Rezension: Erinnerung an einen schmutzigen Engel von Henning Mankell


"Erinnerung an einen schmutzigen Engel", so der Titel des kürzlich erschienen Werkes von Henning Mankell. Der Erfolgsautor entführt den Leser darin ins Afrika Anfang des letzten Jahrhunderts und erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die nicht so richtig in das bestehende Gefüge zwischen Weissen und Schwarzen passen will.
Die Schweden Hanna Renström muss mit 17 ihr zu Hause verlassen, da ihre Mutter sie und ihre drei Geschwister nicht allein durchbringen kann. Mit dem Händler Forsman reist sie in eine kleine Küstenstadt, wo sie als Dienstmädchen bei ihm arbeitet. Forsman hat jedoch bald andere Pläne für Hanna. Sie soll als Köchin auf einem Dampfschiff anheuern, das nach Australien fährt. Nach anfänglichem Misstrauen fügt sich Hanna und nimmt die Reise auf sich.  An Bord verliebt sie sich in den Steuermann Lundmark und nach nur einem Monat heiraten die beiden. Doch das Glück währt nicht lange. Nur wenige Wochen nach der Eheschliessung stirbt Lundmark an Fieber, das er sich geholt hat, als er in einem afrikanischen Hafen unerlaubt an Land ging. Für Hanna ist der Verlust nur schwer zu verkraften und sie hält es an Bord des Schiffs nicht mehr aus. Am nächsten Anlegeplatz verlässt sie heimlich das Schiff und versteckt sich. Die Crew findet sie nicht und setzt die Reise ohne sie fort. Hanna bleibt allein zurück in einer kleinen afrikanischen Stadt, in der sie niemanden kennt und die Sprache nicht versteht. 
Ein Buch voller Gegensätze
Das Mankell ein grossartiger Erzähler ist, darüber müssen wir nicht diskutieren. Den neuerlichen Beweis liefert er in "Erinnerung an einen schmutzigen Engel" eindrücklich. Interessant und lebhaft, ohne dabei aber zu sehr ins Detail zu gehen, schafft er es, dem Leser ein Bild vom Afrika Anfang des 20. Jahrhunderts zu zeichnen. Die Figuren sind ebenfalls sauber ausgearbeitet, bleiben aber dennoch teilweise unergründlich. Das stört jedoch nicht, denn es unterstreicht lediglich die Differenzen zwischen der schwarzen und der weissen Bevölkerung in Afrika.
Diese Unterschiede zeigen sich explizit am Charakter von Hanna. Nachdem sie vom Schiff geflohen ist, nimmt sie sich ein Zimmer in einem Hotel. Erst später realisiert sie, dass sie in einem Bordell gelandet ist und von den Prostituierten bedient und nach ihrer Fehlgeburt auch gepflegt wurde. Nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes, dem Bordellbesitzer Attimilio Vaz, führt Hanna das Bordell weiter. Sie bezahlt ihre Frauen sehr gut, kümmert sich um sie und hilft, wo sie kann. Einen offen ausgesprochenen Dank erhält sie dafür aber nie. Sie erntet bloss Schweigen, was Hanna ziemlich vor den Kopf stösst. Auch mit der Gewalt, dem Rassismus und dem komplett anderen kulturellen Hintergrund der Einheimischen hat sie ihre Probleme. Sie setzt sich mit viel Aufwand für eine afrikanische Frau ein, die ohne Prozess lebenslang in einen Kerker gesperrt wurde, weil sie ihren Ehemann, der sie betrogen hatte, umgebracht hat. Doch auch dabei erhielt sie keine Rückendeckung von den Prostituierten oder anderen Einheimischen.
Hannas Bemühungen, die kulturellen Barrieren zu durchbrechen, schlagen allesamt fehl. Entsprechend fühlt sie sich in ihrer neuen Heimat auch nie richtig wohl und weiss nicht, wohin sie ihr Weg führen wird. Bezeichnend für dieses "Nicht-Dazugehören" zu beiden Seiten ist, dass Hannas treuster Wegbegleiter ein Affe namens Carlos ist.
Zu wenig Handlung
Im Herausarbeiten der kulturellen Unterschiede und den vielen, teils auch lediglich subtilen Formen des Rassismus liegt die Stärke dieses Werks. Das festgefahrene Schwarz-Weiss-Denken und die fehlende Kompromissbereitschaft beider Lager sind prägende Motive der Erzählung. Dennoch gibt es meiner Meinung nach einen negativen Punkt, der allerdings schwer wiegt und der Grund ist, weshalb ich nur drei Punkte vergebe. Die Handlung nimmt praktisch nie Fahrt auf und es geschieht sehr wenig. Es kommt kaum Spannung auf und auch die unerwarteten Wendungen, die beispielsweise Mankells Walander-Krimis so überraschend machen, fehlen. Zudem gefällt mir auch der Schluss nicht, da er mir  zu realitätsfern ist. Trotzdem ist es ein Buch, das sich zu lesen lohnt, gerade dann wenn man sich für Themen wie die kulturellen Unterschiede zwischen Afrika und Europa oder Rassimus interessiert. (fba)


Bibliografische Angaben:

Titel: Erinnerung an einen schmutzigen Engel
Autor: Henning Mankell
Seiten: 352
Erschienen: 2012
Verlag: Paul Zsolnay Verlag
ISBN-10: 3552055797
ISBN-13: 978-3552055797
Bewertung: Rezension: Erinnerung an einen schmutzigen Engel von Henning Mankell
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