Rezension: Die dreizehnte Geschichte - Diane Setterfield

Die Dreizehnte GeschichteAutor: Diane Setterfield
Format: Gebunden, 525 SeitenVerlag: Karl Blessing Verlag
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 978-3896673282
Klappentext:
Geheimnisvoll, gespenstisch, genial!Sie ist Englands bekannteste Schriftstellerin, und doch weiß keiner, wer Vida Winter wirklich ist. Ihr ganzes Leben lang hat sie Stillschweigen darüber bewahrt, was damals, in jener Nacht vor rund sechzig Jahren, wirklich geschah, als der Familienbesitz der Angelfields bis auf die Grundmauern niederbrannte. Nun, dem Tode nah, möchte sich Vida Winter ihrer Vergangenheit stellen und berichtet der Buchhändlerin Margaret Lea die schockierende Wahrheit über sich und ihre Zwillingsschwester.
Margaret Lea ist überrascht als sie einen Brief der berühmten Vida Winter gebeten wird ihre Biographie zu schreiben. Die Antiquarin, Hobby-Biographin und sehr zurückgezogen lebende Frau begreift nicht, warum ausgerechnet sie dazu auserkoren wurde. Aber sie nimmt den Auftrag an und vor ihr entfaltet sich eine Geschichte, wie sie die Brontë Schwestern ebenso hätten entsinnen können.
Der ersten Sätze:Wir hatten November. Es war noch gar nicht spät, als ich in die Laundress Passage einbog, und doch schon ziemlich dunkel. Vater hatte Feierabend gemacht, die Lichter im Geschäft ausgeknipst und die Klappläden geschlossen; nur die Lampe über der Treppe zur Wohnung hatte er angelassen, damit ich mich zurechtfinden konnte, wenn ich nach Hause kam.

Über den Inhalt:Vida Winter ist bekannt dafür bislang alle ihre Biographen in die Irre geführt zu haben. Sie strickt Geschichten so rasch und beschwingt, das es bislang niemandem gelungen ist eine echte Biographie über sie zu verfassen. So weiß die Welt bislang kaum etwas über eine ihrer beliebtesten Autorinnen... und dann ist da noch ihr erstes Buch, das ursprünglich „Dreizehn Geschichten“ hieß, aber nur zwölf Geschichten enthielt. Alles sehr mysteriös und die erst sehr skeptische Margaret Lea, die sich eigentlich nur mit verstorbenen Autoren befasst, versucht Stück für Stück hinter all diese Rätsel zu kommen... doch sie muss sich in Geduld üben, denn Vida Winter ist zwar bereit ihre Lebensgeschichte zu erzählen, aber sie wird keine Fragen beantworten und nicht vorausgreifen... sie wird ihre Geschichte mit auf ihre eigene Art erzählen.
Hintergründe:
Diane Setterfield entführt uns in die geheimnisumwitterte Welt der Familie Angelfield – ein schaurig-schöner Roman und zugleich eine Hommage an die vikotrianischen Klassiker des 19. Jahrhunderts.
so steht es auf dem Klappentext und der Leser darf sich gemeinsam mit Margaret auf die Suche nach der Wahrheit machen. Diane Setterfield arbeitet sich langsam an die Geschichte heran und sie tut dies anhand von Motiven britischer Klassiker. So scheint „Jane Eyre“ eine große Rolle zu spielen, und doch, wenn man am Ende angekommen ist, sollte man statt zu Charlotte noch mal zu Emily Brontë greifen. Ich zumindest fand eine Menge mehr von der „Sturmhöhe“ in diesem Roman als von „Jane Eyre“.
Zeitlich liegt das Geschehen des Romans etwas im unklaren, auch wenn es für mich nahe liegt eine Zeit für die Jetztgeschichte um Margaret mit ungefähr den 60ger Jahren anzunehmen, was bedeutet, das Vidas Geschichte sich ungefähr um die Jahrhundertwende abspielen müsste. Aber vielleicht ist solch ein Datierungsversuch auch zu gewagt. Es wirkt zumindest alles an diesem Buch nicht sonderlich modern, sondern antiquiert, was der Geschichte eine sehr eigene und besondere Stimmung verleiht.
Der Aufbau der Geschichte besteht aus zwei Teilen, der Geschichte von Margaret und ihrer Suche nach den Wahrheiten und den Erzählungen Vida Winters. Diese werden noch vertieft durch Erzählungen verschiedener Nebencharaktere.Die Sprache ist klar, spielt aber verliebt mit Farben, Formen und Strukturen und läßt trotz aller Beschreibungen viel Raum für die eigenen Gedanken und Vorstellungen.
Allen Charakteren ist eine gewisse Exzentrik eigen. So wirkt Vida Winter ungemein kalt und hart, Margaret sehr zerbrechlich und in sich so zurückgezogen, dass es manchmal etwas anstrengend ist ihr zu folgen. Diane Setterfield gelingt es aber sie lebendig genug zu beschreiben, dass es nicht unglaubwürdig wirkt und läßt, wenn auch langsam eine Entwicklung der Charaktere zu.
Geschwister- und Zwillingsbande spielen eine sehr große Rolle in diesem Roman und verleihen der Geschichte, neben dem Aberglauben, seine Mystik und ein phantastisches Element, das sich als roter Faden über die Seiten zieht. Dies verleiht dem Buch den Hauch einer Gothik-Novel, wie es auch die Bücher der Brontë Schwestern tun. Allerdings, ebenso wie diese, geht der Inhalt der eigentlichen Geschichte weit darüber hinaus, dringt in die Psychologie seiner Protagonisten und ist daher auch zu lesen, wenn man nicht an Gespenster und das Übernatürliche glaubt... was mich jetzt wiederum an Jane Austen und „Northanger Abbey“ denken läßt... und an den Moment des Buches als ein junger Arzt, der mitlerweile tief in die Geschichte verstrickten Margaret empfiehlt, als Antidot gegen das Leben im Hause der Vida Winter „Sherlock Holmes“ einzunehmen.

