[Rezension] Die Hassliste

Von Felinax3



Titel: Die HasslisteOriginaltitel: Hate ListAutor: Jennifer BrownVerlag: deutscher Taschenbuch Verlag (dtv)ISBN: 978-3-423-76003-4
Leseprobe: 

Zitat: "Ich wusste es ja selbst kaum. War ich der Bösewicht, der den Plan ausgeheckt hatte, die halbe Schule abzuknallen, oder die Heldin, die sich selbstlos geopfert und das Morden beendet hatte? [...] Ich hatte keine Sekunde lang nachgedacht, als ich mich zwischen Nick und Jessica warf. Garantiert habe ich nicht überlegt: "Das hier ist eine super Gelegenheit, um ausgerechnet das Mädchen zu retten, das mich so oft ausgelacht hat und mich Todesschwester nennt." " (S. 15)

Erster Satz: "Als >>entsetzlich<< bezeichnen Ermittlungsbeamte, die derzeit die näheren Umstände des Gewaltausbruchs vom Freitagvormittag untersuchen, die Umstände am Schauplatz des Verbrechens, der Cafeteria der Garvin-Highschool."
INHALT
Valerie ist sechzehn, als ihre Welt zusammenbricht. In der Schul-Cafeteria eröffnet ihr Freund Nick das Feuer auf seine Mitschüler, tötet sechs Menschen und verletzt zahllose andere. Valerie versucht, ihren Freund aufzuhalten, wirft sich vor eine ihrer Mitschülerinnen und wird dabei schwer getroffen. Doch hinterher ist sie für niemanden eine Heldin. Über Monate haben Valerie und Nick eine Hassliste geführt - für Valerie ein Ritual, das die beiden miteinander verband, für Nick offenbar viel mehr ...
EIGENE MEINUNG
Jeder kennt wahrscheinlich das Gefühl, wenn man nach dem Lesen das Buch zuschlägt und leer, wie betäubt zurückgelassen wird. Man starrt in die Leere und zigtausend Gedanken schwirren durch den Kopf.
So ging es mir bei diesem Buch.
Es beschreibt das "Phänomen" Amoklauf aus einer ganz neuen, unbekannten Sichtweise: der der Mittäterin, der Freundin des Amokläufers. Valerie und Nick haben die Toten  gehasst, wurden von ihnen jahrelang gedisst und gedemütigt.
Valerie war bis zum Amoklauf ein ziemlich normales Mädchen, war in ihrer Schule zwar eine Außenseiterin, hatte aber Freunde. Ihre Eltern verstehen sich schon seit langer Zeit nicht mehr, was sie und ihren Bruder Frankie langsam aber sicher zermürbt.
Nick war ihr Rettungsanker. Auch er litt unter seiner Familiensituation, sie fühlen sich füreinander bestimmt.
Nick, der wütende, der Außenseiter, mit dem schüchternen leichten Lächeln und seiner Liebe zu Shakespeare. Nick, der über den Tod redete wie andere über Autos.
Die Nebencharaktere waren größtenteils sehr gut beschrieben, fast jeder hatte Persönlichkeit und kaum einer wurde zum Mittel zum Zweck degradiert. Genervt hat mich einmal der Vater, der zu einseitig und für einen Vater als zu egoistisch, selbstsüchtig und gleichgültig beschrieben wurde und die durchgängig negative Darstellung der Zeitungen/Presse. Ja, man findet verdammt viel Scheiß, der in den Zeitungen ist, reißerische, gelogene, unwahre Artikel. Aber es ist unrealistisch, dass es keinen einzigen Journalisten gegeben hat, der sich irgendwie um die wahre Geschichte bemüht hat und einen ernsthaften Bericht schreiben will. Stattdessen steht hier eine Journalistin im Vordergrund, die faul ist, sich für nichts als Quoten interessiert und kein Interesse an Recherchen hat. Ansonsten ist immer nur von der Reportermeute und der Presse die Rede. Das finde ich sehr schade, ehrlich gesagt.
Der Leser begleitet Valerie, wie sie versucht, wieder einen Weg zurück ins Leben zu finden. Sensibel und einfühlsam schildert die Autorin Valeries Ängste, Probleme und Herausforderungen, denen sie sich stellen muss. Besonders gefallen haben mir die Therapiesitzungen mit ihrem Psychologen, einem unglaublich sympathischen und einfühlsamen Mann und die Malstunden bei Bea, der verrückten "purpurnen" Künstlerin.
Überhaupt, ich finde es toll, wie die Autorin Valerie ihre Gefühle und Beobachtungen durch Zeichnungen ausdrücken lässt. Diese Passagen haben mir, glaube ich, am meisten gefallen. Es war einfach unglaublich lebendig und anschaulich, sodass selbst ich, bekennende Unkreative und Unbegabte, Lust bekam, zu malen.
Das Ergebnis wird für immer verborgen bleiben. :D
COVER & GESTALTUNG
Das Cover ist auf den ersten Blick vielleicht ein bisschen merkwürdig und gewöhnungsbedürftig, es ist aber, wie ich finde, perfekt. Ein rotes Mädchengesicht, dunkle Schatten, mit einer großen Träne unter dem linken Auge. Es könnte sogar sein, dass es eins der Bilder sein soll, die Valerie gemalt hat.
EMPFEHLUNGAllen, die es gerne etwas nachdenklicher mögen, und die kein Problem mit etwas traurigeren / deprimierenderen Themen haben, wird dieses Buch gefallen.
BEWERTUNG
Das Buch behandelt ein sehr sensibles Thema, das mittlerweile tragischerweise wohlbekannt ist, und die Autorin hat es, von ein paar störenden Kleinigkeiten abgesehen, geschafft, die Geschichte von so einem Standpunkt zu erzählen, ohne dass auch nur eines der Opfer aus den Augen vernachlässigt wurde.