[Rezension] Eigentlich sind wir nicht so (Luisa Binder)

Luisa Binder: Eigentlich sind wir nicht so. Ein kauziger Familienroman 
[Rezension] Eigentlich sind wir nicht so (Luisa Binder)In ihrem Erstlingswerk nimmt Autorin Luisa Binder geschickt die Problematiken einer Generation, die im Hier und Jetzt zwischen Karrierehoch und Kreditunwürdigkeit pendelt, unter die Lupe. Beinahe schon ein Klassiker der Gegenwart, oder? Doch hier heißt es: Nicht verzagen ... Früher oder später wird jeder Kauz einmal flügge.

Ein Dankeschön an den Knaur Verlag für diesen locker-leichten Roman, der als Überraschungspost den Weg zu mir gefunden hat!
Cover: Droemer Knaur
~ Rezension ~
Die Schule des Lebens versus ein Studium der Kunstgeschichte

Über Marie ist die Katastrophe hereingebrochen: Sie hängt nach abgeschlossenem Studium, Kunstgeschichte und Kulturanthropologie, jobtechnisch in einem totalem Vakuum der Ahnungslosigkeit fest. Dann wurde sie auch noch von ihrem Freund verlassen und mit Nachdruck von ihren Mitbewohnern vor die WG-Tür gesetzt. Mit Ende zwanzig kehrt Marie also in ihr Elternhaus zurück. Aber anstelle eines herzlichen Willkommens und eines trauten Heims findet sie ein Irrenhaus vor: Zwei Freundinnen ihrer Eltern stecken mitten in einer Lebenskrise und quartieren sich kurzerhand ebenfalls bei den Schröders ein. Zwischen Mauerblümchen und Lebefrau, notorisch nörgelndem Vater und vermittelnder Mutter schlagen die Wogen schnell hoch. Und dann wäre da noch das überraschende Wiedersehen mit Daniel, dem einstigen Star aus Maries Jahrgangsstufe und Schwarm aller Mädchen. Ein gefundenes und wieder einmal fehl zu interpretierendes Fressen für die schräge Kombo, mit der Marie sich gezwungenermaßen Käsekuchen und Kleiderschrank teilen muss.


Eigentlich sind wir nicht so ist Luisa Binders Debütroman, mit dem die studierte Geisteswissenschaftlerin den gekonnten Spagat zwischen "Geschichten wie sie das Leben schreibt" und akzentuierter Verschrobenheit demonstriert.

Marie als Endzwanzigerin, die mit akademischem Abschluss, aber ohne aussichtsreiche Perspektive wieder bei ihren Eltern Unterschlupf findet, nimmt eine klare Stellvertreterrolle ein. Luisa Binder verleiht ihr das nicht untypische Profil einer Generation, die sich der Crux aus Überqualifikation hier und zu wenig Berufserfahrung dort stellen muss. Marie hat das Gefühl, ihre Jahre an der Uni verschwendet zu haben. Zwischen Resignation und Trotz schwankend, begibt sie sich auf der Suche nach Alternativen und stößt dabei auf ungeahnte Talente. Damit wird Luisa Binders Romanfigur zum Gesicht einer Generation, die — ganz real  nur zu häufig vor ähnlichen Hürden steht. Nicht zuletzt untermauern die eigenen Beobachtungen und Erfahrungen der Autorin ihre Geschichte mit einem authentischen Fundament.

Als überaus gelungen stellt sich für mich die Mischung aus pfiffigem Realitätssinn und herrlich kauziger Überzeichnung dar. Dies wird besonders in der Porträtierung der einzelnen Charaktere deutlich, die mit Wonne klare Klischeehaftigkeiten ausfüllen. Dadurch entsteht eine Nähe zwischen Figurenensemble und Leser, die sich festigt. (Galgen-) Humor und eigenwilliger Aktionismus sorgen im Fortgang des Romans für beständiges Amüsement.

Der Roman kommt sowohl inhaltlich als auch stilistisch ohne die überdurchschnittlich beeindruckenden Ausrufezeichen, die immerwährend in Erinnerung bleiben, aus. Dafür sorgt ein mit Verve und Schmissigkeit ausgestatteter Handlungsbogen für köstliche Unterhaltung. Als großes Plus, so finde ich, darf auf jeden Fall das Identifikationspotenzial, welches geboten wird, gelten.

In der Summer wartet Luisa Binder mit einem neckischen Familienroman auf, der seinem kauzigen Titel(bild) in vielerlei Hinsicht gerecht wird. 


FZIT: Lebensecht. Schräg. Wachsend.

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