Nicola Yoon | Du neben mir | Dressler Verlag | Genre: Jugendbuch | 336 Seiten |16,99€ (D) 17,50€ (A) | ISBN-13: 978-3-7915-2540-2
Darum Geht's:
Madeline Whittier leidet an einer seltenen Krankheit, die es ihr nicht ermöglicht, nach draußen zu gehen. Ihr ganzes Leben lang hat sie in ihrem sterilen Haus gelebt, wo sich ihre Mutter - Ärztin - um sie kümmert. Ihr Alltag ist geprägt von gleichbleibender Langeweile: jeden Tag das Gleiche tun. Als in das Nachbarhaus der Parkour-Läufer Olly mit seiner Familie einzieht, ändert sich dies jedoch radikal. Plötzlich hat sie einen Freund, wo sie sonst nur mit Carla, ihrer Krankenschwester, reden konnte. Plötzlich findet sie neue Seiten in ihr selbst. Und plötzlich möchte sie raus - und sei es nur für einen Tag.
Cover, Titel, Klappentext:
Das Cover ist bunt, voller Details und kleinen Gegenständen, die es zu entdecken gibt. Der ganze Stil wirkt jugendlich, frisch und interessant - mal etwas anderes als die typischen Cover, die man irgendwo her schon kennt. Das deutsche Cover ist übrigens angelehnt an das originale, welches der Ehemann der Autorin illustriert hat - im Original heißt es Everything, Everything und sieht meiner Meinung nach noch interessanter aus. Das Deutsche finde ich trotzdem sehr, sehr gelungen!Der deutsche Titel hat mit dem Originaltitel ja nicht mehr viel zu tun, dennoch passt es gut auf die Geschichte, da Madeline und Olly sich theoretisch nicht einmal anfassen dürfen. Es macht ja auch sehr neugierig, was denn nun zwischen den beiden steht.Der Klappentext ist auch gut gewählt - er fasst das wichtigste zusammen und lässt weg, was sowieso offensichtlich ist. Man bekommt ein sehr klares Gefühl dafür, um was es in der Geschichte geht, ohne, dass zu viel verraten wird. Alles in allem bin ich sehr begeistert von den "äußeren Faktoren"!The greatest risk is not taking one
Du neben mir hat zwar 332 Seiten, einige davon sind jedoch nur mit ein oder zwei Sätzen bedruckt, manche beinhalten Illustrationen und wiederum andere sind als Chatverläufe dargestellt. Deswegen liest sich das Buch wesentlich schneller als die Seitenzahl vermuten lässt. Generell ist das Buch stilistisch sehr interessant! Neben den gängigen Erzählformen Dialog (Chat) und Ich-Perspektive, versucht das Buch durch verschiedene Illustrationen oder kurzen Sätzen Gefühle zu vermitteln. Beispielsweise gibt es immer wieder Madelines Wörterbuch, wo kurz ein Wort aus ihrer Perspektive erläutert wird.
"Meer, das. Der endlose Teil von dir selbst, von dem du noch nie wusstest, dass er da ist, obwohl du es immer geahnt hast. (2015, Whittier)" - Du neben mir; S. 216
Aber auch E-Mails werden verbildlicht, Notizen mit Bärchen drauf sind abgebildet, das Kapitel Spirale ist eine Spirale aus Worten, u.v.m. (siehe Bilder unten)Das muss man sicherlich mögen. Ich sehe die große Stärke darin, weil es mal ein anderes Leseerlebnis ist und auch mit visuellen Eindrücken arbeitet. Und ich persönlich liebe solche Sachen. Ich habe aber auch schon gelesen, dass einige das einfach nur inhaltslos und nervig finden. Inhaltlich bietet der Roman jedenfalls eine durchschnittliche, niedliche Liebesgeschichte, die jedoch sehr vorhersehbar ist. Ab der ersten Seite wusste ich, wie sich das Buch entwickeln wird, wobei es mich bei diesem Roman nicht sehr gestört hat. Trotz der Tatsache, dass ich wusste wie es ausgeht, haben die spannenden Momente größtenteils bei mir wegen der Aufmachung funktioniert. Wenn einen diese Vorhersehbarkeit massiv stört, würde ich von dem Buch allerdings