Kann man eigentlich in dem, was man tut, zu souverän sein? Man kann, wie das neues Elbow-Album „The Take Off and Landing of Everything“ beweist. Die vier Briten um Leitplüschwolf Guy Garvey fühlen sich in den tiefsinnigen Wattetexturen ihres Philosophenpops so wohl, dass sie eines vergessen haben: Ellenbogeneinsatz. Nichtsdestotrotz: auch ihr sechstes Studioalbum darf – unter Vorbehalt – als gelungen bezeichnet werden.
(Zu) einfach? Elbow vs. le Je-ne-sais-quoi
Es braucht sie, die gelegentlichen Ausreisser aus dem heimischen Terrain: „Neat Little Rows“, „Grounds for Divorce“, lautstarke Ventile für die Energie, die sich in der stillen, besinnlichen Elbow-Musik anstaut. Sie fehlen auf dem neuen Album.
TTOALOE – Abkürzungen langer Albumtitel ahoi! – , ein Album, auf dem Garvey auch das Scheitern einer langjährigen Beziehung verarbeitet, ergeht sich ganz in überlegter, mit stoischer Ruhe gespielter Abgeklärtheit. Das kann gut sein, nein: das ist gut, zweifellos, aber auf Dauer und ohne Unterbrechung auch anstrengend. Doch werfen wir die Schlaglichter auf das Positive, beginnend mit der Leadsingle des Albums: „New York Morning“. Eine Hymne an die Stadt New York und der – Vorsicht Unwort! – massentauglichste Moment der Platte. Aber auch einer der besten.
„Oh my god, New York can talk
Somewhere in all that talk is all the answers.“
Weitere Highlights sind „My Sad Captains“ und die beiden Songs, die einem Ausreisser – jedoch nicht in die rockige Richtung – am nächsten kommen: „Honey Sun“ und „The Blanket of Night“, zwei sphärische Klanggebilde mit Zeitlupenbeats, je mit genehmem Trip-Hop-Vibe gesegnet.
Der Rest des Albums ist, wie gesagt, über-souveränes Elbow-Handwerk, die überlegene aber wenig berauschende (oder berauschte) Abarbeitung ihrer Kunst. Schliesslich ist es ein Zuviel-auf-einmal an elbow-typische pathetischer Melancholie. Kommt dazu, dass Songs wie der über siebenminütige Opener “This Blue World” und der gleich lange Titelsong in ihrer schleppenden Sperrigkeit nur so vor sich hin vegetieren, den übersprungbereiten Funken – ja, das gewisse je-ne-sais-quoi – vermissen lassen. Schade.
Lange Rede, kurzer Sinn: Es ist insgesamt ein grundsolides Album mit einigen bezaubernden Momenten, was Melodien und Arrangements betrifft, verblüffender Lyrik und – natürlich – der in allen Situationen heimelig warmen Stimme von Garvey. An die Genialität der beiden Vorgänger aber kommt „The Take Off and Landing of Everything“ niemals heran.
Das ganze Album auf Spotify hören:
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