Verdammt. Alarm! Fieser Splitter zwischen den Hirnhälften! Zum Glück hatte ich ein Abwehrsystem für unerwünschte Gedanken. Sobald ich bemerkte, dass sich etwas in meinen Kopf geschlichen hatte, das ich da nicht haben wollte, nahm ich einen imaginären Minigolfschläger und schlug den bösen Gedanken wie einen Golfball in ein tiefes Loch. Je nach Schweregrad des Gedankens stellte ich zusätzlich eine Gießkanne auf das Loch, so dass der Ball/Gedanke nicht wieder herauskommen konnte."Der Sommer, in dem die Zeit stehenblieb" - Tanya Stewner [S. 16]
Besonders verloren habe ich mich in der Suche nach Antworten. Antworten auf die Frage, was es mit dem mysteriösen und gutaussehenden Anjano auf sich hat, der plötzlich auf der Lichtung von Juli auftaucht und sich äußerst fragwürdig verhält. Er spricht komisch, verhält sich seltsam und trinkt statt Coca Cola lieber einen großen Schluck aus dem Teich. Anjano ist ebenso seltsam wie der Rest der Handlung und passt somit perfekt ins Schema. Doch was hat es mit ihm auf sich? Was ist sein Geheimnis? Bis weit in die Mitte des Werkes haben sich meine Gedanken förmlich überschlagen, um dieses Rätsel zu lösen. Doch mit der Auflösung hätte ich in keinster Form gerechnet. Frau Stewener hat mich an dieser Stelle ganz kalt erwischt und mit ihrer Idee verzaubert.
Das Bild, was in der zweiten Buchhälfte gezeichnet wird, manifestiert sich im Kopf des Lesers und fängt dort, erst langsam, dann immer stärker, an zu pulsieren. Die Kritik, die hier von der Autorin geübt wird, das Konzept, das sie hier entwirft, die Gedanken, die sie all ihren Lesern mit diesem einen Buch mit auf den Weg geben will, sind unglaublich schön und traurig zu gleich. Leider kann ich an dieser Stelle nicht allzu viel verraten, ohne zu spoilern. Aber hinter den Seiten versteckt sich eine beängstigende, aufrüttelnde und motivierende Gesellschaftsidee, die unbedingt mehr Anklang in mehr Köpfen finden sollte. Gerade diese Idee ist es, die diesen Schmöker in meinen Augen so besonders macht. Wäre sie nicht gewesen, wäre "Der Sommer, in dem die Zeit stehenblieb" lediglich ein Buch unter Vielen gewesen. Denn obwohl die Figuren ihren ganz eigenen Charme auf den Leser entwickeln können, hält sich die Liebesgeschichte an altbekannten Schemen fest und kann so leider nicht mit neuartigen Facetten begeistern.
Das Buch in Worten: überraschend, gesellschaftskritisch, motivierend, kurzweilig, nerdig
