“Totengebet” von Elisabeth Herrmann ist nun bereits der vierte Band der Krimi-Reihe um den Berliner Anwalt Joachim Vernau. Bereits den Vorgängerband, “Versunkene Gräber”, habe ich sehr gerne gelesen und war insofern sehr neugierig, wie es mit Vernau weiter geht.
Gleich zu Beginn wacht dieser völlig orientierungslos in einem Krankenhaus auf. Er kann sich nicht nur an fast gar nichts erinnern, er wird zudem beschuldigt, einen Juden angegriffen, und bald auch schon ermordet zu haben. Dabei war Rudolph Scholl vor etlichen Jahren ein Freund von Vernau. Gemeinsam mit zwei anderen, Mike und Daniel, haben sie in der Nähe von Tel Aviv in einem Kibbuz gearbeitet. Nun scheint Vernau seine Vergangenheit aufzuholen und die einzige Zeugin, die Vernaus Unschuld bezeugen könnte, ist nicht nur nirgends aufzufinden, sondern scheint gar nicht erst zu existieren. Und so geht Vernau, wie so oft, ein großes Risiko ein und reist kurzerhand selbst nach Tel Aviv, während Marie-Luise in Berlin versucht, ihm den Rücken frei zu halten.
Ich habe mittlerweile Elisabeth Herrmanns Kriminalromane sehr zu schätzen gelernt. Und gerade die Vernau-Romane sind jedes Mal aufs Neue eben keine typischen Krimis, wo es einen Ermittler – meistens einen Polizeikommissar oder einen Detective – gibt, sondern Joachim Vernau ermittelt als Anwalt. Und in “Totengebet” gibt es genau genommen nicht einmal einen “richtigen” Fall. Vielmehr einen sehr alten Fall, welcher erst jetzt durch hartnäckiges Nachfragen ans Licht kommt.
Ich habe es bereits in meiner Rezension zum Vorgänger-Band angemerkt: Elisabeth Herrmann schafft es wunderbar, Geschichten rund um wahre Geschehnisse zu bilden sowie historisch markante Aspekte in diesen zu behandeln. Man merkt auf jeder Seite, wie gut die Autorin dafür recherchiert hat. Da sie sogar selbst in einem Kibbuz gearbeitet hat und mehrere Male in Israel war, ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass ihre Erfahrungen und Eindrücke die Handlung rund um den Protagonisten sehr glaubwürdig und authentisch erscheinen lassen. Gedanklich befindet man sich als Leser also tatsächlich mittendrin im turbulenten Tel Aviv, wo etliche Religionen und Kulturen aufeinander treffen.
Davon, dass es sich bei dieser Geschichte um einen Krimi handelt, habe ich gar nicht mal so sehr etwas bemerkt. Vielleicht bin ich dafür aber auch einfach zu sehr brutalere Szenarien gewöhnt. Gewalttaten gibt es zwar auch hier bis zu einem gewissen Punkt, doch es ist definitiv eher ein leichter Krimi, welcher gerade auch für nicht ganz so hartgesottene Krimileser bestens geeignet ist. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Auflösung des Rätsels um Vernaus Gedächtnisverlust sowie um diverse Geschehnisse, die um die dreißig Jahre zurück liegen. Hinter vielen Geheimnissen und Lügen liegt dann irgendwo die Auflösung.
Die an sich interessante Handlung wird zudem fesselnd beschrieben – durch Erinnerungsfetzen, kurze Rückblicke, die lediglich dem Leser selbst vorbehalten sind, und diverse Perspektivwechsel. All das macht “Totengebet” mal wieder zu einem spannenden und empfehlenswerten Leseerlebnis.
“Totengebet” entführt sowohl Joachim Vernau als seine Leser nach Israel, in die Tiefen der Vergangenheit und in eine Welt voller diverser Kulturen, Religionen, Geheimnisse und Verschwiegenheiten. Wieder einmal ein unfassbar interessanter wie auch fesselnder Roman von Elisabeth Herrmann.