eher abraten. Maddy wächst in ihrer sehr behüteten Wohnung auf, nachdem man bei ihr als Baby einen Immundefekt entdeckt hat. Ihre Mutter als Ärztin, kümmert sich daher um sie. Zusammen mit Carla, der Krankenschwester und einzigen Freundin von Maddy. Das Verhältnis zwischen ihnen und zwischen Maddy und ihrer Mutter ist daher unheimlich innig und sehr harmonisch. Das weiß die Autorin auch sehr liebevoll umzusetzen. Es ist sehr rührend, wie der Alltag geschildert wird. Jeden Freitag Abend schauen Mutter und Tochter einen Film und spielen Ehrenwort-Pictionary oder phonetisches Scrabble, wo man die Wörter legt, wie sie ausgesprochen werden (Bsp: JIENS statt JEANS (S. 18)). Dass auch solche Kleinigkeiten, wie die besonderen Spiele, dargestellt werden, hat mir besonders gut gefallen. Olly hingegen ist ein absolutes Kontrast-Programm. Seine Familie ist mit Problemen zugeschüttet und alles andere als harmonisch. Als Parkour-Läufer ist er ständig draußen, an der frischen Luft und ist frei. Dennoch finde ich, dass Olly ein klein wenig zu kurz gekommen ist im Vergleich zu den anderen Figuren. Gerade, weil er eigentlich die zweite Hauptfigur darstellt. Man bekommt zwar eine sehr klare Vorstellung von seinem Charakter, aber insgesamt ist er recht einseitig beleuchtet. Was weiß man am Ende von ihm? Dass er gut in Mathe ist, gerne Sport macht, ein Problem mit der Familie hat und nicht gut in Rechtschreibung ist. Mehr im Grunde genommen nicht - da fehlt mir eine gewisse Individualität. Was man ihm aber zu Gute halten kann ist, dass er wirklich als ein sehr charmanter und liebenswürdiger Junge dargestellt wird, mit dem man sofort sympathisiert.
Man versteht sofort, wieso Olly derjenige ist, der in Maddy die tiefe Sehnsucht nach der Freiheit entfacht. Seit sie sich erinnern kann, lebt sie risikolos, immer in der Hoffnung, keinen Krankheitsausbruch zu erleiden. Ihre Tage sind immer gleich. Doch nicht nur ihre Sehnsucht wird größer, auch sie ändert sich und bekommt zunehmend Probleme mit ihrer Mutter.
Das Ende und die Spannung sind so ein bisschen die Problempunkte des Buchs. Einerseits ist das Ende ein wenig zu abrupt und hat mich mit einem Gefühl zurückgelassen, als wäre noch nicht alles geklärt. Andererseits war es mir ein wenig zu sehr Happy End. Irgendwie hätte ich mir eine tragischere Wendung gewünscht. Spannung wird sehr wenig erzeugt. Das Buch macht es einem vor allem dadurch leicht am Ball zu bleiben, weil die Kapitel so kurz und die Darstellungen/Illustrationen so kreativ sind. Wenn man für solche Sachen jedoch nicht empfänglich ist, wird das Buch sehr langweilig.
Zum Schluss noch ein kurzes Wort zum Schreibstil, auf den ich tatsächlich gar nicht so sehr geachtet habe. Wie schon gesagt passiert viel über die Gestaltung. Daher rückt der Schreibstil ein wenig aus dem Rampenlicht. Negativ ist er mir jedenfalls nicht aufgefallen, er lässt sich flüssig und leicht lesen. Dennoch ist mir nichts Markantes im Kopf geblieben, das ich nun erwähnen könnte.
Fazit:
Du neben mir ist eine sehr liebevolle Geschichte, die vor allem durch die schöne Gestaltung brilliert und mit Madeline und Olly eine sehr sympathische Protagonisten gefunden hat, die man gerne ein Stück weit verfolgt. Plot und Schreibstil befinden sich in einem nicht schlechten, aber auch nicht herausragenden Niveau. Eine absolute Empfehlung von meiner Seite gibt es, wenn man auf solche gestalterischen, visuellen Eindrücke steht (so wie ich), ansonsten ist das Buch eher durchschnittlich.
Genre-Wertung:
Gesamt-Wertung: