{Rezension} Die erstaunliche Wirkung von Glück

Von Blaetterwind
Susann Rehlein | Die erstaunliche Wirkung von Glück | Dumont | 318 Seiten | 18,00 € (D) | ISBN: 978-3-8321-9806-0

Darum geht's:


Dorle ist Mitte zwanzig und lebt im Souterrain einer alten Villa, wo sie in Heimarbeit Kristalle für eine Kronleuchtermanufaktur zusammensetzt und die Aufgaben einer Concierge ohne Bezahlung wahrnimmt, obwohl sie eigentlich gar keine ist. Trotzdem ist Dorle eigentlich zufrieden mit ihrem Leben. Als die 84 Jährige Frau Sonne, welche im obersten Stock wohnt, für 3 Monate verreist, soll sie gegen hohe Bezahlung auf ihre Wohnung aufpassen und die Aufgaben, die sie per Fax erreichen, erfüllen. Klangschalentherapie für die Pflanzen, sich um den Kater kümmern, zur Massage gehen, Dates wahrnehmen - all dem muss sie sich stellen. Und sie merkt langsam, was sie alles bisher verpasst hat.

Cover, Titel, Klappentext


Die Worte "eine skurrile Hausgemeinschaft, eine bezaubernde Außenseiterin und die große Liebe" strahlen einen auf dem Buchrücken nur so entgegen. Ich bin vor allem wegen des schönen Klappentextes auf das Buch aufmerksam geworden, aber auch das Cover finde ich sehr schön.Es hat mich direkt an ein Märchenbuch erinnert, und das spiegelt sogar sehr gut den Inhalt wieder. Das ganze Buch ist thematisch auf die Kristalle fokussiert. Nicht nur das Cover, sondern auch die einzelnen Kapitel werden durch kleine Kristalle voneinander abgetrennt. Das sind zwar nur Details, aber ich mag so etwas gerne!

Auf der Suche nach dem Glück 


Ich bin ganz ehrlich - mich hat dieses Buch etwas ratlos zurückgelassen. Vielleicht war es auch ein Stück weit mein "Fehler", weil ich mit der falschen Erwartung an das Buch herangegangen bin und es diese Erwartungen natürlich auch nicht halten konnte.  Die erstaunliche Wirkung von Glück wird im Präsens aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers erzählt, wobei sich selten die Autorin in ein bis zwei Seiten direkt an den Leser richtet und die Geschichte von Dorle reflektiert. Dieses Stilmittel macht einen sehr darauf aufmerksam, dass es sich nur um eine Geschichte handelt, distanziert einen von Dorle und den anderen, was für mich besonders zu der märchenhaften Atmosphäre beigetragen hat. Aber auch die Eindimensionalität der Figuren war hier vermutlich ausschlaggebend für das Feeling. Die Figuren sind alle in ihrer Beschreibung zwar sehr markant und durchgeknallt, aber dennoch blieben sie mir sehr blass in Erinnerung. Dorle - eine Eigenbrötlerin ohne Selbstbewusstsein, die sich lieber in ihre vier Wände zurückzieht und ein bescheidenes Leben führt. Als Heimkind hatte sie keine einfache Kindheit und lässt sich auch mit 24 Jahren noch von ihren Mitbewohnern ausnutzen.Sie wirkt am Anfang sehr undurchsichtig, ihre Gedanken, ihre Erlebnisse und die Art, wie sie mit solchen umgeht, wirkt ein wenig befremdlich. Natürlich macht sie im Laufe der Handlung eine Entwicklung durch, die man auch mit ihr zusammen erleben kann, aber das Gefühl, dass sie unnahbar ist, blieb bis zum Ende. Ich mochte aber sehr, dass sie trotz der Entwicklung immer noch die gleiche Person geblieben ist. Sie dreht sich  nicht um 180 Grad, sondern fängt lediglich an, die Dinge aus einer neuen Sichtweise zu betrachten. Generell wird man als Leser mit vielen kleinen Dingen konfrontiert, die nicht nur Dorle, sondern auch einen selbst sehr nachdenklich stimmen können.Außer ihr und Joe, in den Dorle heimlich verliebt ist, sind die anderen Figuren alle im geschätzten Alter von 70-80 Jahren, und sie haben häufig einen sehr scharfkantig skizzierten Charakter, vor allem  die rosahaarige Henriette Schräubchen, die Assistentin von Frau Sonne. Stereotypisch sind sie auf jeden Fall nicht. Teilweise sind sie sehr nett, teilweise sind sie ganz furchtbar und nutzen Dorle einfach nur aus. Es hat mich wirklich einerseits geärgert, wie unverschämt sie teilweise mit Dorle umgegangen sind, und andererseits, dass Dorle sich so etwas gefallen lässt. Und schließlich ist da noch Frau Sonne selbst, die einen Plan ausheckt, um Dorle zu zeigen, dass man auch anders leben kann. Wo der Gedanke ja ganz süß sein mag und dem Buch auch eine schöne Note gibt, wirkt die Umsetzung des Plans manchmal etwas unglücklich gewählt. Indem sie ihre Wohnung an Dorle abtritt und ihr regelmäßig per Fax ein paar Aufgaben zusendet, die sie erfüllen soll. Die Aufgaben bestehen daraus, Massagen wahrzunehmen, Hefezöpfe zu backen oder in schicken Klamotten in Nobelrestaurants bezahlte Dates zu treffen. Und das soll nun zum Glück verhelfen?

