Rezension: Ein feiner dunkler Riss - Joe R. Lansdale

Von Niwa

© Suhrkamp Verlag

Ein feiner dunkler Riss| Joe R. Lansdale |

Verlag: Suhrkamp Verlag 2014

Seiten: 351 ISBN: 9783518464977

MEINE BEWERTUNG 

-Texanischer SommerTexas, Ende der 1950er-Jahre. Der 13jährige Stanley hat bis vor Kurzem noch an den Weihnachtsmann geglaubt. 1958 muss er dann auch noch lernen, woher die Kinder kommen, was Rassismus ist und wie gewaltigtätig die Menschen um ihn herum sein können. Gleichzeitig erlebt er einen unvergesslichen Sommer, weil er einer Spukgestalt auf die Schliche kommt.
Stanleys Familie zieht in einen kleinen Ort, wo sein Vater ab sofort das hiesige Autokino betreibt. Der Sommer zieht ins Land und Stan macht einen merkwürdigen Fund: mitten im Wald hinter dem Haus befindet sich die Ruine einer abgebrannten Villa und er kommt dadurch einem Geheimnis auf die Spur.

Im Sommer 1958 wird Stanley sehr viel für sein Leben lernen. Er stellt Nachforschungen zu seiner Entdeckung an und stellt sich einer aufregenden Gespensterjagd, die Konsequenzen haben wird.

Dem Leser wird direkt von Stanley seine Geschichte erzählt. Dabei ist es sehr unterhaltsam, die Welt aus den Augen eines 13jährigen Jungen zu betrachten, der noch dazu ein wirklich feiner Kerl ist. Stan mag Comics, ist sehr an den Hintergründen um den Spuk interessiert und packt daheim mit an. Er merkt, dass manch andere Kinder im Texas der 50er-Jahre ganz andere Pflichten als er zu erfüllen haben und weiß, dass er in eine gute Familie hineingeboren ist.

Oberflächlich betrachtet geht es um Stanleys Kindheit und wie er langsam erwachsen wird. Hier finden sich deutliche Züge eines Coming-of-Age-Romans, weil sich Stan im Laufe des Sommers rätselhafte Zusammenhänge erschließen. 

"Man denkt, man wär erwachsen, und irgendwann weiß man, man wird es nie." (S. 268)

Ihm wird erklärt woher die Babys kommen und wie man das mit einem Ballon verhindern kann. Er sieht, dass Gewalt zwar keine Lösung, aber ein herkömmliches Mittel ist, und begreift, dass viele Menschen Rassisten sind. 

Diese tiefgreifenden Themen sind ganz typisch für Lansdale und er webt sie gekonnt in die Handlung ein. Mir gefällt, wie geschmeidig die Ereignisse ineinandergreifen und wie locker der Tonfall bei allen Situationen bleibt. Dabei zeichnet sich Lansdale durch seine rohe Ausdrucksweise aus und kann gleichzeitig poetisch werden. 

Die Handlung ist eher ruhig erzählt und weist trotzdem einige dramatisch sowie spannende Momente auf. Zentral ist Stans Sommer, wobei das Geheimnis mal mehr, mal weniger in den Vordergrund rückt. Es gibt nur eine Angelegenheit, die der Autor meiner Meinung nach am Ende nicht zum Abschluss bringt und deshalb mein einziger Kritikpunkt ist. 

Besonderes Augenmerk liegt auf der Zeit der 1950er-Jahre, die Lansdale dem Leser in jedem Moment spüren lässt. Man könnte beim Lesen fast nostalgisch werden, weil man richtig im damaligen Flair abtauchen kann. Charme aber auch Schattenseiten brodeln durch die Seiten, während man mit Stanley im Autokino sitzt, mit dem Fahrrad Spukhäuser erkundet oder ganz einfach mit Hund Nub draußen spielt. 

Mich hat Joe R. Lansdale erneut in die dichte Atmosphäre seiner Erzählung gezogen und mir eine berührende Geschichte erzählt. Es ist alles dabei, was einen guten Roman ausmacht und ich will unbedingt mehr von dem Autor lesen. 

„Ein feiner dunkler Riss“ ist ein bewegender Coming-of-Age-Roman mit kriminalistischer Spannung, mitreißenden Gruselmomenten und eindringlichem Flair, den ich nur empfehlen kann.

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