es sind eine Menge Krisen, die Kehlmann in seinem Buch verarbeiten will und sich genau damit überwirft.
Das Problem mit Familie Friedland
Keine der Figuren kommt auch nur ansatzweise sympathisch rüber. Die Brüder Martin, Eric und Iwan sind allesamt Betrüger, jeder von ihnen haut seinen Mitmenschen die Taschen voll, sie sind die reinsten Personifikationen der Kirchen-, Finanz-, und Kunstindustrie. So liest “F” sich in seiner fragmentarischen Struktur so kafkaesk, dass man Schwierigkeiten hat, Realität und Wahn auseinander zu halten.
Das ist zu viel für einen Roman mit knapp 400 Seiten. Verworrenes wird nur teilweise und recht bemüht zusammen geflochten, die Gegensätze sind zu zahlreich, um logisch nachvollziehbar zu bleiben.
Fazit
Hätte Kehlmann sich auf eine Krise konzentriert, wäre “F” ein eindringlicher Roman mit einer geschlossenen Handlung geworden. Was dem Schriftsteller sprachlich leicht von der Hand geht, funktioniert auf der Handlungsebene nicht besonders gut. So bleibt dieser Roman ein fragmentarischer, nur durch stark konstruiert wirkende Eckpunkte zusammengehaltener, der gleich mit zehn moralischen Zeigefingern auf das Gewissen des Lesers drücken will.
KEHLMANN, DANIEL: F. Roman. Rowohlt, Berlin 2013, 2. Auflage, 384 S., 22,95 €