Rezension: "Elf Leben"

Rezension: Autor: Mark Watson
Titel: Elf Leben
Verlag: Eichborn
ISBN: 978 3 8218 6124 1
Ein Radiomoderator, der sich der Welt verschlossen hat und unbewusst das Leben von elf Menschen beeinflusst.
Xavier Ireland ist Radiomoderator in London. Jede Nacht spielt er in seiner Sendung die Kummerkasten-Tante für die Probleme der Wachgebliebenen. Er hat ein offenes Ohr für jede noch so ausgefallene Geschichte und versucht, immer einen guten Rat zu geben. Nur sein eigenes Leben, das bekommt er überhaupt nicht auf die Reihe. So verrät er nicht, warum er damals seinen Namen änderte und seine Heimat Australien Hals über Kopf verließ. Außerhalb der Radiosendung läuft Xavier blind durch die Gegend und schert sich nicht darum, was in der Nachbarwohnung vor sich geht. Doch auch seine Passivität beeinflusst das Leben der Menschen, die ihm auf der Straße begegnen und so wird eine unaufhaltsame Kettenreaktion in Gang gesetzt. Und auch mit den Frauen will es einfach nicht klappen. Statt einer Freundin findet er beim Speed-Dating eine exzentrische Putzfrau, die ganz anders ist als Xavier und sich mit Enthusiasmus in das Leben anderer Menschen einmischt.
Der Autor erzählt auf bewegende und realistische Weise, wie wir das Leben anderer Menschen beeinflussen, ohne es zu wissen.
Der Leser wird zu Beginn vollkommen unvermittelt in einen verschneiten Februar-Tag katapultiert und mit vielen, schnellen Perspektiv-Wechseln konfrontiert. So entsteht ein flottes Erzähltempo, dass die Handlung mit viel Kraft voran treibt. Die Unwissenheit des Lesers dehnt sich auf mehrere Erzählstränge aus: man will nicht nur wissen, was in Xaviers Vergangenheit geschah und ob er seine Passivität ablegen kann, man will auch erfahren, wie es mit den zahlreichen Nebencharakteren weitergeht.
Mit seinem präzisen und bildlichen Schreibstil schafft es Watson auch die Nebenfiguren so detailliert zu beschreiben, dass man meint sie zu kennen und sich ihnen Nahe fühlt. Der Roman ist sehr bewegend, weil die Figuren Menschen wie du und ich sind, denen man im nächsten Moment auf der Straße begegnen könnte.
Diese passiven Haltung, die den Charakter der Hauptfigur ausmacht, begegnet man im echten Leben leider viel zu oft und die wenigstens Menschen machen sich bewusst, dass man das Schicksal anderer auch durch nichts tun beeinflussen kann. Wann geschieht es schonmal, dass der Nachbar besorgt an der Tür klopft, weil man sich lautstark gestritten hat? Wie oft schaut man weg, weil man denkt, dass einen selbst die Probleme fremder Menschen ja nichts angehen?
"Elf Leben" ist ein lebendiger und intelligenter Roman mit spritzigem Humor, der zum Nachdenken anregt.
♥♥♥♥♥
5 von 5 Punkten
Mein herzlicher Dank für die Bereitstellung dieses Rezensionsexemplars geht an den Eichborn Verlag!

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