Kritik
Mit "Die Flucht" hat Ally Condie den sehnsüchtig erwarteten zweiten Teil ihrer Trilogie um Cassia und Ky geschrieben. Wie der Titel schon verrät, sind die beiden Darsteller Cassia und Ky auf der Flucht vor einem System, das die komplette Kontrolle über die Menschheit hat.
Der Sprachstil der Autorin ist wie auch im ersten Teil "Die Auswahl" flüssig zu lesen, dabei aber auch sehr detailliert und greifbar. Schnell gelingt es den Lesern, sich wieder in die Geschichte einzufinden und begibt sich dann mit den Darstellern auf "Die Flucht". Auch die Poesie nimmt wieder einen Raum in der Geschichte ein, Gedichte, die auf eine Bewegung gegen das System und den "Steuermann" hinweisen, werden rezitiert. Gerade diese Gedichte machen einen guten Teil der Fragen aus, die sich dem Leser schnell stellen dürften: Um was geht es dabei genau und wer ist der Steuermann? Die Schauplätze, besonders die Canyons, werden greifbar beschrieben. Die Umgebung nimmt so Gestalt vor dem inneren Auge an. In der Handlung liegt der Fokus auf der Flucht, aber auch die Entwicklung der Charaktere und deren Geheimnisse nehmen Raum ein. Erschreckend ist die Brutalität und die menschenverachtende Haltung des Systems. Wer sich nicht an die Vorgaben des Systems hält und wagt eigensinnig zu sein, läuft schnell Gefahr vom Bürger zu "Aberrationen" hinabgestuft zu werden, damit ist das Leben dann keinen Pfifferling mehr wert. Besonders Jugendliche werden so schnell zu Kanonenfutter. In verschiedenen Nebenhandlungen wird die Vergangenheit der Figuren ausgeleuchtet und vieles versteht der Leser so viel besser und kann die Handlungen der Darsteller nachvollziehen. Zum Ende hin klären sich so manche Fragen, allerdings nicht alle und dem letzten und dritten Teil um Cassia und Ky kann so entgegengefiebert werden.
Gleich zu Beginn zieht Ally Condie den Spannungsbogen rasant an und die ersten Kapitel fliegen nur so dahin. Erst stetig steigernd nimmt diese im mittleren Teil dann etwas ab und ruhigere Sequenzen behalten kurz die Oberhand. Trotz dieser ruhigen Szenen wird es allerdings nicht langweilig, zu viel gibt es zu entdecken, sei es die grandios gezeichnete Landschaft oder die Darsteller mit ihren Belangen, immer wird genug Neugier auf den weiteren Verlauf geschürt. Zum Ende hin nimmt der Roman dann noch mal an Fahrt auf.
Erzählt wird wechselnd aus der Perspektive von Cassia und Ky. Abwechselnd erzählen die Protagonisten dem Leser aus der Ich-Perspektive die Erlebnisse und der Leser erhält Einblick in das, was die beiden vorantreibt. Dies müssen nicht immer gleiche Ziele sein.
Die Zeichnung der unterschiedlichen Darsteller ist Ally Condie ansprechend gelungen. Nicht nur die beiden Hautdarsteller sind greifbar und authentisch dargestellt, auch bei den weiteren Figuren zeigt sich das die Autorin Wert auf glaubwürdige und dreidimensionale Figuren Wert legt.
Cassia wächst über sich hinaus, war sie im ersten Band besonders am Anfang dem System treu ergeben, ändert sich dieses schnell. Sie hat das System durchschaut und wird zu einer ernst zu nehmenden Gegnerin. Durch die Gedichte, die sie von ihrem Großvater erhielt, wird sie auf die "Erhebung" aufmerksam. Mit starkem Willen gegen die Ungerechtigkeiten zu kämpfen, ist sie zu vielem bereit.
Ky nimmt immer mehr Form an. War er im ersten Teil noch so manches Mal recht undurchsichtig, wird nun klar, welche Hintergründe er hat. Dadurch, dass die Geschichte nun auch aus seiner Perspektive erzählt wird, kommt nach und nach ans Licht, warum er zu einer "Aberration" klassifiziert wurde. Seine Ängste diesbezüglich sind nachvollziehbar.
Neu kommen Eli und Indie dazu. Diese beiden Charaktere bereichern die Geschichte. Indie treibt etwas ganz Eigenes an, sie zeigt sich als Kämpferin, die auch bereit ist, ihre Freunde im Stich zu lassen, um ihr Ziel zu erreichen. Eli dagegen ist sehr jung und daher auch etwas ängstlich, was ihn zu einer "Aberration" macht, bleibt erstmal unklar. Mit seiner zurückhaltenden Art wächst er nicht nur Ky schnell ans Herz. Auch die Leser dürften sich seiner Art kaum entziehen dürfen.
Die Gestaltung des Covers passt zu seinem Vorgänger. War bei "Die Auswahl" noch ein Mädchen in einer schützenden Glaskugel zu sehen, bricht eben dieses Mädchen nun aus, die Glaskugel zerbricht.
Autorin
Ally Condie stammt aus dem südlichen Utah, USA, einer wunderschönen Gegend, die der Landschaft in "Die Flucht" als Vorlage diente. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Salt Lake City. Nach ihrem Studium unterrichtete sie mehrere Jahre lang Englische Literatur in New York, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Ihre Romane um "Cassia & Ky" werden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und sind große internationale Bestseller.
Fazit
"Die Flucht", der zweite Band um Cassia und Ky, überzeugt besonders durch die leisen, nachdenklichen Töne, die diesen Roman ausmachen. Plastische Beschreibungen vermitteln ein lebendiges Bild und die Protagonisten werden noch greifbarer. Der Plot regt weiterhin zum Nachdenken an, schnell stellt sich der Leser die Frage, wie weit er für ein selbstbestimmtes Leben gehen würde, wie viele Grenzen man selber aushalten würde.
"Die Flucht" zeigt das einfühlsame, erzählerische Talent der Autorin. Leider endet der zweite Band um Cassia und Ky wieder viel zu schnell und der Leser dürfte gespannt auf den abschließenden Teil dieser ansprechenden Trilogie warten.
Cassia und Ky:Band 1: "Die Auswahl"Band 2: "Die Flucht"Band 3: "Juntos" (noch ohne dt. Titel)
Gebundene Ausgabe: 464 SeitenISBN-13: 978-3841421449Vom Verlag empfohlenes Alter: 14 - 17 JahreOriginaltitel: Crossedwww.fischerverlage.de