Ein imaginäres Zitat aus dem Vorsatz: „Alle Kinder mythologisieren ihre Geburt. Das ist nur allzu menschlich. Du willst jemanden wirklich kennen lernen? Dann frage ihn, wann und wo er das Licht der Welt erblickt hat. Du wirst nicht die Wahrheit hören, sondern eine Geschichte. Und nichts ist so aufschlussreich wie eine Geschichte.“
(Geschichten von Wandlung und Verzweiflung, Vida Winter)

Bewertung:Die Spannung, die die gesamte Geschichte durchzieht, ist eher leise, aber so kontinuierlich, das eine Art Sog entsteht. Ich konnte, einmal begonnen, das Buch kaum noch aus der Hand legen, und das ist mir schon länger nicht mehr passiert. Dabei ist die Geschichte nicht immer originell oder nicht vorhersehbar, aber die Art wie sie erzählt wird, trägt über diese leichten Schwächen hinweg. Es ist ein altmodischer Roman einer modernen Erzählerin und besonders das Spiel mit den Motiven der alten Romane hat mir sehr gut gefallen... Denn auch wenn Bücher, neben der eigentlichen Familiengeschichte, immer eine große Rolle spielen, so werden sie doch eher subtil eingearbeitet und nur tiefer, zwischen den Zeilen, finden sich die wahren Parallelen. Für mich, die ich eine große Schwäche für Britannien und die britischen Klassiker habe, war dieses Buch ein gefundenes Fressen. Es hat mich von Seite zu Seite mehr begeistert, etwas, das ich so gar nicht erwartet hatte. Der Klappentext täuscht weit mehr Oberfläche vor, als sich in dem Buch wirklich findet... von dem ich mir sicher bin, das ich es noch das ein oder andere Mal lesen werde und sicherlich immer neue Dinge entdecken werde.
Fazit:
Ein echtes Fest für Leseratten, ein Buch für Winterabende bei heißen Tee und Kerzenschein, aber so gut, das es auch im Sommer genossen werden kann... und Sehnsucht nach kalter Winterluft und Kaminfeuer macht.
Ich vergebe leichten Herzens volle ✦✦✦✦✦
Tratsch aus der Bücherkiste:
Wie und wann kam das Buch zu mir?
Ich habe es 2010 auf dem 25. Bücherbummel auf der Kö erstanden... was ein Glück ist, denn angesichts dessen das der Klappentext nach reißerischem Thrillerzeug klang, hätte ich es zum vollen Preis sicherlich nicht erstanden. Deswegen lag es auch ein Jahr hier unangetastet herum und wurde erst kurz vor dem nächsten Bücherbummel hervorgekramt. Der schöne Umschlag hat sich in mein Gehirn gefressen und ein Buch über Bücher drängte sich vor dem Besuch des Bücherbummels 2011 einfach auf
Bücher führen zu Büchern?
Jane Eyre und Sturmhöhe habe ich bereits gelesen, was sicherlich ein kleiner Vorteil bei diesem Buch ist. Ebenso wie einiges von Jane Austen. "Rebecca" von Daphne duMaurier und Doyles "Sherlock Holmes" natürlich, aber auch Charles Dickens... viele Bücher führen zu diesem Buch und auch wieder von ihm fort.

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