Ob diese Befremdlichkeit der Figuren nun gut oder schlecht ist, das ist vermutlich Geschmackssache. Man kann diese Art von märchenhafter Darstellung sehr lieben lernen. Dorle wird im Buch auch mit Aschenputtel verglichen, dem kann ich auch sicherlich zustimmen, was auch dadurch unterstützt wird, dass mich die Sprache ein wenig an Märchen erinnert hat. Denn auch der Schreibstil ist recht eigen, wenn auch wirklich liebevoll. An einigen Stellen ist er poetisch, verträumt und klug, aber doch auf eine recht subtile und dennoch detaillierte Weise, was an einigen Passagen schwergängig werden kann. Wirklich störend wurde es für mich allerdings erst in Verbindung mit dem Erzähltempo, der mir fast schon schleichend vorkam. Einige Passagen scheinen sich immer wieder zu wiederholen, was mich zum überfliegen verleitet hat. Die Storyline hat mich ebenfalls - leider - enttäuscht. Es war doch recht vorhersehbar und ich persönlich hatte das Gefühl, dass hier der rote Faden etwas zu strikt verfolgt wurde. Man wird nicht überrascht, es gibt keine Dinge, die man nicht hätte absehen können. Vielleicht ist dies aber auch gewollt. Das Buch ist sicherlich kein aufregendes Buch, das man mal schnell gelesen hat. Es braucht seine Zeit, gerade weil es so ruhig ist und an manchen Passagen sehr viel Potenzial hat, um darüber nachzudenken. 


Fazit:


Ich fand es wirklich sehr schwierig, dieses Buch zu rezensieren, weil ich es mir so anders vorgestellt hatte, als es war und dadurch ein Nachgeschmack blieb. Daher möchte ich an dieser Stelle dazu anhalten, auch die Meinungen anderer zu lesen. (Unten habe ich einige verlinkt)Insgesamt mochte ich die märchenhafte Art, die ruhige, etwas melancholisch-traurige Stimmung, aber es war mir doch an vielen Stellen zu unnahbar, zu vorhersehbar, zu langatmig.


Zusammenfassung:
Genre: Entwicklungsroman ?Atmosphäre:  märchenhaft, ruhig, ein wenig melancholisch-düsterUmsetzung der Idee: an vielen Stellen befremdlich.Plot: sehr vorhersehbarCharaktere: sehr markant und eigen, aber dennoch blassSprachstil: sensibel, poetisch, detailverliebt  Spannungsbogen: langatmig


Genrewertung:
Gesamtwertung:
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